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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Wirtschaftlichen Kampfe -- worin, da der Handel Griechenlands mit Rumänien
weit bedeutender ist als umgekehrt der rumänische mit Griechenland, Rumänien
der weniger leidende Teil war -- die verfügten Maßregeln zurückzuziehn, so
ist darin wohl zunächst das Bestreben des seit dem Kabinettswechsel vom März
dieses Jahres wiederum das Staatsruder lenkenden alten Sturdza erkennbar,
die Schroffheit des von dem frühern Kabinett Cantacuzino geführten Kampfes
zu mildern, um auf einer freundlichern Basis wegen der Beilegung des Konflikts
mit Griechenland zu verhandeln.

Nicht ganz ohne Zusammenhang mit diesem Schritte dürfte jedoch die
wenig Tage später von der Hohen Pforte an die griechische Regierung gerichtete
Note sein, worin diese in sehr energischen Worten ermahnt wird, dem griechischen
Bardenwesen in Mazedonien ein Ende zu machen und sämtliche griechische
Offiziere, die sich bei den Banden befinden, abzuberufen. Es mag hierbei daran
erinnert werden, daß Sturdza einige Zeit, bevor er wiederum zur Leitung des
rumänischen Kabinetts berufen wurde, in Konstantinopel weilte, und daß schon
damals seine Reise dorthin mit der Beilegung des Konflikts in Beziehung ge¬
bracht wurde. Es ist sehr leicht möglich, daß Abmachungen zwischen Rumänien
und der Türkei bestehen, nach denen diese es unternommen hat, die durch die
griechischen Banden fortgesetzt gestörte Ruhe in Mazedonien in energischer Weise
wiederherzustellen und den: Jrade zur Respektierung zu verhelfen, das der
Großherr zugunsten der Mazedorumänen erlassen hat. Denn die Umtriebe der
Griechen find darauf gerichtet, das Jrade zu durchkreuzen und dessen Nicht¬
beachtung zu erzwingen; mit ihren Operationen gegen die mazedorumänischen
Gemeinden, die sie wieder unter den griechischen Kultus nötigen wollen,
rebellieren sie zugleich gegen die Anordnungen des Sultans in einer von diesem
noch beherrschten Provinz. Daß ein augenfällig gutes Einvernehmen zurzeit
zwischen der Türkei und Rumänien besteht, kann man auch aus den Freund¬
schaftsbezeugungen ersehen, die die Souveräne der beiden Staaten gegenseitig
letzthin ausgetauscht haben: sie sandten sich unter Entfaltung eines besondern
Gepränges ihre höchsten Orden. Es ist also wahrscheinlich, daß Sturdza die
wirtschaftlichen Repressalien gegen Griechenland zurückgezogen hat im sichern
Vertrauen darauf, daß nunmehr die Pforte die rumänische Forderung als die
ihrige ansehen und sie erzwingen werde, ja vielleicht ist ihm dies sogar ver^
briefe worden.

Um die ganze, nicht uninteressante Streitfrage zwischen Rumänien und
Griechenland, die die politische Welt schon des öftern lebhaft bewegt hat, zu
verstehn, muß man einen Blick auf die Vergangenheit werfen. An den Ab¬
hängen des Pindus leben mehr als 300000 rumänische Stammesgenossen, mit
denen sich die Rumänen im Königreiche, was Nationalität und Kultur anlangt,
verbunden fühlen. Schon im Jahre 1893 trat die rumänische Regierung an
die Pforte mit dem Ersuchen heran, diesen Mazedorumänen, die in religiöser Be¬
ziehung dem ökumenischen Patriarchat unterstehn und fast durchweg griechische


Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland

Wirtschaftlichen Kampfe — worin, da der Handel Griechenlands mit Rumänien
weit bedeutender ist als umgekehrt der rumänische mit Griechenland, Rumänien
der weniger leidende Teil war — die verfügten Maßregeln zurückzuziehn, so
ist darin wohl zunächst das Bestreben des seit dem Kabinettswechsel vom März
dieses Jahres wiederum das Staatsruder lenkenden alten Sturdza erkennbar,
die Schroffheit des von dem frühern Kabinett Cantacuzino geführten Kampfes
zu mildern, um auf einer freundlichern Basis wegen der Beilegung des Konflikts
mit Griechenland zu verhandeln.

Nicht ganz ohne Zusammenhang mit diesem Schritte dürfte jedoch die
wenig Tage später von der Hohen Pforte an die griechische Regierung gerichtete
Note sein, worin diese in sehr energischen Worten ermahnt wird, dem griechischen
Bardenwesen in Mazedonien ein Ende zu machen und sämtliche griechische
Offiziere, die sich bei den Banden befinden, abzuberufen. Es mag hierbei daran
erinnert werden, daß Sturdza einige Zeit, bevor er wiederum zur Leitung des
rumänischen Kabinetts berufen wurde, in Konstantinopel weilte, und daß schon
damals seine Reise dorthin mit der Beilegung des Konflikts in Beziehung ge¬
bracht wurde. Es ist sehr leicht möglich, daß Abmachungen zwischen Rumänien
und der Türkei bestehen, nach denen diese es unternommen hat, die durch die
griechischen Banden fortgesetzt gestörte Ruhe in Mazedonien in energischer Weise
wiederherzustellen und den: Jrade zur Respektierung zu verhelfen, das der
Großherr zugunsten der Mazedorumänen erlassen hat. Denn die Umtriebe der
Griechen find darauf gerichtet, das Jrade zu durchkreuzen und dessen Nicht¬
beachtung zu erzwingen; mit ihren Operationen gegen die mazedorumänischen
Gemeinden, die sie wieder unter den griechischen Kultus nötigen wollen,
rebellieren sie zugleich gegen die Anordnungen des Sultans in einer von diesem
noch beherrschten Provinz. Daß ein augenfällig gutes Einvernehmen zurzeit
zwischen der Türkei und Rumänien besteht, kann man auch aus den Freund¬
schaftsbezeugungen ersehen, die die Souveräne der beiden Staaten gegenseitig
letzthin ausgetauscht haben: sie sandten sich unter Entfaltung eines besondern
Gepränges ihre höchsten Orden. Es ist also wahrscheinlich, daß Sturdza die
wirtschaftlichen Repressalien gegen Griechenland zurückgezogen hat im sichern
Vertrauen darauf, daß nunmehr die Pforte die rumänische Forderung als die
ihrige ansehen und sie erzwingen werde, ja vielleicht ist ihm dies sogar ver^
briefe worden.

