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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Irland als Dorn unter dein Panzer Englands

In Irland machte dieser Gang der Dinge, auch der Mangel an Mut bei
den Liberalen in bezug auf Neuwahlen, einen recht Übeln Eindruck. Die irische
Neformgesetzgebung blieb stecken, teilweise im Oberhause, das seine Macht zeigen
wollte, da es die Neuwahl des Unterhauses nicht fürchtete. Mit einer neuen
Homerulevorlage wagte man nicht einmal vor das Unterhaus zu treten. Ein
Gesetz zugunsten der exmittierten Pächter wurde vom Oberhause verworfen.
Schließlich gab eine Zufallsabstimmung den Ausschlag. Die Regierungspartei
war nicht genügend zur Stelle, sodaß die Opposition ein Mißtrauensvotum
gegen den Kriegsminister Sir Henry Campbell-Bannerman, den jetzigen Premier,
durchbrachte. Die liberale Regierung trat im Juni 1895 ab. Die Konservativen
bildeten das Ministerium Balfour-Chamberlain, das bis zum Januar 1906
dauern sollte. Wieder waren die liberalen und konservativen Unionistcn
verbunden. Vereint erreichten sie eine Mehrheit von über 159 Stimmen
gegen Liberale und Iren. Es war das Ministerium des Transvaalkrieges,
der größerbritannischen Zolleinigung und der Politik der Bündnisse und
Erdeulen.

Im Parlament hatte es keinerlei Schwierigkeiten. Dagegen erwuchsen ihm
solche aus dem alten irischen Hexenkessel in Menge. Gleichwohl blieb es bei
der Reformpolitik und brachte alsbald ein Gesetz zustande, das abermals neue
Begünstigungen für die Schaffung freier Bauernstellen einführte. Es ging
sogar zur Einführung lokaler Selbstverwaltung in Irland über, wie man sie
kurz zuvor im übrigen Großbritannien mit Erfolg geschaffen hatte. Die Sache
wurde in großem Stil unternommen. Eine mit 2^ voni Hundert zu verzinsende
Anleihe, die mit 5 Millionen Pfund Sterling (100 Millionen Mark) jährlich
für die ersten drei Jahre festgesetzt wurde, sollte die notwendigen Mittel
liefern. Die Gesamtsumme der Aufwendungen wurde auf 100 Millionen Pfund
Sterling begrenzt. Das Geld sollte den Pächtern, die ihre bisherigen Pachtungen
in freies Eigentum verwandeln wollten, zu dem gleichen niedrigen Zinsfuß
geliehen werden. Die Rückzahlung sollte erst in einem Zeitraum von 68^ Jahren,
und zwar ganz allmählich, erfolgen. Gegen den Ankauf von Grundbesitz durch
Vodenwucherer oder Geldverleiher waren besondre Vorkehrungen getroffen.
Außerdem wurde ein Fonds von 12 Millionen Pfund Sterling ausgesetzt, um
diese Übertragung des Eigentums dadurch zu fördern, daß der Staat Verluste
auf sich übernähme. Diese Maßregel eines konservativen Ministeriums muß als
großherzig bezeichnet werden. Auch die Liberalen und die Iren konnten nicht
leugnen, daß das Gesetz einen großartigen Fortschritt in der Lösung der Land¬
frage bedeute. Das Unterhaus nahm es am 21. Juli 1903 mit 317 gegen
20 Stimmen an. Auch das Oberhaus billigte es, und es trat unter günstigen
Aussichten in Kraft. Irische Pächter fanden sich anfänglich in genügender Zahl,
um ans diese Weise Eigentümer zu werden.

Allein der große Gegensatz konnte nur zeitweilig überwunden werden.
1898 hatte O'Brien die Unitsä Iiisb I^aAus gegründet, die von da an anstatt


Irland als Dorn unter dein Panzer Englands

In Irland machte dieser Gang der Dinge, auch der Mangel an Mut bei
den Liberalen in bezug auf Neuwahlen, einen recht Übeln Eindruck. Die irische
Neformgesetzgebung blieb stecken, teilweise im Oberhause, das seine Macht zeigen
wollte, da es die Neuwahl des Unterhauses nicht fürchtete. Mit einer neuen
Homerulevorlage wagte man nicht einmal vor das Unterhaus zu treten. Ein
Gesetz zugunsten der exmittierten Pächter wurde vom Oberhause verworfen.
Schließlich gab eine Zufallsabstimmung den Ausschlag. Die Regierungspartei
war nicht genügend zur Stelle, sodaß die Opposition ein Mißtrauensvotum
gegen den Kriegsminister Sir Henry Campbell-Bannerman, den jetzigen Premier,
durchbrachte. Die liberale Regierung trat im Juni 1895 ab. Die Konservativen
bildeten das Ministerium Balfour-Chamberlain, das bis zum Januar 1906
dauern sollte. Wieder waren die liberalen und konservativen Unionistcn
verbunden. Vereint erreichten sie eine Mehrheit von über 159 Stimmen
gegen Liberale und Iren. Es war das Ministerium des Transvaalkrieges,
der größerbritannischen Zolleinigung und der Politik der Bündnisse und
Erdeulen.

