Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

sehr wesentlich gefördert und würde eine erfolgreiche Kriegführung noch viel
mehr ermöglicht haben, wenn sie schon bei Beginn der Unruhen im ganzen
Umfang fertiggestellt gewesen wäre. Sie ist die weitaus längste von allen
deutschen Kolonialbahnen und wird in kurzer Zeit eine Abzweigung von Otavi
nach Grootfontein erhalten. Später dürfte sie voraussichtlich einmal Anschluß
an die im Entstehen begriffnen Eisenbahnlinien im südlichen Teil der benach¬
barten portugiesischen Kolonie Angola finden.

Weiter gibt es in Deutschsüdwest die wichtige Regierungsbahn Swakop-
mund-Windhuk, die zweitlängste unsrer Kolonialbahnen, die sich bei der Nieder¬
werfung des großen Aufstands von ganz unschätzbarem Werte erwiesen hat.
Die Verlängerung dieser Bahn bis Rehoboth steht unmittelbar bevor; in spätrer
Zeit soll sie noch viel weiter, nach dem Süden des Schutzgebiets, nach Keet-
manshoop und sogar bis nach Warmbad verlängert werden. Die dritte und
letzte unsrer südwestafrikanischen Bahnen ist die sogenannte "Südbahn". Es ist
dies die vielgenannte, im Reichstag so heiß umstrittne Bahn, die von Lüderitz-
bucht aus ins Hinterland des südlichen Schutzgebiets verläuft, und deretwegen
sich Oberst von Deimling in der berühmten Reichstagssitzung vom 26. Mai
1906 so energisch ins Zeug gelegt hat. Damals war die Bahn bis in die
Gegend von Kubub und Aus gebaut; der Reichstag verweigerte die Mittel zum
geplanten Weiterbau bis Keetmanshoop und wollte die Bahn, um Oberst Deiiu-
lings drastischen Ausdruck zu rekapitulieren, "bei Kubub im Dreck stecken lassen".
Die Verhältnisse haben sich seither gründlich geändert: am 12. März 1907 hat
der neue Reichstag die Weiterführung der Bahn bis Keetmanshoop gutgeheißen,
die denn auch sogleich energisch in Angriff genommen worden ist, sodaß vor
ein paar Wochen schon eine etwa achtzig Kilometer lange, weitre Strecke von
Aus bis Schakalskuppe, zunächst für Militürtransporte, eröffnet werden konnte,
womit die Bahn die schlimmsten "Durststrecken" überwunden hat, sodaß sie speziell
in den neu bevorstehenden Kämpfen gegen Morenga von sehr hohem Werte sein
wird. Auf diese "Südbahn" darf aber auch die Handelswelt besonders große
Hoffnungen setzen, denn wenn sie dereinst voll ausgebaut sein und nicht nur bis
Keetmanshoop, sondern etwa bis Rietfontein an der Grenze des britischen Vetschuana-
lcmdes verlängert sein wird, so kann sie unter Umstünden einen sehr bedeutenden
Teil des südafrikanischen Handels auf sich lenken, und Lüderitzbucht kann, wenn
das Glück uns geneigt ist, zum wichtigsten Handelshafen von ganz Südafrika
werden und, wegen der bedeutend kürzern Verkehrswege, dem britischen Kapstadt
eine sehr fühlbare Konkurrenz machen. Die Engländer erkennen diese Sachlage
auch sehr deutlich und plädieren schon lebhaft für eine sich von Port Nolloth
(im nordwestlichsten Kapland) nahe an der deutschen Grenze hinziehende Bahn,
die der deutschen "Südbahn" den Rang abzulaufen und den Handelsverkehr
der dem Verkehr neuzuerschließenden englischen und deutschen Gebiete über eng¬
lisches Gebiet lenken soll, in ähnlicher Weise, wie sie es in Ostafrika bei der schon
genannten Ugandabahn mit so großem Erfolg schon getan haben.


