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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Aus dem Lager der Gegner Goethes

im Völliger Widerspruch. Was man gesagt hat, daß sein Lächeln etwas
Schreckliches habe, ist nicht wahr; man sieht nur, daß er kein Lüchler ist, denn
kaum verzieht sich der eine Mundwinkel. Sein Bruder Jerome ist ein solcher
Lächter, immer freundlich, ich würde ihm aber weniger trauen. Er sieht seinem
Bruder ziemlich ähnlich. Uibrigens hat sich Napoleon hier viele Feinde gemacht,
weil er am Hofe -- die Braten hat verderben lassen. Ich bin ihm gut, weil
er in steife Nacken Gelenke bringt."

Darauf folgt "noch ein Jocosum aus dem teutschen Athen". "Neulich ist
hier ein Ball gegeben worden, ein öffentlicher, versteht sich, wo jeder bezahlt
hat. Nichtsdestoweniger hat kein Theilnehmer für sein Geld die Erlaubniß
gehabt, eine Dame mitzubringen, ohne sie vorher gemeldet, und die besondre
Erlaubniß dazu erhalten zu haben. Und wer, meinst Du wohl, daß diese
ertheilt? -- Wer? -- Die Frau geheime Räthin von Goethe Excellenz, weiland
Demoiselle Vulpius -- risuin teneeckis g-alvi."

Die Unzufriedenheit mit Goethe selbst spricht aus einem Briefe Grubers
aus Weimar vom 27. November 1807 an den Freund in Halle: "Endlich. .
kommt ein freier Augenblick, in welchem ich Dir wenigstens ein Zeichen des
Lebens geben kann. Das geschehe in meinem Dank, daß Du mir eine so
angenehme Bekanntschaft, wie die der Madame Hendel, die ich früher als
Madame Eunike gekannt, verschafft hast. Mit Bewunderung hab ich diese
teutsche Hamilton gesehen und gehört, und Du kannst ihr kein so großes Lob
beilegen, in das ich nicht einstimmte. Behüte Dich aber Gott, jemals wieder
einen, der Dir lieb ist, nach Weimar zu empfehlen. Madame Hendel erklärte
bei ihrem Fortgang Madame Schoppenhauer für eine Närrin, und sie hat
Recht; Goethen für einen Flegel, und sie hat Recht. Von andern sprach sie -- gar
nichts, und das war unstreitig sehr gütig von ihr. Denke Dir meinen Verdruß.
M. Hendel erklärte, xg.r nonnsur hier spielen zu wollen. Goethe war in Jena.
Ich wende mich an den geh. Rath Einsiedel, der bei dem Herzog und der
Herzogin die Sache anbringt, ein Expresser wird nach Jena gesendet, Einsiedel
schreibt selbst, und -- trotz des Herzogs Wunsch -- was kommt von dem
Papst in Jena zurück? -- Ein gebietendes: Nein! Meinst Du nicht, daß
Teutona hier die Geißel ergreifen solle? Ich habe große Lust, dem Papst
an die Krone zu kommen. Du aber mein Freund, wie konntest Du, auch nur
im Scherz, mich seinen Kardinal nennen? Behüte Dich Gott vor so bösen
Gedanken."

Aus den letzten Worten erkennt man, daß Schütz schon anfing, an der
Zuverlässigkeit seines Gruber zu zweifeln. Es war übrigens eine große
Naivität von Gruber und Schütz, wenn sie erwarteten, daß Goethe auf ihre
Empfehlung nach allem, was vorhergegangen war, der Schauspielerin Hendel,
der spätern Gattin von Schütz, freundlich entgegenkommen würde.

Der Nekrolog I. G. Grubers, verfaßt von O. G(ruber), spricht von kon¬
ventionellen Irrungen, die es mit sich gebracht, daß Gruber später Goethes
Nähe gemieden habe, weil er den Dichter, aber nicht den Minister und Haus-


Aus dem Lager der Gegner Goethes

im Völliger Widerspruch. Was man gesagt hat, daß sein Lächeln etwas
Schreckliches habe, ist nicht wahr; man sieht nur, daß er kein Lüchler ist, denn
kaum verzieht sich der eine Mundwinkel. Sein Bruder Jerome ist ein solcher
Lächter, immer freundlich, ich würde ihm aber weniger trauen. Er sieht seinem
Bruder ziemlich ähnlich. Uibrigens hat sich Napoleon hier viele Feinde gemacht,
weil er am Hofe — die Braten hat verderben lassen. Ich bin ihm gut, weil
er in steife Nacken Gelenke bringt."

Darauf folgt „noch ein Jocosum aus dem teutschen Athen". „Neulich ist
hier ein Ball gegeben worden, ein öffentlicher, versteht sich, wo jeder bezahlt
hat. Nichtsdestoweniger hat kein Theilnehmer für sein Geld die Erlaubniß
gehabt, eine Dame mitzubringen, ohne sie vorher gemeldet, und die besondre
Erlaubniß dazu erhalten zu haben. Und wer, meinst Du wohl, daß diese
ertheilt? — Wer? — Die Frau geheime Räthin von Goethe Excellenz, weiland
Demoiselle Vulpius — risuin teneeckis g-alvi."