Im Parlament hatte es keinerlei Schwierigkeiten. Dagegen erwuchsen ihm
solche aus dem alten irischen Hexenkessel in Menge. Gleichwohl blieb es bei
der Reformpolitik und brachte alsbald ein Gesetz zustande, das abermals neue
Begünstigungen für die Schaffung freier Bauernstellen einführte. Es ging
sogar zur Einführung lokaler Selbstverwaltung in Irland über, wie man sie
kurz zuvor im übrigen Großbritannien mit Erfolg geschaffen hatte. Die Sache
wurde in großem Stil unternommen. Eine mit 2^ voni Hundert zu verzinsende
Anleihe, die mit 5 Millionen Pfund Sterling (100 Millionen Mark) jährlich
für die ersten drei Jahre festgesetzt wurde, sollte die notwendigen Mittel
liefern. Die Gesamtsumme der Aufwendungen wurde auf 100 Millionen Pfund
Sterling begrenzt. Das Geld sollte den Pächtern, die ihre bisherigen Pachtungen
in freies Eigentum verwandeln wollten, zu dem gleichen niedrigen Zinsfuß
geliehen werden. Die Rückzahlung sollte erst in einem Zeitraum von 68^ Jahren,
und zwar ganz allmählich, erfolgen. Gegen den Ankauf von Grundbesitz durch
Vodenwucherer oder Geldverleiher waren besondre Vorkehrungen getroffen.
Außerdem wurde ein Fonds von 12 Millionen Pfund Sterling ausgesetzt, um
diese Übertragung des Eigentums dadurch zu fördern, daß der Staat Verluste
auf sich übernähme. Diese Maßregel eines konservativen Ministeriums muß als
großherzig bezeichnet werden. Auch die Liberalen und die Iren konnten nicht
leugnen, daß das Gesetz einen großartigen Fortschritt in der Lösung der Land¬
frage bedeute. Das Unterhaus nahm es am 21. Juli 1903 mit 317 gegen
20 Stimmen an. Auch das Oberhaus billigte es, und es trat unter günstigen
Aussichten in Kraft. Irische Pächter fanden sich anfänglich in genügender Zahl,
um ans diese Weise Eigentümer zu werden.

Allein der große Gegensatz konnte nur zeitweilig überwunden werden.
1898 hatte O'Brien die Unitsä Iiisb I^aAus gegründet, die von da an anstatt


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[0663] Irland als Dorn unter dein Panzer Englands In Irland machte dieser Gang der Dinge, auch der Mangel an Mut bei den Liberalen in bezug auf Neuwahlen, einen recht Übeln Eindruck. Die irische Neformgesetzgebung blieb stecken, teilweise im Oberhause, das seine Macht zeigen wollte, da es die Neuwahl des Unterhauses nicht fürchtete. Mit einer neuen Homerulevorlage wagte man nicht einmal vor das Unterhaus zu treten. Ein Gesetz zugunsten der exmittierten Pächter wurde vom Oberhause verworfen. Schließlich gab eine Zufallsabstimmung den Ausschlag. Die Regierungspartei war nicht genügend zur Stelle, sodaß die Opposition ein Mißtrauensvotum gegen den Kriegsminister Sir Henry Campbell-Bannerman, den jetzigen Premier, durchbrachte. Die liberale Regierung trat im Juni 1895 ab. Die Konservativen bildeten das Ministerium Balfour-Chamberlain, das bis zum Januar 1906 dauern sollte. Wieder waren die liberalen und konservativen Unionistcn verbunden. Vereint erreichten sie eine Mehrheit von über 159 Stimmen gegen Liberale und Iren. Es war das Ministerium des Transvaalkrieges, der größerbritannischen Zolleinigung und der Politik der Bündnisse und Erdeulen. Im Parlament hatte es keinerlei Schwierigkeiten. Dagegen erwuchsen ihm solche aus dem alten irischen Hexenkessel in Menge. Gleichwohl blieb es bei der Reformpolitik und brachte alsbald ein Gesetz zustande, das abermals neue Begünstigungen für die Schaffung freier Bauernstellen einführte. Es ging sogar zur Einführung lokaler Selbstverwaltung in Irland über, wie man sie kurz zuvor im übrigen Großbritannien mit Erfolg geschaffen hatte. Die Sache wurde in großem Stil unternommen. Eine mit 2^ voni Hundert zu verzinsende Anleihe, die mit 5 Millionen Pfund Sterling (100 Millionen Mark) jährlich für die ersten drei Jahre festgesetzt wurde, sollte die notwendigen Mittel liefern. Die Gesamtsumme der Aufwendungen wurde auf 100 Millionen Pfund Sterling begrenzt. Das Geld sollte den Pächtern, die ihre bisherigen Pachtungen in freies Eigentum verwandeln wollten, zu dem gleichen niedrigen Zinsfuß geliehen werden. Die Rückzahlung sollte erst in einem Zeitraum von 68^ Jahren, und zwar ganz allmählich, erfolgen. Gegen den Ankauf von Grundbesitz durch Vodenwucherer oder Geldverleiher waren besondre Vorkehrungen getroffen. Außerdem wurde ein Fonds von 12 Millionen Pfund Sterling ausgesetzt, um diese Übertragung des Eigentums dadurch zu fördern, daß der Staat Verluste auf sich übernähme. Diese Maßregel eines konservativen Ministeriums muß als großherzig bezeichnet werden. Auch die Liberalen und die Iren konnten nicht leugnen, daß das Gesetz einen großartigen Fortschritt in der Lösung der Land¬ frage bedeute. Das Unterhaus nahm es am 21. Juli 1903 mit 317 gegen 20 Stimmen an. Auch das Oberhaus billigte es, und es trat unter günstigen Aussichten in Kraft. Irische Pächter fanden sich anfänglich in genügender Zahl, um ans diese Weise Eigentümer zu werden. Allein der große Gegensatz konnte nur zeitweilig überwunden werden. 1898 hatte O'Brien die Unitsä Iiisb I^aAus gegründet, die von da an anstatt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/663>, abgerufen am 01.09.2024.