Die deutschen Eisenbahnen in Afrika

sehr wesentlich gefördert und würde eine erfolgreiche Kriegführung noch viel
mehr ermöglicht haben, wenn sie schon bei Beginn der Unruhen im ganzen
Umfang fertiggestellt gewesen wäre. Sie ist die weitaus längste von allen
deutschen Kolonialbahnen und wird in kurzer Zeit eine Abzweigung von Otavi
nach Grootfontein erhalten. Später dürfte sie voraussichtlich einmal Anschluß
an die im Entstehen begriffnen Eisenbahnlinien im südlichen Teil der benach¬
barten portugiesischen Kolonie Angola finden.

Weiter gibt es in Deutschsüdwest die wichtige Regierungsbahn Swakop-
mund-Windhuk, die zweitlängste unsrer Kolonialbahnen, die sich bei der Nieder¬
werfung des großen Aufstands von ganz unschätzbarem Werte erwiesen hat.
Die Verlängerung dieser Bahn bis Rehoboth steht unmittelbar bevor; in spätrer
Zeit soll sie noch viel weiter, nach dem Süden des Schutzgebiets, nach Keet-
manshoop und sogar bis nach Warmbad verlängert werden. Die dritte und
letzte unsrer südwestafrikanischen Bahnen ist die sogenannte „Südbahn". Es ist
dies die vielgenannte, im Reichstag so heiß umstrittne Bahn, die von Lüderitz-
bucht aus ins Hinterland des südlichen Schutzgebiets verläuft, und deretwegen
sich Oberst von Deimling in der berühmten Reichstagssitzung vom 26. Mai
1906 so energisch ins Zeug gelegt hat. Damals war die Bahn bis in die
Gegend von Kubub und Aus gebaut; der Reichstag verweigerte die Mittel zum
geplanten Weiterbau bis Keetmanshoop und wollte die Bahn, um Oberst Deiiu-
lings drastischen Ausdruck zu rekapitulieren, „bei Kubub im Dreck stecken lassen".
Die Verhältnisse haben sich seither gründlich geändert: am 12. März 1907 hat
der neue Reichstag die Weiterführung der Bahn bis Keetmanshoop gutgeheißen,
die denn auch sogleich energisch in Angriff genommen worden ist, sodaß vor
ein paar Wochen schon eine etwa achtzig Kilometer lange, weitre Strecke von
Aus bis Schakalskuppe, zunächst für Militürtransporte, eröffnet werden konnte,
womit die Bahn die schlimmsten „Durststrecken" überwunden hat, sodaß sie speziell
in den neu bevorstehenden Kämpfen gegen Morenga von sehr hohem Werte sein
wird. Auf diese „Südbahn" darf aber auch die Handelswelt besonders große
Hoffnungen setzen, denn wenn sie dereinst voll ausgebaut sein und nicht nur bis
Keetmanshoop, sondern etwa bis Rietfontein an der Grenze des britischen Vetschuana-
lcmdes verlängert sein wird, so kann sie unter Umstünden einen sehr bedeutenden
Teil des südafrikanischen Handels auf sich lenken, und Lüderitzbucht kann, wenn
das Glück uns geneigt ist, zum wichtigsten Handelshafen von ganz Südafrika
werden und, wegen der bedeutend kürzern Verkehrswege, dem britischen Kapstadt
eine sehr fühlbare Konkurrenz machen. Die Engländer erkennen diese Sachlage
auch sehr deutlich und plädieren schon lebhaft für eine sich von Port Nolloth
(im nordwestlichsten Kapland) nahe an der deutschen Grenze hinziehende Bahn,
die der deutschen „Südbahn" den Rang abzulaufen und den Handelsverkehr
der dem Verkehr neuzuerschließenden englischen und deutschen Gebiete über eng¬
lisches Gebiet lenken soll, in ähnlicher Weise, wie sie es in Ostafrika bei der schon
genannten Ugandabahn mit so großem Erfolg schon getan haben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0554" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303256"/>
          <fw type="header" place="top"> Die deutschen Eisenbahnen in Afrika</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2900" prev="#ID_2899"> sehr wesentlich gefördert und würde eine erfolgreiche Kriegführung noch viel<lb/>
