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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Zukunftssprache konstruiert. Man wird sich aber nicht wundern dürfen, wenn
diesem Versuch demnächst ein RoviAsrirmn entgegengestellt wird, und wenn dieses
A. D. im wesentlichen einer schon existierenden Sprache gleicht, dem Englischen.


Warum nur heiratet unsre Tochter nicht?

Eine Studie für Töchter¬
mütter. Ein angehender Fünfziger, der nebenbei glücklicher Ehemann und Vater,
aber nicht Tochtervater ist, bekommt obige Frage schon hier und da zu hören.
Nicht von den schlimmsten, sondern von guten, treuen, um das Wohl einer oft
wirklich liebenswerten Tochter besorgten Müttern, die darüber mit dem Verfasser
einig sind, daß eine gute Ehe nicht das einzige, aber das höchste und reinste Glück
für ein junges Mädchen ist. Nur von solchen Müttern und solchen Töchtern wollen
wir sprechen. Die Töchter sollen ausscheiden, die durch arge Charakterfehler oder
durch Mangel an Erziehung von vornherein jeden feiner Empfindenden abstoßen,
und auch die Mütter sollen hier ausscheiden, die durch Schroffheit, Unliebens-
würdigkeit, Geiz oder den Fluch der Lächerlichkeit den jungen Freier ihrer Tochter
abschrecken. Der werdende Freier, der das Mädchen schon liebgewann (vielleicht,
weil er es ohne die Mutter an fremdem Orte kennen lernte), läßt sich auch durch
dergleichen Mängel von Rechts wegen nicht mehr abschrecken.

Bei solcher Begrenzung des Kreises der Mütter und der Töchter wird auf obige
Frage meist die Antwort laut: "Einfach, weil sie kein Geld hat. Schlimm genug,
aber es ist so."

Gemach, gemach! Verfasser kennt liebenswürdige, wohlerzogne, wohlhabende
und kluge junge Damen, die auch in ihrem Aussehen keinen Wettbewerb zu scheuen
brauchten, deren Familie, der ersten Gesellschaft angehörend, in keiner Hinsicht und
in keinem Gliede zu bemängeln ist, aus deren Schwesternkreise gleichwohl nicht
eine geheiratet hat. Und er kennt mehr als eine Familie, deren Töchter zwar die
übrigen obengenannten Eigenschaften auch hatten, aber arm waren wie die Kirchen¬
mäuse, so arm, daß sie zum Teil nicht einmal eine Aussteuer erhalten konnten,
und die dessenungeachtet sämtlich, ohne Ausnahme, und zwar in frischester Jugend¬
blüte, im Brautkränze prangten. Das Geld allein tuts also Wohl doch nicht. Wo
blieben denn auch die -- nach Behauptung erster Autoritäten nicht nur nicht aus¬
gestorbnen, sondern in Zunahme begriffnen -- einzigen Söhne reicher Familien?
Sie heiraten -- Gott sei Dank! -- doch nicht alle erst nach Empfang genügender
Auskunft über den Vermögensstand des Schwiegervaters. Der unbegüterte junge
Mann verfährt mit Recht nach dem Worte: "Nicht nach Geld, aber auch nicht
ohne Geld"; bei dem reichen erweitert sich der Kreis der wählbaren jungen Damen
in großem Maße, und der Kluge wird hierin einen weitern Vorteil seines Reich¬
tums sehen.

Wo also liegt der Grund? Überwiegende Heiratsunlust der jüngern männ¬
lichen Generation? Verfasser hat den Eindruck, als ob, wie in manchen andern
Dingen, so auch hierin seit einigen Jahren eine Wendung zum Bessern eingetreten
wäre. Nicht mehr so häufig hört man am Biertisch, im Junggesellenkreise
Äußerungen, die materiellen Sinn und Hang zum Wohlleben als Grund der
Ehescheu erkennen lassen, und der Prozentsatz der verheirateten Männer scheint
mir auch in den Kreisen der ersten Gesellschaft wieder zuzunehmen.

Nicht nur, ja nicht einmal hauptsächlich wegen der im Weibe vermuteten
prophetischen Gabe wurde es von den wildesten Völkern des Altertums verehrt;
seine Herzensgüte, seine Liebenswürdigkeit schuf ihm bei den Starken Verehrung.
Diese Eigenschaften bilden den Grundzug des weiblichen Seelenlebens; sie sind
sozusagen die Scheidemünze, in der das junge Mädchen die Zinsen seines großen,
noch unangebrochnen Kapitals an Liebe im Alltagsleben ausgibt, bis der große
Tag kommt, an dem auch das Kapital selbst angegriffen und flüssig gemacht wird


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Zukunftssprache konstruiert. Man wird sich aber nicht wundern dürfen, wenn
diesem Versuch demnächst ein RoviAsrirmn entgegengestellt wird, und wenn dieses
A. D. im wesentlichen einer schon existierenden Sprache gleicht, dem Englischen.


