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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Uonflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Seelsorger haben, selbständige Kirchengemeinden zu gewähren und ihnen die Er¬
laubnis der Abhaltung des Gottesdienstes in rumänischer Sprache zu geben.
Es begab sich damals zu derselben Zeit eine Delegation von Mazedorumänen,
an deren Spitze sich der Pfarrer Balamaci aus Koritza in Albanien befand,
mit einer die Forderung der rumänischen Negierung unterstützenden, von sieben¬
tausend Personen unterzeichneten Bittschrift nach Konstantinopel. Die Verhand¬
lungen mit dieser Delegation zogen sich über ein Jahr lang, während welcher
Zeit diese in Konstantinopel blieb, hin, und es gab Augenblicke, wo sie sich des
Erfolges schon sicher wähnte. Es war die Rede davon, daß die Mazedorumänen
ein kirchliches Oberhaupt erhalten sollten, entweder mit dem Sitze in Konstan¬
tinopel oder in Bitolia, und man war bereits auf der Suche nach einer ge¬
eigneten Persönlichkeit hierfür; doch zerschlugen sich alle diese Verhandlungen
schließlich, und zwar weil das ökumenische Patriarchat, beseelt von dem Wunsche,
die Mazedorumänen der griechischen Propaganda in aller und jeder Beziehung
anzugliedern, einen offnen und geheimen Widerstand der auf kirchliche Selb¬
ständigkeit der Mazedorumänen gerichteten Forderungen entgegensetzte, und weil
die Hohe Pforte Furcht hatte, daß sie, wenn sie diese Forderungen bewilligte,
beschuldigt werden könnte, ein Schisma in der rechtgläubigen Kirche herbei¬
geführt zu haben.

Um die Mazedorumänen für das Scheitern ihrer Hoffnungen einigermaßen
zu entschädigen und ihnen das Interesse zu bekunden, das die rumänische Regie¬
rung an der Aufrechterhaltung und Förderung ihrer rumänischen Nationalität
nehme, ließ darauf die rumänische Negierung in den verschiednen Teilen Maze¬
doniens mit ihrer Unterstützung rumänische Ephorien errichten, denen die Leitung
der Schulen, die die damalige rumänische Negierung in rascher Folge ins Leben
rief, sowie die Leitung der religiösen Bewegung obliegen sollte; ja der damalige
rumänische Kultusminister Tale Jonescu trug sich sogar mit der Idee der
Schaffung einer höhern mazedorumänischen Schule, einer Art kleiner Universität,
in Konstantinopel.

Als jedoch im Jahre 1895 die Liberalen in Rumänien ans Ruder kamen,
wurde der eben eingeschlagne Weg wieder verlassen, und die Delegation der
Ephorie in Bitolia, die nach Bukarest gekommen war, um die Beibehaltung
dieses Weges zu erbitten, wurde unter Drohungen zur sofortigen Wiederabreise
genötigt. Die Folge war ein großer Wirrwarr unter den Mazedorumänen und
eine Flut gegenseitiger Beschuldigungen, wovon die Griechen, die von jeher
die Mazedorumänen für ihre Nationalität zu gewinnen trachteten, ja sich schon
daran gewöhnt hatten, sie als ihre Stammesbrüder zu bezeichnen, nach Kräften
Nutzen zu ziehen suchten.

Drei Jahre später sahen die Liberalen, durch die inzwischen gemachten Er¬
fahrungen gewitzigt, den begangnen Fehler ein und suchten die Gemüter der
Mazedorumänen durch Bezahlung ihrer für die Erhaltung der Schulen und der
Ephorien gemachten Schulden zu beruhigen, und als dann später wieder die


Der Uonflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Seelsorger haben, selbständige Kirchengemeinden zu gewähren und ihnen die Er¬
laubnis der Abhaltung des Gottesdienstes in rumänischer Sprache zu geben.
Es begab sich damals zu derselben Zeit eine Delegation von Mazedorumänen,
an deren Spitze sich der Pfarrer Balamaci aus Koritza in Albanien befand,
mit einer die Forderung der rumänischen Negierung unterstützenden, von sieben¬
tausend Personen unterzeichneten Bittschrift nach Konstantinopel. Die Verhand¬
lungen mit dieser Delegation zogen sich über ein Jahr lang, während welcher
Zeit diese in Konstantinopel blieb, hin, und es gab Augenblicke, wo sie sich des
Erfolges schon sicher wähnte. Es war die Rede davon, daß die Mazedorumänen
ein kirchliches Oberhaupt erhalten sollten, entweder mit dem Sitze in Konstan¬
tinopel oder in Bitolia, und man war bereits auf der Suche nach einer ge¬
eigneten Persönlichkeit hierfür; doch zerschlugen sich alle diese Verhandlungen
schließlich, und zwar weil das ökumenische Patriarchat, beseelt von dem Wunsche,
die Mazedorumänen der griechischen Propaganda in aller und jeder Beziehung
anzugliedern, einen offnen und geheimen Widerstand der auf kirchliche Selb¬
ständigkeit der Mazedorumänen gerichteten Forderungen entgegensetzte, und weil
die Hohe Pforte Furcht hatte, daß sie, wenn sie diese Forderungen bewilligte,
beschuldigt werden könnte, ein Schisma in der rechtgläubigen Kirche herbei¬
geführt zu haben.

