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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Konfession und Wirtschaftsleben

bewahren, besonders vor der Sünde, die der Puritaner am meisten fürchtete.
Auch in dieser Empfehlung der Arbeit als eines Mittels, sich vor fleischlichen
Anfechtungen zu bewahren, stimmt die puritanische mit der katholischen Askese
überein. "Die sexuelle Askese ist ja im Puritcmismus nur dem Grade, nicht
dem Prinzip nach von der mönchischen verschieden, und infolge der Erfassung
auch des ehelichen Lebens weiterreichend als jene. Denn der Geschlechtsverkehr
ist auch in der Ehe nur als das von Gott gewollt" Mittel zur Mehrung seines
Ruhmes, entsprechend dem Gebot: Seid fruchtbar und mehret euch, zulässig."

Die rationale Selbsterziehung führt nun auch zur Rationalisierung der
Berufsarbeit, also, da die Puritaner weder Beamte noch Gelehrte zu sein
pflegten, sondern meistens Landwirte und Gewerbetreibende oder Kaufleute
waren, der Produktion und des Handels. Vor allem wird ein bestimmter Beruf
gefordert. Der angesehenste puritanische Theologe, Baxter, lehrt: "Außerhalb
eines festen Berufs sind die Arbeitsleistungen eines Menschen nur unstete Ge¬
legenheitsarbeit, und er verbringt mehr Zeit in Faulheit als in der Arbeit. Der
Bernfsarbeiter wird seine Arbeit in Ordnung vollbringen, während ein andrer
in ewiger Verwirrung steckt; darum ist ein fester Beruf für jedermann das
beste." "Dem Leben des Berufslose", bemerkt Weber hierzu, fehlt eben der
systematisch-methodische Charakter, den die innerweltliche Askese verlangt. Auch
nach der Quükerethik soll das Berufsleben des Menschen eine konsequente as¬
ketische Tugendübung, eine Bewährung seines Gnadenstandes an seiner Gewissen¬
haftigkeit sein, die in der Sorgfalt und Methode, mit der er seinem Beruf nach¬
geht, sich auswirkt. Nicht Arbeit an sich, sondern rationale Berufsarbeit ist
eben das von Gott verlangte. Auf diesem methodischen Charakter der Berufs¬
askese liegt bei der puritanischen Berufsidee immer der Nachdruck, nicht, wie
bei Luther, auf dem Sichbescheiden mit dem einmal von Gott zugemessenen
Lohn. Darum wird nicht nur die Frage, ob jemand mehrere eMinM kom¬
binieren dürfe, unbedingt bejaht -- wenn es für das allgemeine Wohl oder
das eigne zuträglich und niemand sonst abträglich ist, und wenn es auch uicht
dazu führt, daß man in einem der kombinierten Berufe ungewissenhaft wird.
Sondern es wird auch der Wechsel des Berufs keineswegs als an sich verwerflich
angesehen, wenn er nicht leichtfertig, sondern um einen Gott wohlgefälligem
und das heißt dem puritanischen Prinzip entsprechend nützlichem Beruf zu er¬
greifen erfolgt. Und vor allem: die Nützlichkeit eines Berufs und seine Gott¬
wohlgefälligkeit richtet sich zwar in erster Linie nach.sittlichen und demnächst
nach Maßstäben der Wichtigkeit der darin zu produzierenden Güter für die
Gesamtheit, aber alsdann folgt als dritter und natürlich praktisch wichtigster
Punkt: die privatwirtschaftliche Profitlichkeit. Denn wenn jener Gott, den der
Puritaner in allen Fügungen des Lebens wirksam sieht, einem der Seinigen
eine Gewinnchance zeigt, so hat er seine Absichten dabei; mithin hat der gläubige
Christ diesem Rufe zu folge", indem er sie sich zunutze macht." Dabei muß
aber mit strengster Rechtschaffenheit verfahre" werde", teils ans Gewisse"haftigleit,


