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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Konfession und Wirtschaftsleben

teils, wie der rationale Geschäftsbetrieb bald erkennen läßt, weil donsst^ ein?
böse rMvy ist.

So hätten wir nun auch ein drittes Element des kapitalistischen Geistes:
Profitmacher, ist Pflicht; und nehmen wir noch das vierte hinzu, so haben wir
alles Wesentliche beisammen. Der Reichtum ist bedenklich -- doch nicht an
sich, sondern nur als Verlockung zum Genuß. Sport als Erholung zur Wieder-
herstellung und rationeller Pflege der Kräfte wird gestattet. Dagegen "der
triebhafte Lebensgenuß, der von der Berufsarbeit wie vou der Frömmigkeit
gleichermaßen abzieht, war eben als solcher der Feind der rationalen Askese,
mochte er sich als kavaliermüßiger Sport oder als Tanzboden- und Kneipen-
besuch des gemeinen Mannes darstellen. Mißtrauisch und feindlich ist dem¬
gemäß auch die Stellung zu den uicht direkt religiös zu wertenden Kultur¬
gütern. Nicht als ob ein düsteres, kulturverachtendes Banausentum im Lebens¬
ideal des Puritanismus enthalten gewesen wäre. Das gerade Gegenteil ist
wenigstens für die Wissenschaft richtig." Aber in allen Gebieten der nicht
wissenschaftlichen Literatur und der "Sinnenkunst" legte sich ein Reif auf das
Leben des alten fröhlichen Englands. Die Nomcmleserei, das Theater, der
Schmuck der Person wurden verpönt, die Lebensführung und Kleidung uui-
fvrmiert, die bildenden Künste gering geachtet. "Daß in Holland für die Ent¬
wicklung einer großen, oft derb realistischen Kunst Raum blieb, beweist nur,
wie wenig exklusiv die dortige autoritär gehandhabte Sittenreglementierung "ach
diesen Richtungen gegenüber dem Einfluß des Hofes und des Regentenstandes,
aber auch der Lebenslust reich gewordner Kleinbürger zu wirken vermochte,
nachdem sich die kurze Herrschaft der calvinistischen Theokratie in ein nüchternes
Staatskirchentum aufgelöst und damit der Calvinismus seine asketische Werbe¬
kraft verloren hatte." Zur puritanischen Askese gehörte auch noch der Grundsatz,
daß erlaubte Genüsse nichts kosten dürfen. Geld darf nur auf Notwendiges
und Nützliches, nicht auf Überflüssiges ausgegeben werden. Das führt unter
anderm zur Ausbildung der Kunst des Komforts, der zu den Gesundheit fördernden
und darum nützlichen Genüssen gerechnet wird. Die innerweltliche protestantische
Askese, so faßt Weber das Ergebnis seiner Untersuchung zusammen, "wirkt mit
voller Wucht gegen den unbefangnen Genuß des Besitzes; sie schnürt den
Verbrauch, speziell die Luxuskonsumtiou ein. Dagegen entlastet sie den Güter¬
erwerb von den Hemmungen der traditionalistischen Ethik, sie sprengt die
Fesseln des Erwerbsstrebens, indem sie dieses nicht nur legalisiert, sondern direkt
mis von Gott gewollt ansieht. Der Kampf gegen die Fleischeslust und gegen
das Hängen an äußern Gütern ist kein Kampf gegen Reichtum und Erwerb,
sondern gegen die damit verbundnen Versuchungen. Diese aber liegen vor allem
w der Wertschätzung der als Kreaturvergötterung verdammlicher ostensiblen
Formen des Luxus, wie sie dem feudalen Empfinden so nahe liegen, anstatt
der von Gott gewollten rationalen und utilitarischen Verwendung für die
Lebenszwecke des Einzelnen und der Gesamtheit. Dem Flitter und Schein


Grenzboten III 1907 ^
Konfession und Wirtschaftsleben

teils, wie der rationale Geschäftsbetrieb bald erkennen läßt, weil donsst^ ein?
böse rMvy ist.