Um die Mazedorumänen für das Scheitern ihrer Hoffnungen einigermaßen
zu entschädigen und ihnen das Interesse zu bekunden, das die rumänische Regie¬
rung an der Aufrechterhaltung und Förderung ihrer rumänischen Nationalität
nehme, ließ darauf die rumänische Negierung in den verschiednen Teilen Maze¬
doniens mit ihrer Unterstützung rumänische Ephorien errichten, denen die Leitung
der Schulen, die die damalige rumänische Negierung in rascher Folge ins Leben
rief, sowie die Leitung der religiösen Bewegung obliegen sollte; ja der damalige
rumänische Kultusminister Tale Jonescu trug sich sogar mit der Idee der
Schaffung einer höhern mazedorumänischen Schule, einer Art kleiner Universität,
in Konstantinopel.

Als jedoch im Jahre 1895 die Liberalen in Rumänien ans Ruder kamen,
wurde der eben eingeschlagne Weg wieder verlassen, und die Delegation der
Ephorie in Bitolia, die nach Bukarest gekommen war, um die Beibehaltung
dieses Weges zu erbitten, wurde unter Drohungen zur sofortigen Wiederabreise
genötigt. Die Folge war ein großer Wirrwarr unter den Mazedorumänen und
eine Flut gegenseitiger Beschuldigungen, wovon die Griechen, die von jeher
die Mazedorumänen für ihre Nationalität zu gewinnen trachteten, ja sich schon
daran gewöhnt hatten, sie als ihre Stammesbrüder zu bezeichnen, nach Kräften
Nutzen zu ziehen suchten.

Drei Jahre später sahen die Liberalen, durch die inzwischen gemachten Er¬
fahrungen gewitzigt, den begangnen Fehler ein und suchten die Gemüter der
Mazedorumänen durch Bezahlung ihrer für die Erhaltung der Schulen und der
Ephorien gemachten Schulden zu beruhigen, und als dann später wieder die


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[0387] Der Uonflikt zwischen Rumänien und Griechenland Seelsorger haben, selbständige Kirchengemeinden zu gewähren und ihnen die Er¬ laubnis der Abhaltung des Gottesdienstes in rumänischer Sprache zu geben. Es begab sich damals zu derselben Zeit eine Delegation von Mazedorumänen, an deren Spitze sich der Pfarrer Balamaci aus Koritza in Albanien befand, mit einer die Forderung der rumänischen Negierung unterstützenden, von sieben¬ tausend Personen unterzeichneten Bittschrift nach Konstantinopel. Die Verhand¬ lungen mit dieser Delegation zogen sich über ein Jahr lang, während welcher Zeit diese in Konstantinopel blieb, hin, und es gab Augenblicke, wo sie sich des Erfolges schon sicher wähnte. Es war die Rede davon, daß die Mazedorumänen ein kirchliches Oberhaupt erhalten sollten, entweder mit dem Sitze in Konstan¬ tinopel oder in Bitolia, und man war bereits auf der Suche nach einer ge¬ eigneten Persönlichkeit hierfür; doch zerschlugen sich alle diese Verhandlungen schließlich, und zwar weil das ökumenische Patriarchat, beseelt von dem Wunsche, die Mazedorumänen der griechischen Propaganda in aller und jeder Beziehung anzugliedern, einen offnen und geheimen Widerstand der auf kirchliche Selb¬ ständigkeit der Mazedorumänen gerichteten Forderungen entgegensetzte, und weil die Hohe Pforte Furcht hatte, daß sie, wenn sie diese Forderungen bewilligte, beschuldigt werden könnte, ein Schisma in der rechtgläubigen Kirche herbei¬ geführt zu haben. Um die Mazedorumänen für das Scheitern ihrer Hoffnungen einigermaßen zu entschädigen und ihnen das Interesse zu bekunden, das die rumänische Regie¬ rung an der Aufrechterhaltung und Förderung ihrer rumänischen Nationalität nehme, ließ darauf die rumänische Negierung in den verschiednen Teilen Maze¬ doniens mit ihrer Unterstützung rumänische Ephorien errichten, denen die Leitung der Schulen, die die damalige rumänische Negierung in rascher Folge ins Leben rief, sowie die Leitung der religiösen Bewegung obliegen sollte; ja der damalige rumänische Kultusminister Tale Jonescu trug sich sogar mit der Idee der Schaffung einer höhern mazedorumänischen Schule, einer Art kleiner Universität, in Konstantinopel. Als jedoch im Jahre 1895 die Liberalen in Rumänien ans Ruder kamen, wurde der eben eingeschlagne Weg wieder verlassen, und die Delegation der Ephorie in Bitolia, die nach Bukarest gekommen war, um die Beibehaltung dieses Weges zu erbitten, wurde unter Drohungen zur sofortigen Wiederabreise genötigt. Die Folge war ein großer Wirrwarr unter den Mazedorumänen und eine Flut gegenseitiger Beschuldigungen, wovon die Griechen, die von jeher die Mazedorumänen für ihre Nationalität zu gewinnen trachteten, ja sich schon daran gewöhnt hatten, sie als ihre Stammesbrüder zu bezeichnen, nach Kräften Nutzen zu ziehen suchten. Drei Jahre später sahen die Liberalen, durch die inzwischen gemachten Er¬ fahrungen gewitzigt, den begangnen Fehler ein und suchten die Gemüter der Mazedorumänen durch Bezahlung ihrer für die Erhaltung der Schulen und der Ephorien gemachten Schulden zu beruhigen, und als dann später wieder die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/387>, abgerufen am 01.09.2024.