Konfession und Wirtschaftsleben

bewahren, besonders vor der Sünde, die der Puritaner am meisten fürchtete.
Auch in dieser Empfehlung der Arbeit als eines Mittels, sich vor fleischlichen
Anfechtungen zu bewahren, stimmt die puritanische mit der katholischen Askese
überein. „Die sexuelle Askese ist ja im Puritcmismus nur dem Grade, nicht
dem Prinzip nach von der mönchischen verschieden, und infolge der Erfassung
auch des ehelichen Lebens weiterreichend als jene. Denn der Geschlechtsverkehr
ist auch in der Ehe nur als das von Gott gewollt« Mittel zur Mehrung seines
Ruhmes, entsprechend dem Gebot: Seid fruchtbar und mehret euch, zulässig."

Die rationale Selbsterziehung führt nun auch zur Rationalisierung der
Berufsarbeit, also, da die Puritaner weder Beamte noch Gelehrte zu sein
pflegten, sondern meistens Landwirte und Gewerbetreibende oder Kaufleute
waren, der Produktion und des Handels. Vor allem wird ein bestimmter Beruf
gefordert. Der angesehenste puritanische Theologe, Baxter, lehrt: „Außerhalb
eines festen Berufs sind die Arbeitsleistungen eines Menschen nur unstete Ge¬
legenheitsarbeit, und er verbringt mehr Zeit in Faulheit als in der Arbeit. Der
Bernfsarbeiter wird seine Arbeit in Ordnung vollbringen, während ein andrer
in ewiger Verwirrung steckt; darum ist ein fester Beruf für jedermann das
beste." „Dem Leben des Berufslose», bemerkt Weber hierzu, fehlt eben der
systematisch-methodische Charakter, den die innerweltliche Askese verlangt. Auch
nach der Quükerethik soll das Berufsleben des Menschen eine konsequente as¬
ketische Tugendübung, eine Bewährung seines Gnadenstandes an seiner Gewissen¬
haftigkeit sein, die in der Sorgfalt und Methode, mit der er seinem Beruf nach¬
geht, sich auswirkt. Nicht Arbeit an sich, sondern rationale Berufsarbeit ist
eben das von Gott verlangte. Auf diesem methodischen Charakter der Berufs¬
askese liegt bei der puritanischen Berufsidee immer der Nachdruck, nicht, wie
bei Luther, auf dem Sichbescheiden mit dem einmal von Gott zugemessenen
Lohn. Darum wird nicht nur die Frage, ob jemand mehrere eMinM kom¬
binieren dürfe, unbedingt bejaht — wenn es für das allgemeine Wohl oder
das eigne zuträglich und niemand sonst abträglich ist, und wenn es auch uicht
dazu führt, daß man in einem der kombinierten Berufe ungewissenhaft wird.
Sondern es wird auch der Wechsel des Berufs keineswegs als an sich verwerflich
angesehen, wenn er nicht leichtfertig, sondern um einen Gott wohlgefälligem
und das heißt dem puritanischen Prinzip entsprechend nützlichem Beruf zu er¬
greifen erfolgt. Und vor allem: die Nützlichkeit eines Berufs und seine Gott¬
wohlgefälligkeit richtet sich zwar in erster Linie nach.sittlichen und demnächst
nach Maßstäben der Wichtigkeit der darin zu produzierenden Güter für die
Gesamtheit, aber alsdann folgt als dritter und natürlich praktisch wichtigster
Punkt: die privatwirtschaftliche Profitlichkeit. Denn wenn jener Gott, den der
Puritaner in allen Fügungen des Lebens wirksam sieht, einem der Seinigen
eine Gewinnchance zeigt, so hat er seine Absichten dabei; mithin hat der gläubige
Christ diesem Rufe zu folge», indem er sie sich zunutze macht." Dabei muß
aber mit strengster Rechtschaffenheit verfahre» werde», teils ans Gewisse»haftigleit,


