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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Dampfer legt an, und nachdem wir uns durch die Schar der Händler,
die Steine, Münzen, Gürtel und sonstige Raritäten feilbieten, durchgewunden
siben, betreten wir durch die Porta della Marina die Stadt selbst und kommen
zunächst auf den gut gepflasterten Marktplatz mit der Hauptwache. Die Stadt
hat, wie überall im Süden, enge und winklige Gäßchen und bietet wenig
Sehenswertes, desto mehr interessierten uns die verschiednen Trachten der
einzelnen Montenegriner, schwarze Kappe mit Goldstickerei, schwarze lange Joppe
oder weißer Mantel (Gnnj), die Ärmel und Achseln mit roter und die rote Weste
(Dznmadan) mit goldner Borte benäht, dunkelblaue oder weiße Kniehosen und
weiße Gamaschen. Der Handscharhandel, auf den wir uns sofort begaben, fiel
schlecht aus, nirgends war eine solche Waffe preiswert zu haben, und 80 bis
120 Gulden waren für ein mit Steinen besetztes Stück kein seltner Preis. Die
Damen kauften originelle Handstickereien; Angebote von Tschibuks im Preise
von 2^ bis 20 Gulden wurden abgeschlagen, endlich gelang es mir, bei einem
Spa gler eine alte Tscherkessenflinte an das Tageslicht zu bringen, die ich nach
längerm Hin- und Herreden erhandelte und sofort an Bord in Sicherheit schaffte.

Trotz dem uns zu Ehren auf der Marina stattfindenden großen Militär¬
konzerte suchte heute verhältnismäßig alles zeitig das Lager auf, da man am
nächsten Morgen die große Lcmdtonr nach Cetinje, der Haupt- und Residenz¬
stadt von Montenegro, vorhatte. Kaum war die Sonne in der herrlichsten
Klarheit am Himmel emporgestiegen, als wir auch schon in fünfzehn Carrozzis
immer eine hinter der andern abfuhren. Anfangs ging es südlich langsam
bergan, bis wir in die schon erwähnte hochinteressante Straße einbogen und
nun die zweiuudsiebzig Serpentinen wie landesüblich in solchem Trab hinaufjagten,
daß wir das ?uxitc>, 2urutc> (schnell, schnell!) der hinterher fahrenden Kutscher
bei scharfen Biegungen und an schwindelnden Abgründen mehr als einmal durch
ein energisches xon^Jo, pvirutlo (langsam, langsam!) unterbrechen mußten. Eine
Stunde später sind wir schon am Hotel Trinita, einem kleinen Weinhause,
passieren dann das mächtige Fort Gorazda und steigen nun immer mehr und
mehr und immer steiler bergan. Wir schauen über den das letzte Fort
tragei:den Bergrücken hinweg in die Bai von Teodo hinab, das Auge schweift
von Fels zu Fels, von Hügel zu Hügel, von Bucht zu Bucht hinunter zu den
grün umsäumten Boeche, und während wir uns noch an der neuen üppigen
Flora erfreuen, blitzt bald über alle vorliegenden Bergrücken der Eingang zu den
Boeche und die blaue Adria selbst zu uns herüber. Oft setzt die Straße über
Wildbäche, die aus dunkler Schlucht hervorbrechen, bis wir in einer Höhe von
904 Metern die durch eine Zeile viereckiger Pflastersteine quer über die Straße
markierte Grenze von Montenegro passieren, von einem montenegrinischen
Hirten, der die Struka, das montenegrinische Plaid, über den Schultern, die lauge
Flinte im Arm und den Revolver im Gürtel hatte, ernsthaft gemustert. Einen
weitem befremdlichen Anblick bieten die montenegrinischen Händler, die nach
Cattaro hinabziehen. Die Männer sitzen zu Pferde und rauchen aus ihren
Tschibuks, während die Weiber schwer belastet nebenherschreiten. An der Stelle,
wo von link'6 her der alte Saumpfad von Cattaro einmündet, senkt sich die Straße,
und bald begrüßt uns zur Rechtem der schneebedeckte Lvveen. Wir sind in
Njequsi, das, ungefähr auf der Hälfte des Weges und als die einzige Zwischen¬
station nach Cetinje, in weitem ödem Felskessel liegt. In den, primitiven Ein¬
kehrhaus begr,"ße uus eine hierher verschlagne Tirolerin. Der Wirt, ein
schneeweißer Montenegriner, bringt uns Schafkäse und ?me> nero, der aber so
nach Bocklpnt schmeckt, daß er kaum mit Kognak hinunterzuschlucken ist. Nicht


