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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Aus Weimars Vergangenheit

war. Menschen von Rang und Vermögen, aber zugleich fein gebildet, traten
zu kunstverklärten Kreisen zusammen mit einer Nuance jenes Bewußtseins, daß
der Sänger mit dem König auf die Höhen der Menschheit gehört. Die Gräfin
Kalergis erstattete z. B. Wagner aus eignen Mitteln die bei den Pariser
Konzerten eingebüßte große Summe. Der todkranke Chopin erhielt Tausende
von einer englischen Verehrerin. Zu demselben sagte, bezeichnend für die Formen
des Verkehrs, einmal die alte, gutherzige Gräfin Plater scherzend: Mein kleiner
Chopin, wenn ich jung und hübsch wäre, würde ich dich zum Manne nehmen,
Hiller zum Freund und Liszt zum Liebhaber.

Fast alle Briefschreiber reden die Fürstin als solche an; nur Wagner
nennt sie zum Beispiel liebe Kapellmeisterin. Als solche scheint sie in taktvoller
Weise Liszts musikalische Bestrebungen unterstützt zu haben. Seine Musik war
damals noch bestrittner als heute. Am 14. Januar 1859 waren in Berlin
unter Bülows Leitung die "Ideale" ausgezischt worden; am 27. Februar dirigierte
sie dagegen der Komponist selbst mit glänzendem Erfolg. Dennoch sind Alfred
Meißners exaltierte Vorhersagungen über Liszts Musik bis jetzt unerfüllt ge¬
blieben.

Da Carolyne mit so vielen Menschen in dauernde Verbindung trat, kann
sie sich nicht zu der einen Behauptung Wagners (November 1854) bekannt haben,
daß die Welt den Hellsehenden nur anWeinen kann. Wohl aber zu der andern,
daß es nur ein Glück gibt -- Gemeinsamkeit mit gleichgesinnten Menschen.
Bogumil Dawison bezeugt ihr (November 1857): Niemand versteht, wie Sie,
einem etwas Anerkennendes zu sagen; denn bekanntlich gibt es nichts Schwierigeres
als Loben. Ähnlich äußert sich einmal Schmorr (Oktober 1854). Aber sie
interessierte sich nicht bloß für die Bücher dieses Kreises, machte den Leuten
nicht bloß Komplimente und schöne Redensarten in idealen Freundschaftsbriefen,
sondern sie nahm Anteil an persönlichen Angelegenheiten, kaufte und bestellte
Kunstwerke, zu denen sie mitunter die Ideen angab. Für Arbeiten Gcnellis,
der auch eine kleine Reise nicht unternehmen mochte, wenn er dazu nicht reichlich
mit Geld versehen war, suchte sie Käufer. Differenzen zwischen Kaulbach und
Cornelius suchte sie auszugleichen. Auf der Altenburg genoß man die wunder¬
vollste Musik, da Liszt, Rubinstein und Tausig (Hidalgo genannt) dort spielten.
Die Fürstin sammelte allerlei malerische Kunstwerke, erhielt solche zur Ansicht,
verhandelte mit den Künstlern über ihre Entwürfe, lauschte geduldig auf ge¬
legentliche Klagen, die aber nur zum geringsten Teil Geldfragen betrafen. Fest¬
liche Tage wurden erheitert durch eine zuweilen mit Bildern unterstützte, poe¬
tische Schilderung der zu diesem Kreise gerechneten Menschen, verschönert durch
poetische Zuschriften, die vorwiegend der Fürstin huldigten. Ihrer Tochter, der
Prinzessin Marie, schickte Hebbel zum 2. Juni 1859 ein Gedicht "Das Geheimnis
der Schönheit". In einer Anmerkung wird uns gesagt, Hebbel habe seinem
Biographen anvertraut, die Verse gälten eigentlich seinem Eichkätzchen. Wir
wollen dies lieber als Scherz Hebbels betrachten. Er liebte ja dieses Tier sehr;