mehr ermöglicht haben, wenn sie schon bei Beginn der Unruhen im ganzen<lb/>
Umfang fertiggestellt gewesen wäre. Sie ist die weitaus längste von allen<lb/>
deutschen Kolonialbahnen und wird in kurzer Zeit eine Abzweigung von Otavi<lb/>
nach Grootfontein erhalten. Später dürfte sie voraussichtlich einmal Anschluß<lb/>
an die im Entstehen begriffnen Eisenbahnlinien im südlichen Teil der benach¬<lb/>
barten portugiesischen Kolonie Angola finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2901"> Weiter gibt es in Deutschsüdwest die wichtige Regierungsbahn Swakop-<lb/>
mund-Windhuk, die zweitlängste unsrer Kolonialbahnen, die sich bei der Nieder¬<lb/>
werfung des großen Aufstands von ganz unschätzbarem Werte erwiesen hat.<lb/>
Die Verlängerung dieser Bahn bis Rehoboth steht unmittelbar bevor; in spätrer<lb/>
Zeit soll sie noch viel weiter, nach dem Süden des Schutzgebiets, nach Keet-<lb/>
manshoop und sogar bis nach Warmbad verlängert werden. Die dritte und<lb/>
letzte unsrer südwestafrikanischen Bahnen ist die sogenannte &#x201E;Südbahn". Es ist<lb/>
dies die vielgenannte, im Reichstag so heiß umstrittne Bahn, die von Lüderitz-<lb/>
bucht aus ins Hinterland des südlichen Schutzgebiets verläuft, und deretwegen<lb/>
sich Oberst von Deimling in der berühmten Reichstagssitzung vom 26. Mai<lb/>
1906 so energisch ins Zeug gelegt hat. Damals war die Bahn bis in die<lb/>
Gegend von Kubub und Aus gebaut; der Reichstag verweigerte die Mittel zum<lb/>
geplanten Weiterbau bis Keetmanshoop und wollte die Bahn, um Oberst Deiiu-<lb/>
lings drastischen Ausdruck zu rekapitulieren, &#x201E;bei Kubub im Dreck stecken lassen".<lb/>
Die Verhältnisse haben sich seither gründlich geändert: am 12. März 1907 hat<lb/>
der neue Reichstag die Weiterführung der Bahn bis Keetmanshoop gutgeheißen,<lb/>
die denn auch sogleich energisch in Angriff genommen worden ist, sodaß vor<lb/>
ein paar Wochen schon eine etwa achtzig Kilometer lange, weitre Strecke von<lb/>
Aus bis Schakalskuppe, zunächst für Militürtransporte, eröffnet werden konnte,<lb/>
womit die Bahn die schlimmsten &#x201E;Durststrecken" überwunden hat, sodaß sie speziell<lb/>
in den neu bevorstehenden Kämpfen gegen Morenga von sehr hohem Werte sein<lb/>
wird. Auf diese &#x201E;Südbahn" darf aber auch die Handelswelt besonders große<lb/>
Hoffnungen setzen, denn wenn sie dereinst voll ausgebaut sein und nicht nur bis<lb/>
Keetmanshoop, sondern etwa bis Rietfontein an der Grenze des britischen Vetschuana-<lb/>
lcmdes verlängert sein wird, so kann sie unter Umstünden einen sehr bedeutenden<lb/>
Teil des südafrikanischen Handels auf sich lenken, und Lüderitzbucht kann, wenn<lb/>
das Glück uns geneigt ist, zum wichtigsten Handelshafen von ganz Südafrika<lb/>
werden und, wegen der bedeutend kürzern Verkehrswege, dem britischen Kapstadt<lb/>
eine sehr fühlbare Konkurrenz machen. Die Engländer erkennen diese Sachlage<lb/>
auch sehr deutlich und plädieren schon lebhaft für eine sich von Port Nolloth<lb/>
(im nordwestlichsten Kapland) nahe an der deutschen Grenze hinziehende Bahn,<lb/>
die der deutschen &#x201E;Südbahn" den Rang abzulaufen und den Handelsverkehr<lb/>
der dem Verkehr neuzuerschließenden englischen und deutschen Gebiete über eng¬<lb/>
lisches Gebiet lenken soll, in ähnlicher Weise, wie sie es in Ostafrika bei der schon<lb/>
