Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Sammlungen zu der Ausrüstung griechischer Banden veranstaltet und in ihrem
Blatte Hetzartikel gegen Rumänien veröffentlicht hätten.

Die griechische Negierung erteilte hierauf ihrem Gesandten in Bukarest die
Weisung, auf unbestimmten Urlaub zu gehn und auch keinen Geschäftsträger
zu hinterlassen. Dieser Vorgang, der insofern ungewöhnlich war, als der Ge¬
sandte nicht, wie es sonst in solchen Fällen üblich ist, seine Pässe verlangte
und die im Lande lebenden Untertanen seiner Regierung dem Schutze des Ver¬
treters einer andern Macht unterstellte, mußte selbstverständlich von der
rumänischen Regierung mit der unter gleichen Modalitäten erfolgenden Beur¬
laubung ihres Gesandten in Athen beantwortet werden. Und da die griechische
Regierung ihre schon von der rumänischen Negierung entkräfteter Anschuldigungen
in einem Rundschreiben an die Mächte wiederholte, sah sich die rumänische
Regierung veranlaßt, ihren 1900 mit Griechenland abgeschlossenen Handels¬
vertrag zu kündigen. Dieser trat denn auch nach Ablauf der neunmonatigen
Kündigungsfrist im Juli 1906 außer Kraft.

Seitdem wurde die Einfuhr griechischer Waren in Rumänien mit einer
durch das Parlament beschlossenen Extrasteuer belegt, die so hoch war, daß sie
einem Verbot der Einfuhr gleichkam, und außerdem wurde die Gewerbe- sowie
die Jmmobiliensteuer der in Rumänien lebenden Griechen um ein vielfaches
erhöht. Zahlreiche Griechen, darunter geschäftlich und gesellschaftlich sehr hoch¬
stehende Personen, gegen die der Verdacht rege wurde, daß sie mit den in
Mazedonien operierenden griechischen Banden sympathisierten und sie finanziell
unterstützten, wurden des Landes verwiesen. Selbstverständlich beeilte sich die
griechische Regierung, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und sie erließ gegen
die Einfuhr rumänischer Waren in Griechenland und gegen die dort wohnenden
Rumänen ähnliche Maßregeln. Da aber in Rumänien etwa 80000 Griechen
wohnen, und da der griechische Handel mit dem Donaukönigreiche von alters her
sehr bedeutend ist, während in Griechenland nur 70 bis 80 Rumänen ihren
Wohnsitz aufgeschlagen haben, und der rumänische Handel dorthin nur einen
geringen Prozentsatz der Gesamtausfuhr ausmacht, so war Griechenland bei
diesem Kampfe in bedeutendem Nachteil gegenüber Rumänien. Jetzt sind nun,
^le gesagt, diese Maßregeln von beiden Seiten aufgehoben worden, und wenn
der von der Hohen Pforte getane energische Schritt, dem sich auch schon einige
andre Mächte angeschlossen haben, in Athen den erhofften Erfolg haben wird,
dürfte der endgiltige Friedensschluß nicht mehr lange auf sich warten lassen,
und die diplomatischen Beziehungen unter den beiden Staaten wieder aufge¬
nommen werden.

Erörtern wir aber bei dieser Gelegenheit auch einmal eingehender die
Frage, mit welchem historischen Rechte die Griechen nicht nur die Mehrzahl
der Einwohner Mazedoniens -- unter denen neben Bulgaren und Serben die
Kutzowalachen die Minderheit bilden -- sondern auch die von Epirus und
Albanien als griechischen Ursprungs bezeichnen und deshalb für ihre Nationalität


Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Sammlungen zu der Ausrüstung griechischer Banden veranstaltet und in ihrem
Blatte Hetzartikel gegen Rumänien veröffentlicht hätten.

Die griechische Negierung erteilte hierauf ihrem Gesandten in Bukarest die
Weisung, auf unbestimmten Urlaub zu gehn und auch keinen Geschäftsträger
zu hinterlassen. Dieser Vorgang, der insofern ungewöhnlich war, als der Ge¬
sandte nicht, wie es sonst in solchen Fällen üblich ist, seine Pässe verlangte
und die im Lande lebenden Untertanen seiner Regierung dem Schutze des Ver¬
treters einer andern Macht unterstellte, mußte selbstverständlich von der
rumänischen Regierung mit der unter gleichen Modalitäten erfolgenden Beur¬
laubung ihres Gesandten in Athen beantwortet werden. Und da die griechische
Regierung ihre schon von der rumänischen Negierung entkräfteter Anschuldigungen
in einem Rundschreiben an die Mächte wiederholte, sah sich die rumänische
Regierung veranlaßt, ihren 1900 mit Griechenland abgeschlossenen Handels¬
vertrag zu kündigen. Dieser trat denn auch nach Ablauf der neunmonatigen
Kündigungsfrist im Juli 1906 außer Kraft.