So hätten wir nun auch ein drittes Element des kapitalistischen Geistes:
Profitmacher, ist Pflicht; und nehmen wir noch das vierte hinzu, so haben wir
alles Wesentliche beisammen. Der Reichtum ist bedenklich — doch nicht an
sich, sondern nur als Verlockung zum Genuß. Sport als Erholung zur Wieder-
herstellung und rationeller Pflege der Kräfte wird gestattet. Dagegen „der
triebhafte Lebensgenuß, der von der Berufsarbeit wie vou der Frömmigkeit
gleichermaßen abzieht, war eben als solcher der Feind der rationalen Askese,
mochte er sich als kavaliermüßiger Sport oder als Tanzboden- und Kneipen-
besuch des gemeinen Mannes darstellen. Mißtrauisch und feindlich ist dem¬
gemäß auch die Stellung zu den uicht direkt religiös zu wertenden Kultur¬
gütern. Nicht als ob ein düsteres, kulturverachtendes Banausentum im Lebens¬
ideal des Puritanismus enthalten gewesen wäre. Das gerade Gegenteil ist
wenigstens für die Wissenschaft richtig." Aber in allen Gebieten der nicht
wissenschaftlichen Literatur und der „Sinnenkunst" legte sich ein Reif auf das
Leben des alten fröhlichen Englands. Die Nomcmleserei, das Theater, der
Schmuck der Person wurden verpönt, die Lebensführung und Kleidung uui-
fvrmiert, die bildenden Künste gering geachtet. „Daß in Holland für die Ent¬
wicklung einer großen, oft derb realistischen Kunst Raum blieb, beweist nur,
wie wenig exklusiv die dortige autoritär gehandhabte Sittenreglementierung »ach
diesen Richtungen gegenüber dem Einfluß des Hofes und des Regentenstandes,
aber auch der Lebenslust reich gewordner Kleinbürger zu wirken vermochte,
nachdem sich die kurze Herrschaft der calvinistischen Theokratie in ein nüchternes
Staatskirchentum aufgelöst und damit der Calvinismus seine asketische Werbe¬
kraft verloren hatte." Zur puritanischen Askese gehörte auch noch der Grundsatz,
daß erlaubte Genüsse nichts kosten dürfen. Geld darf nur auf Notwendiges
und Nützliches, nicht auf Überflüssiges ausgegeben werden. Das führt unter
anderm zur Ausbildung der Kunst des Komforts, der zu den Gesundheit fördernden
und darum nützlichen Genüssen gerechnet wird. Die innerweltliche protestantische
Askese, so faßt Weber das Ergebnis seiner Untersuchung zusammen, „wirkt mit
voller Wucht gegen den unbefangnen Genuß des Besitzes; sie schnürt den
Verbrauch, speziell die Luxuskonsumtiou ein. Dagegen entlastet sie den Güter¬
erwerb von den Hemmungen der traditionalistischen Ethik, sie sprengt die
Fesseln des Erwerbsstrebens, indem sie dieses nicht nur legalisiert, sondern direkt
mis von Gott gewollt ansieht. Der Kampf gegen die Fleischeslust und gegen
das Hängen an äußern Gütern ist kein Kampf gegen Reichtum und Erwerb,
sondern gegen die damit verbundnen Versuchungen. Diese aber liegen vor allem
w der Wertschätzung der als Kreaturvergötterung verdammlicher ostensiblen
Formen des Luxus, wie sie dem feudalen Empfinden so nahe liegen, anstatt
der von Gott gewollten rationalen und utilitarischen Verwendung für die
Lebenszwecke des Einzelnen und der Gesamtheit. Dem Flitter und Schein


Grenzboten III 1907 ^
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[0521] Konfession und Wirtschaftsleben teils, wie der rationale Geschäftsbetrieb bald erkennen läßt, weil donsst^ ein? böse rMvy ist. So hätten wir nun auch ein drittes Element des kapitalistischen Geistes: Profitmacher, ist Pflicht; und nehmen wir noch das vierte hinzu, so haben wir alles Wesentliche beisammen. Der Reichtum ist bedenklich — doch nicht an sich, sondern nur als Verlockung zum Genuß. Sport als Erholung zur Wieder- herstellung und rationeller Pflege der Kräfte wird gestattet. Dagegen „der triebhafte Lebensgenuß, der von der Berufsarbeit wie vou der Frömmigkeit gleichermaßen abzieht, war eben als solcher der Feind der rationalen Askese, mochte er sich als kavaliermüßiger Sport oder als Tanzboden- und Kneipen- besuch des gemeinen Mannes darstellen. Mißtrauisch und feindlich ist dem¬ gemäß auch die Stellung zu den uicht direkt religiös zu wertenden Kultur¬ gütern. Nicht als ob ein düsteres, kulturverachtendes Banausentum im Lebens¬ ideal des Puritanismus enthalten gewesen wäre. Das gerade Gegenteil ist wenigstens für die Wissenschaft richtig." Aber in allen Gebieten der nicht wissenschaftlichen Literatur und der „Sinnenkunst" legte sich ein Reif auf das Leben des alten fröhlichen Englands. Die Nomcmleserei, das Theater, der Schmuck der Person wurden verpönt, die Lebensführung und Kleidung uui- fvrmiert, die bildenden Künste gering geachtet. „Daß in Holland für die Ent¬ wicklung einer großen, oft derb realistischen Kunst Raum blieb, beweist nur, wie wenig exklusiv die dortige autoritär gehandhabte Sittenreglementierung »ach diesen Richtungen gegenüber dem Einfluß des Hofes und des Regentenstandes, aber auch der Lebenslust reich gewordner Kleinbürger zu wirken vermochte, nachdem sich die kurze Herrschaft der calvinistischen Theokratie in ein nüchternes Staatskirchentum aufgelöst und damit der Calvinismus seine asketische Werbe¬ kraft verloren hatte." Zur puritanischen Askese gehörte auch noch der Grundsatz, daß erlaubte Genüsse nichts kosten dürfen. Geld darf nur auf Notwendiges und Nützliches, nicht auf Überflüssiges ausgegeben werden. Das führt unter anderm zur Ausbildung der Kunst des Komforts, der zu den Gesundheit fördernden und darum nützlichen Genüssen gerechnet wird. Die innerweltliche protestantische Askese, so faßt Weber das Ergebnis seiner Untersuchung zusammen, „wirkt mit voller Wucht gegen den unbefangnen Genuß des Besitzes; sie schnürt den Verbrauch, speziell die Luxuskonsumtiou ein. Dagegen entlastet sie den Güter¬ erwerb von den Hemmungen der traditionalistischen Ethik, sie sprengt die Fesseln des Erwerbsstrebens, indem sie dieses nicht nur legalisiert, sondern direkt mis von Gott gewollt ansieht. Der Kampf gegen die Fleischeslust und gegen das Hängen an äußern Gütern ist kein Kampf gegen Reichtum und Erwerb, sondern gegen die damit verbundnen Versuchungen. Diese aber liegen vor allem w der Wertschätzung der als Kreaturvergötterung verdammlicher ostensiblen Formen des Luxus, wie sie dem feudalen Empfinden so nahe liegen, anstatt der von Gott gewollten rationalen und utilitarischen Verwendung für die Lebenszwecke des Einzelnen und der Gesamtheit. Dem Flitter und Schein Grenzboten III 1907 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/521>, abgerufen am 01.09.2024.