Um die ganze, nicht uninteressante Streitfrage zwischen Rumänien und
Griechenland, die die politische Welt schon des öftern lebhaft bewegt hat, zu
verstehn, muß man einen Blick auf die Vergangenheit werfen. An den Ab¬
hängen des Pindus leben mehr als 300000 rumänische Stammesgenossen, mit
denen sich die Rumänen im Königreiche, was Nationalität und Kultur anlangt,
verbunden fühlen. Schon im Jahre 1893 trat die rumänische Regierung an
die Pforte mit dem Ersuchen heran, diesen Mazedorumänen, die in religiöser Be¬
ziehung dem ökumenischen Patriarchat unterstehn und fast durchweg griechische


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[0386] Der Konflikt zwischen Rumänien und Griechenland Wirtschaftlichen Kampfe — worin, da der Handel Griechenlands mit Rumänien weit bedeutender ist als umgekehrt der rumänische mit Griechenland, Rumänien der weniger leidende Teil war — die verfügten Maßregeln zurückzuziehn, so ist darin wohl zunächst das Bestreben des seit dem Kabinettswechsel vom März dieses Jahres wiederum das Staatsruder lenkenden alten Sturdza erkennbar, die Schroffheit des von dem frühern Kabinett Cantacuzino geführten Kampfes zu mildern, um auf einer freundlichern Basis wegen der Beilegung des Konflikts mit Griechenland zu verhandeln. Nicht ganz ohne Zusammenhang mit diesem Schritte dürfte jedoch die wenig Tage später von der Hohen Pforte an die griechische Regierung gerichtete Note sein, worin diese in sehr energischen Worten ermahnt wird, dem griechischen Bardenwesen in Mazedonien ein Ende zu machen und sämtliche griechische Offiziere, die sich bei den Banden befinden, abzuberufen. Es mag hierbei daran erinnert werden, daß Sturdza einige Zeit, bevor er wiederum zur Leitung des rumänischen Kabinetts berufen wurde, in Konstantinopel weilte, und daß schon damals seine Reise dorthin mit der Beilegung des Konflikts in Beziehung ge¬ bracht wurde. Es ist sehr leicht möglich, daß Abmachungen zwischen Rumänien und der Türkei bestehen, nach denen diese es unternommen hat, die durch die griechischen Banden fortgesetzt gestörte Ruhe in Mazedonien in energischer Weise wiederherzustellen und den: Jrade zur Respektierung zu verhelfen, das der Großherr zugunsten der Mazedorumänen erlassen hat. Denn die Umtriebe der Griechen find darauf gerichtet, das Jrade zu durchkreuzen und dessen Nicht¬ beachtung zu erzwingen; mit ihren Operationen gegen die mazedorumänischen Gemeinden, die sie wieder unter den griechischen Kultus nötigen wollen, rebellieren sie zugleich gegen die Anordnungen des Sultans in einer von diesem noch beherrschten Provinz. Daß ein augenfällig gutes Einvernehmen zurzeit zwischen der Türkei und Rumänien besteht, kann man auch aus den Freund¬ schaftsbezeugungen ersehen, die die Souveräne der beiden Staaten gegenseitig letzthin ausgetauscht haben: sie sandten sich unter Entfaltung eines besondern Gepränges ihre höchsten Orden. Es ist also wahrscheinlich, daß Sturdza die wirtschaftlichen Repressalien gegen Griechenland zurückgezogen hat im sichern Vertrauen darauf, daß nunmehr die Pforte die rumänische Forderung als die ihrige ansehen und sie erzwingen werde, ja vielleicht ist ihm dies sogar ver^ briefe worden. Um die ganze, nicht uninteressante Streitfrage zwischen Rumänien und Griechenland, die die politische Welt schon des öftern lebhaft bewegt hat, zu verstehn, muß man einen Blick auf die Vergangenheit werfen. An den Ab¬ hängen des Pindus leben mehr als 300000 rumänische Stammesgenossen, mit denen sich die Rumänen im Königreiche, was Nationalität und Kultur anlangt, verbunden fühlen. Schon im Jahre 1893 trat die rumänische Regierung an die Pforte mit dem Ersuchen heran, diesen Mazedorumänen, die in religiöser Be¬ ziehung dem ökumenischen Patriarchat unterstehn und fast durchweg griechische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/386>, abgerufen am 01.09.2024.