Aus Weimars Vergangenheit

war. Menschen von Rang und Vermögen, aber zugleich fein gebildet, traten
zu kunstverklärten Kreisen zusammen mit einer Nuance jenes Bewußtseins, daß
der Sänger mit dem König auf die Höhen der Menschheit gehört. Die Gräfin
Kalergis erstattete z. B. Wagner aus eignen Mitteln die bei den Pariser
Konzerten eingebüßte große Summe. Der todkranke Chopin erhielt Tausende
von einer englischen Verehrerin. Zu demselben sagte, bezeichnend für die Formen
des Verkehrs, einmal die alte, gutherzige Gräfin Plater scherzend: Mein kleiner
Chopin, wenn ich jung und hübsch wäre, würde ich dich zum Manne nehmen,
Hiller zum Freund und Liszt zum Liebhaber.

Fast alle Briefschreiber reden die Fürstin als solche an; nur Wagner
nennt sie zum Beispiel liebe Kapellmeisterin. Als solche scheint sie in taktvoller
Weise Liszts musikalische Bestrebungen unterstützt zu haben. Seine Musik war
damals noch bestrittner als heute. Am 14. Januar 1859 waren in Berlin
unter Bülows Leitung die „Ideale" ausgezischt worden; am 27. Februar dirigierte
sie dagegen der Komponist selbst mit glänzendem Erfolg. Dennoch sind Alfred
Meißners exaltierte Vorhersagungen über Liszts Musik bis jetzt unerfüllt ge¬
blieben.

Da Carolyne mit so vielen Menschen in dauernde Verbindung trat, kann
sie sich nicht zu der einen Behauptung Wagners (November 1854) bekannt haben,
daß die Welt den Hellsehenden nur anWeinen kann. Wohl aber zu der andern,
daß es nur ein Glück gibt — Gemeinsamkeit mit gleichgesinnten Menschen.
Bogumil Dawison bezeugt ihr (November 1857): Niemand versteht, wie Sie,
einem etwas Anerkennendes zu sagen; denn bekanntlich gibt es nichts Schwierigeres
als Loben. Ähnlich äußert sich einmal Schmorr (Oktober 1854). Aber sie
interessierte sich nicht bloß für die Bücher dieses Kreises, machte den Leuten
nicht bloß Komplimente und schöne Redensarten in idealen Freundschaftsbriefen,
sondern sie nahm Anteil an persönlichen Angelegenheiten, kaufte und bestellte
Kunstwerke, zu denen sie mitunter die Ideen angab. Für Arbeiten Gcnellis,
der auch eine kleine Reise nicht unternehmen mochte, wenn er dazu nicht reichlich
mit Geld versehen war, suchte sie Käufer. Differenzen zwischen Kaulbach und
Cornelius suchte sie auszugleichen. Auf der Altenburg genoß man die wunder¬
vollste Musik, da Liszt, Rubinstein und Tausig (Hidalgo genannt) dort spielten.
Die Fürstin sammelte allerlei malerische Kunstwerke, erhielt solche zur Ansicht,
verhandelte mit den Künstlern über ihre Entwürfe, lauschte geduldig auf ge¬
legentliche Klagen, die aber nur zum geringsten Teil Geldfragen betrafen. Fest¬
liche Tage wurden erheitert durch eine zuweilen mit Bildern unterstützte, poe¬
tische Schilderung der zu diesem Kreise gerechneten Menschen, verschönert durch
poetische Zuschriften, die vorwiegend der Fürstin huldigten. Ihrer Tochter, der
Prinzessin Marie, schickte Hebbel zum 2. Juni 1859 ein Gedicht „Das Geheimnis
der Schönheit". In einer Anmerkung wird uns gesagt, Hebbel habe seinem
Biographen anvertraut, die Verse gälten eigentlich seinem Eichkätzchen. Wir
wollen dies lieber als Scherz Hebbels betrachten. Er liebte ja dieses Tier sehr;