genannten Ugandabahn mit so großem Erfolg schon getan haben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0554] Die deutschen Eisenbahnen in Afrika sehr wesentlich gefördert und würde eine erfolgreiche Kriegführung noch viel mehr ermöglicht haben, wenn sie schon bei Beginn der Unruhen im ganzen Umfang fertiggestellt gewesen wäre. Sie ist die weitaus längste von allen deutschen Kolonialbahnen und wird in kurzer Zeit eine Abzweigung von Otavi nach Grootfontein erhalten. Später dürfte sie voraussichtlich einmal Anschluß an die im Entstehen begriffnen Eisenbahnlinien im südlichen Teil der benach¬ barten portugiesischen Kolonie Angola finden. Weiter gibt es in Deutschsüdwest die wichtige Regierungsbahn Swakop- mund-Windhuk, die zweitlängste unsrer Kolonialbahnen, die sich bei der Nieder¬ werfung des großen Aufstands von ganz unschätzbarem Werte erwiesen hat. Die Verlängerung dieser Bahn bis Rehoboth steht unmittelbar bevor; in spätrer Zeit soll sie noch viel weiter, nach dem Süden des Schutzgebiets, nach Keet- manshoop und sogar bis nach Warmbad verlängert werden. Die dritte und letzte unsrer südwestafrikanischen Bahnen ist die sogenannte „Südbahn". Es ist dies die vielgenannte, im Reichstag so heiß umstrittne Bahn, die von Lüderitz- bucht aus ins Hinterland des südlichen Schutzgebiets verläuft, und deretwegen sich Oberst von Deimling in der berühmten Reichstagssitzung vom 26. Mai 1906 so energisch ins Zeug gelegt hat. Damals war die Bahn bis in die Gegend von Kubub und Aus gebaut; der Reichstag verweigerte die Mittel zum geplanten Weiterbau bis Keetmanshoop und wollte die Bahn, um Oberst Deiiu- lings drastischen Ausdruck zu rekapitulieren, „bei Kubub im Dreck stecken lassen". Die Verhältnisse haben sich seither gründlich geändert: am 12. März 1907 hat der neue Reichstag die Weiterführung der Bahn bis Keetmanshoop gutgeheißen, die denn auch sogleich energisch in Angriff genommen worden ist, sodaß vor ein paar Wochen schon eine etwa achtzig Kilometer lange, weitre Strecke von Aus bis Schakalskuppe, zunächst für Militürtransporte, eröffnet werden konnte, womit die Bahn die schlimmsten „Durststrecken" überwunden hat, sodaß sie speziell in den neu bevorstehenden Kämpfen gegen Morenga von sehr hohem Werte sein wird. Auf diese „Südbahn" darf aber auch die Handelswelt besonders große Hoffnungen setzen, denn wenn sie dereinst voll ausgebaut sein und nicht nur bis Keetmanshoop, sondern etwa bis Rietfontein an der Grenze des britischen Vetschuana- lcmdes verlängert sein wird, so kann sie unter Umstünden einen sehr bedeutenden Teil des südafrikanischen Handels auf sich lenken, und Lüderitzbucht kann, wenn das Glück uns geneigt ist, zum wichtigsten Handelshafen von ganz Südafrika werden und, wegen der bedeutend kürzern Verkehrswege, dem britischen Kapstadt eine sehr fühlbare Konkurrenz machen. Die Engländer erkennen diese Sachlage auch sehr deutlich und plädieren schon lebhaft für eine sich von Port Nolloth (im nordwestlichsten Kapland) nahe an der deutschen Grenze hinziehende Bahn, die der deutschen „Südbahn" den Rang abzulaufen und den Handelsverkehr der dem Verkehr neuzuerschließenden englischen und deutschen Gebiete über eng¬ lisches Gebiet lenken soll, in ähnlicher Weise, wie sie es in Ostafrika bei der schon genannten Ugandabahn mit so großem Erfolg schon getan haben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/554
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/554>, abgerufen am 01.09.2024.