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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Montenegro und das dalmatische Rüstenland

denen nicht die geringste ein einbalsamierter Paschakopf aus einem der vielen
Türkenkriege ist. Bei einem Filigranarbeiter wollte ich noch einen wunderbar
schönen krummen Säbel einhandeln, doch stellte es sich heraus, daß es der des
Kronprinzen war, der hier gerade repariert wurde, und so mußte ich auf das
Objekt leider verzichten.

Der Montenegriner ist nüchtern und ernst, wie die ihn umgebende Natur;
nur eins tut er, als mit seinen: Nationalstolz unvereinbar, nicht gern, nämlich
arbeiten und noch viel weniger Lasten tragen oder gar, und sogar als Fremden¬
führer, seine Flinte zu Hause lassen. In Montenegro arbeiten die Frauen und
pflegen sich die Mäuner, gerade umgekehrt wie bei uns. Am Abend gegen
zehn Uhr langten wir todmüde in Cattaro wieder an, auch der Schimmel an
unsrer Carrozza war noch lebendig, aber in traurigem Zustande, denn das arme
Tier war total blutig geprügelt.

Am nächsten Morgen lichtet die Ceres die Anker, und wir fahren unter
Musikbegleitung und unter dem Zusammenströmen der ganzen Bevölkerung von
der Riva ab, die nördliche Seite der Voeche hinauf, an Perasto und Risano
mit seinen drei Forts vorbei, der Heimat wieder zu. Das Schiff führt nach
Verlassen der Boeche weiter ab vom Lande; wir sehen die Sonne hinter der
Insel Meleda versinken und genießen in vollen Zügen die köstliche Abendluft
des Südens, können uns aber nur einer kurzen Nachtruhe erfreuen, denn schon
um drei Uhr Morgens kommt die Insel Lesina in Sicht, an der wir halb
sechs Uhr früh ausboote". Alte verfallne Paläste, ein großer Marktplatz mit
alter Loggia, alles versunkne Pracht. Das beste Fleckchen haben noch die
Franziskanermönche inne, zu deren Kloster und Kirche wir durch eine Allee von
Johannisbrotbäumcn gelangen. Wir beneiden fast die freundlichen Patres um
ihr idyllisches Plätzchen; sie zeigen uns auch zum Schluß noch mit großem
Behagen den Stolz ihres Klosters, das im Refektorium hängende Heilige
Abendmahl von Matteo Rossetti. Vor der Abfahrt von Lesina wurde wieder
ein kleiner Markt in Dattelpalmzweigen, Opuntienblattern, Agaven, Fischköpfen,
grünen Olivenstöcken usw. abgehalten, dann dampfen wir weiter nach der kleinen
Insel Buhl, um deren blaue Grotte, die die blaue Grotte von Capri noch über¬
treffen soll, zu besuchen. Bald sahen wir Männer und Frauen, kleine Kinder
im Arm, an den fast senkrechten, schwammartig durchlöcherten Kalkfelsen oft rück¬
wärts herabklettern, um unsrer Einfahrt zuzuschauen. Der Eingang zur Grotte
ist niedrig, und das Boot sucht bei sinkender Welle in die Grotte zu schlüpfen.
Das innere Lichtbild ist bezaubernd; Helles Sonnenlicht durchleuchtet vom
Grunde aus das tiefblaue Wasser, während durch Stock oder Hände hervor-
gerufnes Spritzen die Tropfen gleich geschmolznen Silber zurückfallen läßt.
Der Besuch der 31 Meter langen und 15 bis 17 Meter breiten Grotte dauert
etwa eine Stunde; bald sind wir wieder an der äußern Schiffstreppe auf Deck
geklettert und fahren nun Mittags zwölf Uhr bei einer tropischen Hitze in die
Bucht und den Hafen von Lissa ein, hinter und über dem sich der Ort, von
einigen riesigen Dattelpalmen überragt, aufbaut. Lissa ist österreichischer
Kriegshafen und bekannt durch die Seeschlacht vom 20. Juli 1866 zwischen
der österreichischen Flotte unter Tegetthofs und der italienischen unter Persano,
in der Tegetthofs durch das Admiralschiff Ferdinand Max den italienischen
Panzer Ne'd'Italia in Grund rannte, und in der außerdem der Pcilestro der
Italiener in die Luft flog. 1182 Kanonen ließen an diesem Tage ihre donnernde
Stimme auf dem Meere von Lissa erschallen. Auf einer in den Hafen von
Lissa vorspringenden Landzunge erhebt sich im katholischen Friedhofe das mit


Montenegro und das dalmatische Rüstenland

denen nicht die geringste ein einbalsamierter Paschakopf aus einem der vielen
Türkenkriege ist. Bei einem Filigranarbeiter wollte ich noch einen wunderbar
schönen krummen Säbel einhandeln, doch stellte es sich heraus, daß es der des
Kronprinzen war, der hier gerade repariert wurde, und so mußte ich auf das
Objekt leider verzichten.