Seitdem wurde die Einfuhr griechischer Waren in Rumänien mit einer
durch das Parlament beschlossenen Extrasteuer belegt, die so hoch war, daß sie
einem Verbot der Einfuhr gleichkam, und außerdem wurde die Gewerbe- sowie
die Jmmobiliensteuer der in Rumänien lebenden Griechen um ein vielfaches
erhöht. Zahlreiche Griechen, darunter geschäftlich und gesellschaftlich sehr hoch¬
stehende Personen, gegen die der Verdacht rege wurde, daß sie mit den in
Mazedonien operierenden griechischen Banden sympathisierten und sie finanziell
unterstützten, wurden des Landes verwiesen. Selbstverständlich beeilte sich die
griechische Regierung, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und sie erließ gegen
die Einfuhr rumänischer Waren in Griechenland und gegen die dort wohnenden
Rumänen ähnliche Maßregeln. Da aber in Rumänien etwa 80000 Griechen
wohnen, und da der griechische Handel mit dem Donaukönigreiche von alters her
sehr bedeutend ist, während in Griechenland nur 70 bis 80 Rumänen ihren
Wohnsitz aufgeschlagen haben, und der rumänische Handel dorthin nur einen
geringen Prozentsatz der Gesamtausfuhr ausmacht, so war Griechenland bei
diesem Kampfe in bedeutendem Nachteil gegenüber Rumänien. Jetzt sind nun,
^le gesagt, diese Maßregeln von beiden Seiten aufgehoben worden, und wenn
der von der Hohen Pforte getane energische Schritt, dem sich auch schon einige
andre Mächte angeschlossen haben, in Athen den erhofften Erfolg haben wird,
dürfte der endgiltige Friedensschluß nicht mehr lange auf sich warten lassen,
und die diplomatischen Beziehungen unter den beiden Staaten wieder aufge¬
nommen werden.

Erörtern wir aber bei dieser Gelegenheit auch einmal eingehender die
Frage, mit welchem historischen Rechte die Griechen nicht nur die Mehrzahl
der Einwohner Mazedoniens — unter denen neben Bulgaren und Serben die
Kutzowalachen die Minderheit bilden — sondern auch die von Epirus und
Albanien als griechischen Ursprungs bezeichnen und deshalb für ihre Nationalität


