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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Franziskus von Assise

und reicher, als ihr es denkt!" Rätselhaft klangen diese Worte; was sie be¬
deuteten, zeigt seine Geschichte.

Von religiösen Einflüssen zeigt bisher sein Leben nicht eine Spur. Ver¬
muten könnte man vielleicht, daß durch seine Mutter ihm etwas zugetragen sei
von jener waldensischen Frömmigkeit, die in ihrer Heimat so viele Bekenner
gefunden hatte. Etwas sicheres wissen wir darüber nicht. Nur daß es tief in
seinem Innern gewaltig gewühlt hatte, ist auf uns gekommen. In jenen Wochen
nun führte ihn der Weg nach Rom. Dort sah er die Gaben der Frommen
für die Armen und die Kranken und verwunderte sich über ihr geringes Maß.
Flugs gibt er alles, was er bei sich hat, und vor allem, er gibt in einer so
herzgewinnenden, freundlichen Art wie niemand sonst. Ja er läßt sich nieder,
wo die Bettler saßen, und bittet für sie! Armenpflege dünkt ihn zu wenig. Bei
den Aussätzigen kehrt er ein und läßt aus seinem sonnigen Herzen heraus
Sonnenschein fallen in ihr armseliges Leben. Und diese Hingebung bleibt auch
für ihn selber nicht ohne Lohn. Er macht die Erfahrung, von der einst Jesus
gesagt haben soll: "Geben ist seliger denn nehmen" und freut sich mit kindlich¬
fröhlichem Herzen der Dankbarkeit, die man ihm zollt. Daheim in Assisi treibt
er es nicht anders. Aber freilich, das Tuch verschenken, das im väterlichen
Laden des Verkaufs harrte, die Kasse leeren, statt sie zu füllen, das mußte
ihn in Konflikte mit seinem Vater bringen. Der sah mit Schrecken, daß sich
die Hoffnungen, die er auf seinen Sohn gesetzt hatte, zerschlugen. Keine Liebe
und keine Strenge fruchtete. Heftige Szenen, unerträglich heftige Szenen wurden
immer häufiger; und schließlich zog Franz seine eigne Straße, für seinen Vater
ein Verlornes Kind!

Bald weist ihn nun sein mächtig erwachtes religiöses Leben auf neue
Wege. In den Kapellen in der Nähe seiner Heimatstadt lauscht er mit zitternder
Seele den Worten der Priester. Er sieht hinein in das Leben Jesu von Nazareth,
in dieses Leben so reich an Opfern wie keines sonst. Je länger desto inniger
gibt er seine Seele diesem Jesus gefangen und vernimmt laut und immer lauter
den Heilandsruf: "Folge mir nach!" Da gewann er dann jene stillen Stätten
frommer Andacht lieb, eine zumal, die Kapelle von Se. Damian. Dort bleibt
er nun wohnen bei Nacht und Tag. Träumerisch, in sich gekehrt, mit seinen
Gedanken in einer andern Welt, so kommt er einst nach Assisi zurück. spottend
rufen die Kinder dem wunderlichen Träumer nach: Ein Narr! Ein Narr! Die
Leute kommen aus ihren Häusern hervor, auch Bernardone, Franzens Vater.
Als der nun seinen Sohn erkannte, kennt sein Zorn keine Grenzen. Halbtot
schlug er ihn und überhäufte ihn mit Vorwürfen bitterster Art. Schließlich
reißt Franziskus sein Gewand ab und bietet das wenige Geld, das er noch
besitzt, dem Vater an. schimpfend und fluchend reißt der an sich, was Franz
ihm bietet, und eilt davon. Franziskus aber spricht mit verklärtem Gesicht:
"Bisher habe ich Bernardone meinen Vater genannt, nun aber sage ich: Unser
Vater im Himmel." Das Verhältnis zu seinem Vater ist und bleibt für unser


Franziskus von Assise

und reicher, als ihr es denkt!" Rätselhaft klangen diese Worte; was sie be¬
deuteten, zeigt seine Geschichte.