Der Montenegriner ist nüchtern und ernst, wie die ihn umgebende Natur;
nur eins tut er, als mit seinen: Nationalstolz unvereinbar, nicht gern, nämlich
arbeiten und noch viel weniger Lasten tragen oder gar, und sogar als Fremden¬
führer, seine Flinte zu Hause lassen. In Montenegro arbeiten die Frauen und
pflegen sich die Mäuner, gerade umgekehrt wie bei uns. Am Abend gegen
zehn Uhr langten wir todmüde in Cattaro wieder an, auch der Schimmel an
unsrer Carrozza war noch lebendig, aber in traurigem Zustande, denn das arme
Tier war total blutig geprügelt.

Am nächsten Morgen lichtet die Ceres die Anker, und wir fahren unter
Musikbegleitung und unter dem Zusammenströmen der ganzen Bevölkerung von
der Riva ab, die nördliche Seite der Voeche hinauf, an Perasto und Risano
mit seinen drei Forts vorbei, der Heimat wieder zu. Das Schiff führt nach
Verlassen der Boeche weiter ab vom Lande; wir sehen die Sonne hinter der
Insel Meleda versinken und genießen in vollen Zügen die köstliche Abendluft
des Südens, können uns aber nur einer kurzen Nachtruhe erfreuen, denn schon
um drei Uhr Morgens kommt die Insel Lesina in Sicht, an der wir halb
sechs Uhr früh ausboote». Alte verfallne Paläste, ein großer Marktplatz mit
alter Loggia, alles versunkne Pracht. Das beste Fleckchen haben noch die
Franziskanermönche inne, zu deren Kloster und Kirche wir durch eine Allee von
Johannisbrotbäumcn gelangen. Wir beneiden fast die freundlichen Patres um
ihr idyllisches Plätzchen; sie zeigen uns auch zum Schluß noch mit großem
Behagen den Stolz ihres Klosters, das im Refektorium hängende Heilige
Abendmahl von Matteo Rossetti. Vor der Abfahrt von Lesina wurde wieder
ein kleiner Markt in Dattelpalmzweigen, Opuntienblattern, Agaven, Fischköpfen,
grünen Olivenstöcken usw. abgehalten, dann dampfen wir weiter nach der kleinen
Insel Buhl, um deren blaue Grotte, die die blaue Grotte von Capri noch über¬
treffen soll, zu besuchen. Bald sahen wir Männer und Frauen, kleine Kinder
im Arm, an den fast senkrechten, schwammartig durchlöcherten Kalkfelsen oft rück¬
wärts herabklettern, um unsrer Einfahrt zuzuschauen. Der Eingang zur Grotte
ist niedrig, und das Boot sucht bei sinkender Welle in die Grotte zu schlüpfen.
Das innere Lichtbild ist bezaubernd; Helles Sonnenlicht durchleuchtet vom
Grunde aus das tiefblaue Wasser, während durch Stock oder Hände hervor-
gerufnes Spritzen die Tropfen gleich geschmolznen Silber zurückfallen läßt.
Der Besuch der 31 Meter langen und 15 bis 17 Meter breiten Grotte dauert
etwa eine Stunde; bald sind wir wieder an der äußern Schiffstreppe auf Deck
geklettert und fahren nun Mittags zwölf Uhr bei einer tropischen Hitze in die
Bucht und den Hafen von Lissa ein, hinter und über dem sich der Ort, von
einigen riesigen Dattelpalmen überragt, aufbaut. Lissa ist österreichischer
Kriegshafen und bekannt durch die Seeschlacht vom 20. Juli 1866 zwischen
der österreichischen Flotte unter Tegetthofs und der italienischen unter Persano,
in der Tegetthofs durch das Admiralschiff Ferdinand Max den italienischen
Panzer Ne'd'Italia in Grund rannte, und in der außerdem der Pcilestro der
Italiener in die Luft flog. 1182 Kanonen ließen an diesem Tage ihre donnernde
Stimme auf dem Meere von Lissa erschallen. Auf einer in den Hafen von
Lissa vorspringenden Landzunge erhebt sich im katholischen Friedhofe das mit