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[0256] Aus Weimars Vergangenheit war. Menschen von Rang und Vermögen, aber zugleich fein gebildet, traten zu kunstverklärten Kreisen zusammen mit einer Nuance jenes Bewußtseins, daß der Sänger mit dem König auf die Höhen der Menschheit gehört. Die Gräfin Kalergis erstattete z. B. Wagner aus eignen Mitteln die bei den Pariser Konzerten eingebüßte große Summe. Der todkranke Chopin erhielt Tausende von einer englischen Verehrerin. Zu demselben sagte, bezeichnend für die Formen des Verkehrs, einmal die alte, gutherzige Gräfin Plater scherzend: Mein kleiner Chopin, wenn ich jung und hübsch wäre, würde ich dich zum Manne nehmen, Hiller zum Freund und Liszt zum Liebhaber. Fast alle Briefschreiber reden die Fürstin als solche an; nur Wagner nennt sie zum Beispiel liebe Kapellmeisterin. Als solche scheint sie in taktvoller Weise Liszts musikalische Bestrebungen unterstützt zu haben. Seine Musik war damals noch bestrittner als heute. Am 14. Januar 1859 waren in Berlin unter Bülows Leitung die „Ideale" ausgezischt worden; am 27. Februar dirigierte sie dagegen der Komponist selbst mit glänzendem Erfolg. Dennoch sind Alfred Meißners exaltierte Vorhersagungen über Liszts Musik bis jetzt unerfüllt ge¬ blieben. Da Carolyne mit so vielen Menschen in dauernde Verbindung trat, kann sie sich nicht zu der einen Behauptung Wagners (November 1854) bekannt haben, daß die Welt den Hellsehenden nur anWeinen kann. Wohl aber zu der andern, daß es nur ein Glück gibt — Gemeinsamkeit mit gleichgesinnten Menschen. Bogumil Dawison bezeugt ihr (November 1857): Niemand versteht, wie Sie, einem etwas Anerkennendes zu sagen; denn bekanntlich gibt es nichts Schwierigeres als Loben. Ähnlich äußert sich einmal Schmorr (Oktober 1854). Aber sie interessierte sich nicht bloß für die Bücher dieses Kreises, machte den Leuten nicht bloß Komplimente und schöne Redensarten in idealen Freundschaftsbriefen, sondern sie nahm Anteil an persönlichen Angelegenheiten, kaufte und bestellte Kunstwerke, zu denen sie mitunter die Ideen angab. Für Arbeiten Gcnellis, der auch eine kleine Reise nicht unternehmen mochte, wenn er dazu nicht reichlich mit Geld versehen war, suchte sie Käufer. Differenzen zwischen Kaulbach und Cornelius suchte sie auszugleichen. Auf der Altenburg genoß man die wunder¬ vollste Musik, da Liszt, Rubinstein und Tausig (Hidalgo genannt) dort spielten. Die Fürstin sammelte allerlei malerische Kunstwerke, erhielt solche zur Ansicht, verhandelte mit den Künstlern über ihre Entwürfe, lauschte geduldig auf ge¬ legentliche Klagen, die aber nur zum geringsten Teil Geldfragen betrafen. Fest¬ liche Tage wurden erheitert durch eine zuweilen mit Bildern unterstützte, poe¬ tische Schilderung der zu diesem Kreise gerechneten Menschen, verschönert durch poetische Zuschriften, die vorwiegend der Fürstin huldigten. Ihrer Tochter, der Prinzessin Marie, schickte Hebbel zum 2. Juni 1859 ein Gedicht „Das Geheimnis der Schönheit". In einer Anmerkung wird uns gesagt, Hebbel habe seinem Biographen anvertraut, die Verse gälten eigentlich seinem Eichkätzchen. Wir wollen dies lieber als Scherz Hebbels betrachten. Er liebte ja dieses Tier sehr;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/256>, abgerufen am 12.12.2024.