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[0520] Konfession und Wirtschaftsleben bewahren, besonders vor der Sünde, die der Puritaner am meisten fürchtete. Auch in dieser Empfehlung der Arbeit als eines Mittels, sich vor fleischlichen Anfechtungen zu bewahren, stimmt die puritanische mit der katholischen Askese überein. „Die sexuelle Askese ist ja im Puritcmismus nur dem Grade, nicht dem Prinzip nach von der mönchischen verschieden, und infolge der Erfassung auch des ehelichen Lebens weiterreichend als jene. Denn der Geschlechtsverkehr ist auch in der Ehe nur als das von Gott gewollt« Mittel zur Mehrung seines Ruhmes, entsprechend dem Gebot: Seid fruchtbar und mehret euch, zulässig." Die rationale Selbsterziehung führt nun auch zur Rationalisierung der Berufsarbeit, also, da die Puritaner weder Beamte noch Gelehrte zu sein pflegten, sondern meistens Landwirte und Gewerbetreibende oder Kaufleute waren, der Produktion und des Handels. Vor allem wird ein bestimmter Beruf gefordert. Der angesehenste puritanische Theologe, Baxter, lehrt: „Außerhalb eines festen Berufs sind die Arbeitsleistungen eines Menschen nur unstete Ge¬ legenheitsarbeit, und er verbringt mehr Zeit in Faulheit als in der Arbeit. Der Bernfsarbeiter wird seine Arbeit in Ordnung vollbringen, während ein andrer in ewiger Verwirrung steckt; darum ist ein fester Beruf für jedermann das beste." „Dem Leben des Berufslose», bemerkt Weber hierzu, fehlt eben der systematisch-methodische Charakter, den die innerweltliche Askese verlangt. Auch nach der Quükerethik soll das Berufsleben des Menschen eine konsequente as¬ ketische Tugendübung, eine Bewährung seines Gnadenstandes an seiner Gewissen¬ haftigkeit sein, die in der Sorgfalt und Methode, mit der er seinem Beruf nach¬ geht, sich auswirkt. Nicht Arbeit an sich, sondern rationale Berufsarbeit ist eben das von Gott verlangte. Auf diesem methodischen Charakter der Berufs¬ askese liegt bei der puritanischen Berufsidee immer der Nachdruck, nicht, wie bei Luther, auf dem Sichbescheiden mit dem einmal von Gott zugemessenen Lohn. Darum wird nicht nur die Frage, ob jemand mehrere eMinM kom¬ binieren dürfe, unbedingt bejaht — wenn es für das allgemeine Wohl oder das eigne zuträglich und niemand sonst abträglich ist, und wenn es auch uicht dazu führt, daß man in einem der kombinierten Berufe ungewissenhaft wird. Sondern es wird auch der Wechsel des Berufs keineswegs als an sich verwerflich angesehen, wenn er nicht leichtfertig, sondern um einen Gott wohlgefälligem und das heißt dem puritanischen Prinzip entsprechend nützlichem Beruf zu er¬ greifen erfolgt. Und vor allem: die Nützlichkeit eines Berufs und seine Gott¬ wohlgefälligkeit richtet sich zwar in erster Linie nach.sittlichen und demnächst nach Maßstäben der Wichtigkeit der darin zu produzierenden Güter für die Gesamtheit, aber alsdann folgt als dritter und natürlich praktisch wichtigster Punkt: die privatwirtschaftliche Profitlichkeit. Denn wenn jener Gott, den der Puritaner in allen Fügungen des Lebens wirksam sieht, einem der Seinigen eine Gewinnchance zeigt, so hat er seine Absichten dabei; mithin hat der gläubige Christ diesem Rufe zu folge», indem er sie sich zunutze macht." Dabei muß aber mit strengster Rechtschaffenheit verfahre» werde», teils ans Gewisse»haftigleit,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/520>, abgerufen am 01.09.2024.