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[0042] Montenegro und das dalmatische Rüstenland denen nicht die geringste ein einbalsamierter Paschakopf aus einem der vielen Türkenkriege ist. Bei einem Filigranarbeiter wollte ich noch einen wunderbar schönen krummen Säbel einhandeln, doch stellte es sich heraus, daß es der des Kronprinzen war, der hier gerade repariert wurde, und so mußte ich auf das Objekt leider verzichten. Der Montenegriner ist nüchtern und ernst, wie die ihn umgebende Natur; nur eins tut er, als mit seinen: Nationalstolz unvereinbar, nicht gern, nämlich arbeiten und noch viel weniger Lasten tragen oder gar, und sogar als Fremden¬ führer, seine Flinte zu Hause lassen. In Montenegro arbeiten die Frauen und pflegen sich die Mäuner, gerade umgekehrt wie bei uns. Am Abend gegen zehn Uhr langten wir todmüde in Cattaro wieder an, auch der Schimmel an unsrer Carrozza war noch lebendig, aber in traurigem Zustande, denn das arme Tier war total blutig geprügelt. Am nächsten Morgen lichtet die Ceres die Anker, und wir fahren unter Musikbegleitung und unter dem Zusammenströmen der ganzen Bevölkerung von der Riva ab, die nördliche Seite der Voeche hinauf, an Perasto und Risano mit seinen drei Forts vorbei, der Heimat wieder zu. Das Schiff führt nach Verlassen der Boeche weiter ab vom Lande; wir sehen die Sonne hinter der Insel Meleda versinken und genießen in vollen Zügen die köstliche Abendluft des Südens, können uns aber nur einer kurzen Nachtruhe erfreuen, denn schon um drei Uhr Morgens kommt die Insel Lesina in Sicht, an der wir halb sechs Uhr früh ausboote». Alte verfallne Paläste, ein großer Marktplatz mit alter Loggia, alles versunkne Pracht. Das beste Fleckchen haben noch die Franziskanermönche inne, zu deren Kloster und Kirche wir durch eine Allee von Johannisbrotbäumcn gelangen. Wir beneiden fast die freundlichen Patres um ihr idyllisches Plätzchen; sie zeigen uns auch zum Schluß noch mit großem Behagen den Stolz ihres Klosters, das im Refektorium hängende Heilige Abendmahl von Matteo Rossetti. Vor der Abfahrt von Lesina wurde wieder ein kleiner Markt in Dattelpalmzweigen, Opuntienblattern, Agaven, Fischköpfen, grünen Olivenstöcken usw. abgehalten, dann dampfen wir weiter nach der kleinen Insel Buhl, um deren blaue Grotte, die die blaue Grotte von Capri noch über¬ treffen soll, zu besuchen. Bald sahen wir Männer und Frauen, kleine Kinder im Arm, an den fast senkrechten, schwammartig durchlöcherten Kalkfelsen oft rück¬ wärts herabklettern, um unsrer Einfahrt zuzuschauen. Der Eingang zur Grotte ist niedrig, und das Boot sucht bei sinkender Welle in die Grotte zu schlüpfen. Das innere Lichtbild ist bezaubernd; Helles Sonnenlicht durchleuchtet vom Grunde aus das tiefblaue Wasser, während durch Stock oder Hände hervor- gerufnes Spritzen die Tropfen gleich geschmolznen Silber zurückfallen läßt. Der Besuch der 31 Meter langen und 15 bis 17 Meter breiten Grotte dauert etwa eine Stunde; bald sind wir wieder an der äußern Schiffstreppe auf Deck geklettert und fahren nun Mittags zwölf Uhr bei einer tropischen Hitze in die Bucht und den Hafen von Lissa ein, hinter und über dem sich der Ort, von einigen riesigen Dattelpalmen überragt, aufbaut. Lissa ist österreichischer Kriegshafen und bekannt durch die Seeschlacht vom 20. Juli 1866 zwischen der österreichischen Flotte unter Tegetthofs und der italienischen unter Persano, in der Tegetthofs durch das Admiralschiff Ferdinand Max den italienischen Panzer Ne'd'Italia in Grund rannte, und in der außerdem der Pcilestro der Italiener in die Luft flog. 1182 Kanonen ließen an diesem Tage ihre donnernde Stimme auf dem Meere von Lissa erschallen. Auf einer in den Hafen von Lissa vorspringenden Landzunge erhebt sich im katholischen Friedhofe das mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/42>, abgerufen am 12.12.2024.