Von religiösen Einflüssen zeigt bisher sein Leben nicht eine Spur. Ver¬
muten könnte man vielleicht, daß durch seine Mutter ihm etwas zugetragen sei
von jener waldensischen Frömmigkeit, die in ihrer Heimat so viele Bekenner
gefunden hatte. Etwas sicheres wissen wir darüber nicht. Nur daß es tief in
seinem Innern gewaltig gewühlt hatte, ist auf uns gekommen. In jenen Wochen
nun führte ihn der Weg nach Rom. Dort sah er die Gaben der Frommen
für die Armen und die Kranken und verwunderte sich über ihr geringes Maß.
Flugs gibt er alles, was er bei sich hat, und vor allem, er gibt in einer so
herzgewinnenden, freundlichen Art wie niemand sonst. Ja er läßt sich nieder,
wo die Bettler saßen, und bittet für sie! Armenpflege dünkt ihn zu wenig. Bei
den Aussätzigen kehrt er ein und läßt aus seinem sonnigen Herzen heraus
Sonnenschein fallen in ihr armseliges Leben. Und diese Hingebung bleibt auch
für ihn selber nicht ohne Lohn. Er macht die Erfahrung, von der einst Jesus
gesagt haben soll: „Geben ist seliger denn nehmen" und freut sich mit kindlich¬
fröhlichem Herzen der Dankbarkeit, die man ihm zollt. Daheim in Assisi treibt
er es nicht anders. Aber freilich, das Tuch verschenken, das im väterlichen
Laden des Verkaufs harrte, die Kasse leeren, statt sie zu füllen, das mußte
ihn in Konflikte mit seinem Vater bringen. Der sah mit Schrecken, daß sich
die Hoffnungen, die er auf seinen Sohn gesetzt hatte, zerschlugen. Keine Liebe
und keine Strenge fruchtete. Heftige Szenen, unerträglich heftige Szenen wurden
immer häufiger; und schließlich zog Franz seine eigne Straße, für seinen Vater
ein Verlornes Kind!

Bald weist ihn nun sein mächtig erwachtes religiöses Leben auf neue
Wege. In den Kapellen in der Nähe seiner Heimatstadt lauscht er mit zitternder
Seele den Worten der Priester. Er sieht hinein in das Leben Jesu von Nazareth,
in dieses Leben so reich an Opfern wie keines sonst. Je länger desto inniger
gibt er seine Seele diesem Jesus gefangen und vernimmt laut und immer lauter
den Heilandsruf: „Folge mir nach!" Da gewann er dann jene stillen Stätten
frommer Andacht lieb, eine zumal, die Kapelle von Se. Damian. Dort bleibt
er nun wohnen bei Nacht und Tag. Träumerisch, in sich gekehrt, mit seinen
Gedanken in einer andern Welt, so kommt er einst nach Assisi zurück. spottend
rufen die Kinder dem wunderlichen Träumer nach: Ein Narr! Ein Narr! Die
Leute kommen aus ihren Häusern hervor, auch Bernardone, Franzens Vater.
Als der nun seinen Sohn erkannte, kennt sein Zorn keine Grenzen. Halbtot
schlug er ihn und überhäufte ihn mit Vorwürfen bitterster Art. Schließlich
reißt Franziskus sein Gewand ab und bietet das wenige Geld, das er noch
besitzt, dem Vater an. schimpfend und fluchend reißt der an sich, was Franz
ihm bietet, und eilt davon. Franziskus aber spricht mit verklärtem Gesicht:
„Bisher habe ich Bernardone meinen Vater genannt, nun aber sage ich: Unser
Vater im Himmel." Das Verhältnis zu seinem Vater ist und bleibt für unser


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/567>, abgerufen am 01.09.2024.