Warum nur heiratet unsre Tochter nicht?

Eine Studie für Töchter¬
mütter. Ein angehender Fünfziger, der nebenbei glücklicher Ehemann und Vater,
aber nicht Tochtervater ist, bekommt obige Frage schon hier und da zu hören.
Nicht von den schlimmsten, sondern von guten, treuen, um das Wohl einer oft
wirklich liebenswerten Tochter besorgten Müttern, die darüber mit dem Verfasser
einig sind, daß eine gute Ehe nicht das einzige, aber das höchste und reinste Glück
für ein junges Mädchen ist. Nur von solchen Müttern und solchen Töchtern wollen
wir sprechen. Die Töchter sollen ausscheiden, die durch arge Charakterfehler oder
durch Mangel an Erziehung von vornherein jeden feiner Empfindenden abstoßen,
und auch die Mütter sollen hier ausscheiden, die durch Schroffheit, Unliebens-
würdigkeit, Geiz oder den Fluch der Lächerlichkeit den jungen Freier ihrer Tochter
abschrecken. Der werdende Freier, der das Mädchen schon liebgewann (vielleicht,
weil er es ohne die Mutter an fremdem Orte kennen lernte), läßt sich auch durch
dergleichen Mängel von Rechts wegen nicht mehr abschrecken.

Bei solcher Begrenzung des Kreises der Mütter und der Töchter wird auf obige
Frage meist die Antwort laut: „Einfach, weil sie kein Geld hat. Schlimm genug,
aber es ist so."

Gemach, gemach! Verfasser kennt liebenswürdige, wohlerzogne, wohlhabende
und kluge junge Damen, die auch in ihrem Aussehen keinen Wettbewerb zu scheuen
brauchten, deren Familie, der ersten Gesellschaft angehörend, in keiner Hinsicht und
in keinem Gliede zu bemängeln ist, aus deren Schwesternkreise gleichwohl nicht
eine geheiratet hat. Und er kennt mehr als eine Familie, deren Töchter zwar die
übrigen obengenannten Eigenschaften auch hatten, aber arm waren wie die Kirchen¬
mäuse, so arm, daß sie zum Teil nicht einmal eine Aussteuer erhalten konnten,
und die dessenungeachtet sämtlich, ohne Ausnahme, und zwar in frischester Jugend¬
blüte, im Brautkränze prangten. Das Geld allein tuts also Wohl doch nicht. Wo
blieben denn auch die — nach Behauptung erster Autoritäten nicht nur nicht aus¬
gestorbnen, sondern in Zunahme begriffnen — einzigen Söhne reicher Familien?
Sie heiraten — Gott sei Dank! — doch nicht alle erst nach Empfang genügender
Auskunft über den Vermögensstand des Schwiegervaters. Der unbegüterte junge
Mann verfährt mit Recht nach dem Worte: „Nicht nach Geld, aber auch nicht
ohne Geld"; bei dem reichen erweitert sich der Kreis der wählbaren jungen Damen
in großem Maße, und der Kluge wird hierin einen weitern Vorteil seines Reich¬
tums sehen.

Wo also liegt der Grund? Überwiegende Heiratsunlust der jüngern männ¬
lichen Generation? Verfasser hat den Eindruck, als ob, wie in manchen andern
Dingen, so auch hierin seit einigen Jahren eine Wendung zum Bessern eingetreten
wäre. Nicht mehr so häufig hört man am Biertisch, im Junggesellenkreise
Äußerungen, die materiellen Sinn und Hang zum Wohlleben als Grund der
Ehescheu erkennen lassen, und der Prozentsatz der verheirateten Männer scheint
mir auch in den Kreisen der ersten Gesellschaft wieder zuzunehmen.

Nicht nur, ja nicht einmal hauptsächlich wegen der im Weibe vermuteten
prophetischen Gabe wurde es von den wildesten Völkern des Altertums verehrt;
seine Herzensgüte, seine Liebenswürdigkeit schuf ihm bei den Starken Verehrung.
Diese Eigenschaften bilden den Grundzug des weiblichen Seelenlebens; sie sind
sozusagen die Scheidemünze, in der das junge Mädchen die Zinsen seines großen,
noch unangebrochnen Kapitals an Liebe im Alltagsleben ausgibt, bis der große
Tag kommt, an dem auch das Kapital selbst angegriffen und flüssig gemacht wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/58>, abgerufen am 12.12.2024.