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0391" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303093"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2269" prev="#ID_2268"> Sammlungen zu der Ausrüstung griechischer Banden veranstaltet und in ihrem<lb/>
Blatte Hetzartikel gegen Rumänien veröffentlicht hätten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2270"> Die griechische Negierung erteilte hierauf ihrem Gesandten in Bukarest die<lb/>
Weisung, auf unbestimmten Urlaub zu gehn und auch keinen Geschäftsträger<lb/>
zu hinterlassen. Dieser Vorgang, der insofern ungewöhnlich war, als der Ge¬<lb/>
sandte nicht, wie es sonst in solchen Fällen üblich ist, seine Pässe verlangte<lb/>
und die im Lande lebenden Untertanen seiner Regierung dem Schutze des Ver¬<lb/>
treters einer andern Macht unterstellte, mußte selbstverständlich von der<lb/>
rumänischen Regierung mit der unter gleichen Modalitäten erfolgenden Beur¬<lb/>
laubung ihres Gesandten in Athen beantwortet werden. Und da die griechische<lb/>
Regierung ihre schon von der rumänischen Negierung entkräfteter Anschuldigungen<lb/>
in einem Rundschreiben an die Mächte wiederholte, sah sich die rumänische<lb/>
Regierung veranlaßt, ihren 1900 mit Griechenland abgeschlossenen Handels¬<lb/>
vertrag zu kündigen. Dieser trat denn auch nach Ablauf der neunmonatigen<lb/>
Kündigungsfrist im Juli 1906 außer Kraft.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2271"> Seitdem wurde die Einfuhr griechischer Waren in Rumänien mit einer<lb/>
durch das Parlament beschlossenen Extrasteuer belegt, die so hoch war, daß sie<lb/>
einem Verbot der Einfuhr gleichkam, und außerdem wurde die Gewerbe- sowie<lb/>
die Jmmobiliensteuer der in Rumänien lebenden Griechen um ein vielfaches<lb/>
erhöht. Zahlreiche Griechen, darunter geschäftlich und gesellschaftlich sehr hoch¬<lb/>
stehende Personen, gegen die der Verdacht rege wurde, daß sie mit den in<lb/>
Mazedonien operierenden griechischen Banden sympathisierten und sie finanziell<lb/>
unterstützten, wurden des Landes verwiesen. Selbstverständlich beeilte sich die<lb/>
griechische Regierung, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und sie erließ gegen<lb/>
die Einfuhr rumänischer Waren in Griechenland und gegen die dort wohnenden<lb/>
Rumänen ähnliche Maßregeln. Da aber in Rumänien etwa 80000 Griechen<lb/>
wohnen, und da der griechische Handel mit dem Donaukönigreiche von alters her<lb/>
sehr bedeutend ist, während in Griechenland nur 70 bis 80 Rumänen ihren<lb/>
Wohnsitz aufgeschlagen haben, und der rumänische Handel dorthin nur einen<lb/>
geringen Prozentsatz der Gesamtausfuhr ausmacht, so war Griechenland bei<lb/>
diesem Kampfe in bedeutendem Nachteil gegenüber Rumänien. Jetzt sind nun,<lb/>
^le gesagt, diese Maßregeln von beiden Seiten aufgehoben worden, und wenn<lb/>
der von der Hohen Pforte getane energische Schritt, dem sich auch schon einige<lb/>
andre Mächte angeschlossen haben, in Athen den erhofften Erfolg haben wird,<lb/>
dürfte der endgiltige Friedensschluß nicht mehr lange auf sich warten lassen,<lb/>
und die diplomatischen Beziehungen unter den beiden Staaten wieder aufge¬<lb/>
nommen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2272" next="#ID_2273"> Erörtern wir aber bei dieser Gelegenheit auch einmal eingehender die<lb/>
Frage, mit welchem historischen Rechte die Griechen nicht nur die Mehrzahl<lb/>
der Einwohner Mazedoniens &#x2014; unter denen neben Bulgaren und Serben die<lb/>
Kutzowalachen die Minderheit bilden &#x2014; sondern auch die von Epirus und<lb/>
Albanien als griechischen Ursprungs bezeichnen und deshalb für ihre Nationalität</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0391] Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland Sammlungen zu der Ausrüstung griechischer Banden veranstaltet und in ihrem Blatte Hetzartikel gegen Rumänien veröffentlicht hätten. Die griechische Negierung erteilte hierauf ihrem Gesandten in Bukarest die Weisung, auf unbestimmten Urlaub zu gehn und auch keinen Geschäftsträger zu hinterlassen. Dieser Vorgang, der insofern ungewöhnlich war, als der Ge¬ sandte nicht, wie es sonst in solchen Fällen üblich ist, seine Pässe verlangte und die im Lande lebenden Untertanen seiner Regierung dem Schutze des Ver¬ treters einer andern Macht unterstellte, mußte selbstverständlich von der rumänischen Regierung mit der unter gleichen Modalitäten erfolgenden Beur¬ laubung ihres Gesandten in Athen beantwortet werden. Und da die griechische Regierung ihre schon von der rumänischen Negierung entkräfteter Anschuldigungen in einem Rundschreiben an die Mächte wiederholte, sah sich die rumänische Regierung veranlaßt, ihren 1900 mit Griechenland abgeschlossenen Handels¬ vertrag zu kündigen. Dieser trat denn auch nach Ablauf der neunmonatigen Kündigungsfrist im Juli 1906 außer Kraft. Seitdem wurde die Einfuhr griechischer Waren in Rumänien mit einer durch das Parlament beschlossenen Extrasteuer belegt, die so hoch war, daß sie einem Verbot der Einfuhr gleichkam, und außerdem wurde die Gewerbe- sowie die Jmmobiliensteuer der in Rumänien lebenden Griechen um ein vielfaches erhöht. Zahlreiche Griechen, darunter geschäftlich und gesellschaftlich sehr hoch¬ stehende Personen, gegen die der Verdacht rege wurde, daß sie mit den in Mazedonien operierenden griechischen Banden sympathisierten und sie finanziell unterstützten, wurden des Landes verwiesen. Selbstverständlich beeilte sich die griechische Regierung, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, und sie erließ gegen die Einfuhr rumänischer Waren in Griechenland und gegen die dort wohnenden Rumänen ähnliche Maßregeln. Da aber in Rumänien etwa 80000 Griechen wohnen, und da der griechische Handel mit dem Donaukönigreiche von alters her sehr bedeutend ist, während in Griechenland nur 70 bis 80 Rumänen ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben, und der rumänische Handel dorthin nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtausfuhr ausmacht, so war Griechenland bei diesem Kampfe in bedeutendem Nachteil gegenüber Rumänien. Jetzt sind nun, ^le gesagt, diese Maßregeln von beiden Seiten aufgehoben worden, und wenn der von der Hohen Pforte getane energische Schritt, dem sich auch schon einige andre Mächte angeschlossen haben, in Athen den erhofften Erfolg haben wird, dürfte der endgiltige Friedensschluß nicht mehr lange auf sich warten lassen, und die diplomatischen Beziehungen unter den beiden Staaten wieder aufge¬ nommen werden. Erörtern wir aber bei dieser Gelegenheit auch einmal eingehender die Frage, mit welchem historischen Rechte die Griechen nicht nur die Mehrzahl der Einwohner Mazedoniens — unter denen neben Bulgaren und Serben die Kutzowalachen die Minderheit bilden — sondern auch die von Epirus und Albanien als griechischen Ursprungs bezeichnen und deshalb für ihre Nationalität

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/391
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/391>, abgerufen am 01.09.2024.