Die Unzufriedenheit mit Goethe selbst spricht aus einem Briefe Grubers
aus Weimar vom 27. November 1807 an den Freund in Halle: „Endlich. .
kommt ein freier Augenblick, in welchem ich Dir wenigstens ein Zeichen des
Lebens geben kann. Das geschehe in meinem Dank, daß Du mir eine so
angenehme Bekanntschaft, wie die der Madame Hendel, die ich früher als
Madame Eunike gekannt, verschafft hast. Mit Bewunderung hab ich diese
teutsche Hamilton gesehen und gehört, und Du kannst ihr kein so großes Lob
beilegen, in das ich nicht einstimmte. Behüte Dich aber Gott, jemals wieder
einen, der Dir lieb ist, nach Weimar zu empfehlen. Madame Hendel erklärte
bei ihrem Fortgang Madame Schoppenhauer für eine Närrin, und sie hat
Recht; Goethen für einen Flegel, und sie hat Recht. Von andern sprach sie — gar
nichts, und das war unstreitig sehr gütig von ihr. Denke Dir meinen Verdruß.
M. Hendel erklärte, xg.r nonnsur hier spielen zu wollen. Goethe war in Jena.
Ich wende mich an den geh. Rath Einsiedel, der bei dem Herzog und der
Herzogin die Sache anbringt, ein Expresser wird nach Jena gesendet, Einsiedel
schreibt selbst, und — trotz des Herzogs Wunsch — was kommt von dem
Papst in Jena zurück? — Ein gebietendes: Nein! Meinst Du nicht, daß
Teutona hier die Geißel ergreifen solle? Ich habe große Lust, dem Papst
an die Krone zu kommen. Du aber mein Freund, wie konntest Du, auch nur
im Scherz, mich seinen Kardinal nennen? Behüte Dich Gott vor so bösen
Gedanken."

Aus den letzten Worten erkennt man, daß Schütz schon anfing, an der
Zuverlässigkeit seines Gruber zu zweifeln. Es war übrigens eine große
Naivität von Gruber und Schütz, wenn sie erwarteten, daß Goethe auf ihre
Empfehlung nach allem, was vorhergegangen war, der Schauspielerin Hendel,
der spätern Gattin von Schütz, freundlich entgegenkommen würde.

Der Nekrolog I. G. Grubers, verfaßt von O. G(ruber), spricht von kon¬
ventionellen Irrungen, die es mit sich gebracht, daß Gruber später Goethes
Nähe gemieden habe, weil er den Dichter, aber nicht den Minister und Haus-


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[0404] Aus dem Lager der Gegner Goethes im Völliger Widerspruch. Was man gesagt hat, daß sein Lächeln etwas Schreckliches habe, ist nicht wahr; man sieht nur, daß er kein Lüchler ist, denn kaum verzieht sich der eine Mundwinkel. Sein Bruder Jerome ist ein solcher Lächter, immer freundlich, ich würde ihm aber weniger trauen. Er sieht seinem Bruder ziemlich ähnlich. Uibrigens hat sich Napoleon hier viele Feinde gemacht, weil er am Hofe — die Braten hat verderben lassen. Ich bin ihm gut, weil er in steife Nacken Gelenke bringt." Darauf folgt „noch ein Jocosum aus dem teutschen Athen". „Neulich ist hier ein Ball gegeben worden, ein öffentlicher, versteht sich, wo jeder bezahlt hat. Nichtsdestoweniger hat kein Theilnehmer für sein Geld die Erlaubniß gehabt, eine Dame mitzubringen, ohne sie vorher gemeldet, und die besondre Erlaubniß dazu erhalten zu haben. Und wer, meinst Du wohl, daß diese ertheilt? — Wer? — Die Frau geheime Räthin von Goethe Excellenz, weiland Demoiselle Vulpius — risuin teneeckis g-alvi." Die Unzufriedenheit mit Goethe selbst spricht aus einem Briefe Grubers aus Weimar vom 27. November 1807 an den Freund in Halle: „Endlich. . kommt ein freier Augenblick, in welchem ich Dir wenigstens ein Zeichen des Lebens geben kann. Das geschehe in meinem Dank, daß Du mir eine so angenehme Bekanntschaft, wie die der Madame Hendel, die ich früher als Madame Eunike gekannt, verschafft hast. Mit Bewunderung hab ich diese teutsche Hamilton gesehen und gehört, und Du kannst ihr kein so großes Lob beilegen, in das ich nicht einstimmte. Behüte Dich aber Gott, jemals wieder einen, der Dir lieb ist, nach Weimar zu empfehlen. Madame Hendel erklärte bei ihrem Fortgang Madame Schoppenhauer für eine Närrin, und sie hat Recht; Goethen für einen Flegel, und sie hat Recht. Von andern sprach sie — gar nichts, und das war unstreitig sehr gütig von ihr. Denke Dir meinen Verdruß. M. Hendel erklärte, xg.r nonnsur hier spielen zu wollen. Goethe war in Jena. Ich wende mich an den geh. Rath Einsiedel, der bei dem Herzog und der Herzogin die Sache anbringt, ein Expresser wird nach Jena gesendet, Einsiedel schreibt selbst, und — trotz des Herzogs Wunsch — was kommt von dem Papst in Jena zurück? — Ein gebietendes: Nein! Meinst Du nicht, daß Teutona hier die Geißel ergreifen solle? Ich habe große Lust, dem Papst an die Krone zu kommen. Du aber mein Freund, wie konntest Du, auch nur im Scherz, mich seinen Kardinal nennen? Behüte Dich Gott vor so bösen Gedanken." Aus den letzten Worten erkennt man, daß Schütz schon anfing, an der Zuverlässigkeit seines Gruber zu zweifeln. Es war übrigens eine große Naivität von Gruber und Schütz, wenn sie erwarteten, daß Goethe auf ihre Empfehlung nach allem, was vorhergegangen war, der Schauspielerin Hendel, der spätern Gattin von Schütz, freundlich entgegenkommen würde. Der Nekrolog I. G. Grubers, verfaßt von O. G(ruber), spricht von kon¬ ventionellen Irrungen, die es mit sich gebracht, daß Gruber später Goethes Nähe gemieden habe, weil er den Dichter, aber nicht den Minister und Haus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/404>, abgerufen am 01.09.2024.