Der Dampfer legt an, und nachdem wir uns durch die Schar der Händler,
die Steine, Münzen, Gürtel und sonstige Raritäten feilbieten, durchgewunden
siben, betreten wir durch die Porta della Marina die Stadt selbst und kommen
zunächst auf den gut gepflasterten Marktplatz mit der Hauptwache. Die Stadt
hat, wie überall im Süden, enge und winklige Gäßchen und bietet wenig
Sehenswertes, desto mehr interessierten uns die verschiednen Trachten der
einzelnen Montenegriner, schwarze Kappe mit Goldstickerei, schwarze lange Joppe
oder weißer Mantel (Gnnj), die Ärmel und Achseln mit roter und die rote Weste
(Dznmadan) mit goldner Borte benäht, dunkelblaue oder weiße Kniehosen und
weiße Gamaschen. Der Handscharhandel, auf den wir uns sofort begaben, fiel
schlecht aus, nirgends war eine solche Waffe preiswert zu haben, und 80 bis
120 Gulden waren für ein mit Steinen besetztes Stück kein seltner Preis. Die
Damen kauften originelle Handstickereien; Angebote von Tschibuks im Preise
von 2^ bis 20 Gulden wurden abgeschlagen, endlich gelang es mir, bei einem
Spa gler eine alte Tscherkessenflinte an das Tageslicht zu bringen, die ich nach
längerm Hin- und Herreden erhandelte und sofort an Bord in Sicherheit schaffte.

Trotz dem uns zu Ehren auf der Marina stattfindenden großen Militär¬
konzerte suchte heute verhältnismäßig alles zeitig das Lager auf, da man am
nächsten Morgen die große Lcmdtonr nach Cetinje, der Haupt- und Residenz¬
stadt von Montenegro, vorhatte. Kaum war die Sonne in der herrlichsten
Klarheit am Himmel emporgestiegen, als wir auch schon in fünfzehn Carrozzis
immer eine hinter der andern abfuhren. Anfangs ging es südlich langsam
bergan, bis wir in die schon erwähnte hochinteressante Straße einbogen und
nun die zweiuudsiebzig Serpentinen wie landesüblich in solchem Trab hinaufjagten,
daß wir das ?uxitc>, 2urutc> (schnell, schnell!) der hinterher fahrenden Kutscher
bei scharfen Biegungen und an schwindelnden Abgründen mehr als einmal durch
ein energisches xon^Jo, pvirutlo (langsam, langsam!) unterbrechen mußten. Eine
Stunde später sind wir schon am Hotel Trinita, einem kleinen Weinhause,
passieren dann das mächtige Fort Gorazda und steigen nun immer mehr und
mehr und immer steiler bergan. Wir schauen über den das letzte Fort
tragei:den Bergrücken hinweg in die Bai von Teodo hinab, das Auge schweift
von Fels zu Fels, von Hügel zu Hügel, von Bucht zu Bucht hinunter zu den
grün umsäumten Boeche, und während wir uns noch an der neuen üppigen
Flora erfreuen, blitzt bald über alle vorliegenden Bergrücken der Eingang zu den
Boeche und die blaue Adria selbst zu uns herüber. Oft setzt die Straße über
Wildbäche, die aus dunkler Schlucht hervorbrechen, bis wir in einer Höhe von
904 Metern die durch eine Zeile viereckiger Pflastersteine quer über die Straße
markierte Grenze von Montenegro passieren, von einem montenegrinischen
Hirten, der die Struka, das montenegrinische Plaid, über den Schultern, die lauge
Flinte im Arm und den Revolver im Gürtel hatte, ernsthaft gemustert. Einen
weitem befremdlichen Anblick bieten die montenegrinischen Händler, die nach
Cattaro hinabziehen. Die Männer sitzen zu Pferde und rauchen aus ihren
Tschibuks, während die Weiber schwer belastet nebenherschreiten. An der Stelle,
wo von link'6 her der alte Saumpfad von Cattaro einmündet, senkt sich die Straße,
und bald begrüßt uns zur Rechtem der schneebedeckte Lvveen. Wir sind in
Njequsi, das, ungefähr auf der Hälfte des Weges und als die einzige Zwischen¬
station nach Cetinje, in weitem ödem Felskessel liegt. In den, primitiven Ein¬
kehrhaus begr,"ße uus eine hierher verschlagne Tirolerin. Der Wirt, ein
schneeweißer Montenegriner, bringt uns Schafkäse und ?me> nero, der aber so
nach Bocklpnt schmeckt, daß er kaum mit Kognak hinunterzuschlucken ist. Nicht


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[0040] Der Dampfer legt an, und nachdem wir uns durch die Schar der Händler, die Steine, Münzen, Gürtel und sonstige Raritäten feilbieten, durchgewunden siben, betreten wir durch die Porta della Marina die Stadt selbst und kommen zunächst auf den gut gepflasterten Marktplatz mit der Hauptwache. Die Stadt hat, wie überall im Süden, enge und winklige Gäßchen und bietet wenig Sehenswertes, desto mehr interessierten uns die verschiednen Trachten der einzelnen Montenegriner, schwarze Kappe mit Goldstickerei, schwarze lange Joppe oder weißer Mantel (Gnnj), die Ärmel und Achseln mit roter und die rote Weste (Dznmadan) mit goldner Borte benäht, dunkelblaue oder weiße Kniehosen und weiße Gamaschen. Der Handscharhandel, auf den wir uns sofort begaben, fiel schlecht aus, nirgends war eine solche Waffe preiswert zu haben, und 80 bis 120 Gulden waren für ein mit Steinen besetztes Stück kein seltner Preis. Die Damen kauften originelle Handstickereien; Angebote von Tschibuks im Preise von 2^ bis 20 Gulden wurden abgeschlagen, endlich gelang es mir, bei einem Spa gler eine alte Tscherkessenflinte an das Tageslicht zu bringen, die ich nach längerm Hin- und Herreden erhandelte und sofort an Bord in Sicherheit schaffte. Trotz dem uns zu Ehren auf der Marina stattfindenden großen Militär¬ konzerte suchte heute verhältnismäßig alles zeitig das Lager auf, da man am nächsten Morgen die große Lcmdtonr nach Cetinje, der Haupt- und Residenz¬ stadt von Montenegro, vorhatte. Kaum war die Sonne in der herrlichsten Klarheit am Himmel emporgestiegen, als wir auch schon in fünfzehn Carrozzis immer eine hinter der andern abfuhren. Anfangs ging es südlich langsam bergan, bis wir in die schon erwähnte hochinteressante Straße einbogen und nun die zweiuudsiebzig Serpentinen wie landesüblich in solchem Trab hinaufjagten, daß wir das ?uxitc>, 2urutc> (schnell, schnell!) der hinterher fahrenden Kutscher bei scharfen Biegungen und an schwindelnden Abgründen mehr als einmal durch ein energisches xon^Jo, pvirutlo (langsam, langsam!) unterbrechen mußten. Eine Stunde später sind wir schon am Hotel Trinita, einem kleinen Weinhause, passieren dann das mächtige Fort Gorazda und steigen nun immer mehr und mehr und immer steiler bergan. Wir schauen über den das letzte Fort tragei:den Bergrücken hinweg in die Bai von Teodo hinab, das Auge schweift von Fels zu Fels, von Hügel zu Hügel, von Bucht zu Bucht hinunter zu den grün umsäumten Boeche, und während wir uns noch an der neuen üppigen Flora erfreuen, blitzt bald über alle vorliegenden Bergrücken der Eingang zu den Boeche und die blaue Adria selbst zu uns herüber. Oft setzt die Straße über Wildbäche, die aus dunkler Schlucht hervorbrechen, bis wir in einer Höhe von 904 Metern die durch eine Zeile viereckiger Pflastersteine quer über die Straße markierte Grenze von Montenegro passieren, von einem montenegrinischen Hirten, der die Struka, das montenegrinische Plaid, über den Schultern, die lauge Flinte im Arm und den Revolver im Gürtel hatte, ernsthaft gemustert. Einen weitem befremdlichen Anblick bieten die montenegrinischen Händler, die nach Cattaro hinabziehen. Die Männer sitzen zu Pferde und rauchen aus ihren Tschibuks, während die Weiber schwer belastet nebenherschreiten. An der Stelle, wo von link'6 her der alte Saumpfad von Cattaro einmündet, senkt sich die Straße, und bald begrüßt uns zur Rechtem der schneebedeckte Lvveen. Wir sind in Njequsi, das, ungefähr auf der Hälfte des Weges und als die einzige Zwischen¬ station nach Cetinje, in weitem ödem Felskessel liegt. In den, primitiven Ein¬ kehrhaus begr,"ße uus eine hierher verschlagne Tirolerin. Der Wirt, ein schneeweißer Montenegriner, bringt uns Schafkäse und ?me> nero, der aber so nach Bocklpnt schmeckt, daß er kaum mit Kognak hinunterzuschlucken ist. Nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/40>, abgerufen am 12.12.2024.