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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Zur Vorgeschichte des Burenkrieges

Die Einführung des Englischen als amtlicher und Gerichtssprache, die
schon einige Jahre vorher erfolgt war, machte das Maß voll, und so ent¬
schlossen sich denn viele tausend Burghers schweren Herzens, über die Draken-
berge zu ziehen -- die unsäglichen Leiden der Wanderung, die ihnen bevor¬
standen, kannten sie -- und sich in Natal eine neue Heimat zu gründen.

Von nun an beginnt die raffinierte Politik, die sich die englischen Staats¬
männer nach dem Vorbilde der von den Römern Karthago gegenüber ange¬
wandten ausgeklügelt zu haben scheinen. Zunächst wird behauptet, daß die
Ausgewanderten auch auf nicht englischem Gebiet Untertanen Englands blieben,
dann, daß Natal englisches Gebiet sei. Kurz vor der Einwanderung der
Buren, 1834, hatten die englischen Behörden die Bitte kapländischer Kaufleute
um die Besitznahme von Port Natal der Kosten wegen abgelehnt, und als
dann doch aus einem besondern Anlaß der Hafen von Durham eine Besatzung
bekommen hatte, wurde ausdrücklich versichert, das geschehe nicht in der Absicht,
das angrenzende Gebiet zu besetzen. Die Regierung hatte "die feste Überzeugung
gewonnen, daß die Erwerbung neuer Gebiete in Südafrika keinen Nutzen
bringen würde". Aber so oft die Buren die Gefahren, Arbeiten und Leiden
einer Neubesiedlung auf sich genommen hatten, erschien ein solches Gebiet
jedesmal für die Okkupation geeignet, und diese wurde damit eingeleitet, daß
man den Ansiedlern Negerstümme auf den Hals hetzte, ihnen die Wasfenzufuhr,
ja die Lebensmittelzufuhr abschnitt, sie zu Feindseligkeiten gegen England zwang
und dann als Rebellen behandelte und des Vertragsbruchs anklagte. Diese
vielfach wiederholten Manöver werden in dem Buche ausführlich erzählt. Als
die Engländer ihre Herrschaftsansprüche auf Natal geltend machten, erschien
vor dem britischen Kommissar eine Abordnung von Frauen, die erklärten, sie
seien entschlossen, sich niemals der britischen Autorität zu fügen; sie seien sich
der Nutzlosigkeit jedes Widerstandes vollkommen bewußt und wollten nur be¬
kannt geben, daß sie lieber barfuß über die Drakenberge zurückwandern als
sich den Engländern unterwerfen würden, daß sie den Tod in Freiheit dem
Verlust der Freiheit vorzögen. Auf die Lage, die durch die englische Politik
herbeigeführt wurde, nachdem sich die Buren zu beiden Seiten des Vaalflusses
eingerichtet hatten, wirft der Leitartikel der Times vom 20. Dezember 1851
ein grelles Licht. Es heißt darin:

Wir können uns keine Ereignisse vorstellen, die geeigneter wären, unsern
Nationalstolz zu demütigen, den Ruf unsrer Waffenehre zu beflecken und unsrer
Politik und Glaubwürdigkeit ein unauslöschliches Brandmal aufzudrücken, als die
Vorkommnisse, deren Schauplatz gegenwartig das Kap der Guten Hoffnung ist.
Wir sind in einen Doppelkampf der List und Waffen gegen unsre eignen Unter¬
tanen sowohl wie gegen einen barbarischen Feind verstrickt, und es ist schwer zu
unterscheiden, ob wir auf dem Felde unsrer bürgerlichen oder unsrer militärischen
Tätigkeit eine schimpflichere Figur machen. Was neuerdings geschehen ist, hat uns
überzeugend bewiesen, welcher Verachtung sich der britische Name dank der Ver¬
waltung des Lord Grey und der Tätigkeit von Sir Harry Smith zu erfreuen hat.


Zur Vorgeschichte des Burenkrieges

Die Einführung des Englischen als amtlicher und Gerichtssprache, die
schon einige Jahre vorher erfolgt war, machte das Maß voll, und so ent¬
schlossen sich denn viele tausend Burghers schweren Herzens, über die Draken-
berge zu ziehen — die unsäglichen Leiden der Wanderung, die ihnen bevor¬
standen, kannten sie — und sich in Natal eine neue Heimat zu gründen.

Von nun an beginnt die raffinierte Politik, die sich die englischen Staats¬
männer nach dem Vorbilde der von den Römern Karthago gegenüber ange¬
wandten ausgeklügelt zu haben scheinen. Zunächst wird behauptet, daß die
Ausgewanderten auch auf nicht englischem Gebiet Untertanen Englands blieben,
dann, daß Natal englisches Gebiet sei. Kurz vor der Einwanderung der
Buren, 1834, hatten die englischen Behörden die Bitte kapländischer Kaufleute
um die Besitznahme von Port Natal der Kosten wegen abgelehnt, und als
dann doch aus einem besondern Anlaß der Hafen von Durham eine Besatzung
bekommen hatte, wurde ausdrücklich versichert, das geschehe nicht in der Absicht,
das angrenzende Gebiet zu besetzen. Die Regierung hatte „die feste Überzeugung
gewonnen, daß die Erwerbung neuer Gebiete in Südafrika keinen Nutzen
bringen würde". Aber so oft die Buren die Gefahren, Arbeiten und Leiden
einer Neubesiedlung auf sich genommen hatten, erschien ein solches Gebiet
jedesmal für die Okkupation geeignet, und diese wurde damit eingeleitet, daß
man den Ansiedlern Negerstümme auf den Hals hetzte, ihnen die Wasfenzufuhr,
ja die Lebensmittelzufuhr abschnitt, sie zu Feindseligkeiten gegen England zwang
und dann als Rebellen behandelte und des Vertragsbruchs anklagte. Diese
vielfach wiederholten Manöver werden in dem Buche ausführlich erzählt. Als
die Engländer ihre Herrschaftsansprüche auf Natal geltend machten, erschien
vor dem britischen Kommissar eine Abordnung von Frauen, die erklärten, sie
seien entschlossen, sich niemals der britischen Autorität zu fügen; sie seien sich
der Nutzlosigkeit jedes Widerstandes vollkommen bewußt und wollten nur be¬
kannt geben, daß sie lieber barfuß über die Drakenberge zurückwandern als
sich den Engländern unterwerfen würden, daß sie den Tod in Freiheit dem
Verlust der Freiheit vorzögen. Auf die Lage, die durch die englische Politik
herbeigeführt wurde, nachdem sich die Buren zu beiden Seiten des Vaalflusses
eingerichtet hatten, wirft der Leitartikel der Times vom 20. Dezember 1851
ein grelles Licht. Es heißt darin:

Wir können uns keine Ereignisse vorstellen, die geeigneter wären, unsern
Nationalstolz zu demütigen, den Ruf unsrer Waffenehre zu beflecken und unsrer
Politik und Glaubwürdigkeit ein unauslöschliches Brandmal aufzudrücken, als die
Vorkommnisse, deren Schauplatz gegenwartig das Kap der Guten Hoffnung ist.
Wir sind in einen Doppelkampf der List und Waffen gegen unsre eignen Unter¬
tanen sowohl wie gegen einen barbarischen Feind verstrickt, und es ist schwer zu
unterscheiden, ob wir auf dem Felde unsrer bürgerlichen oder unsrer militärischen
Tätigkeit eine schimpflichere Figur machen. Was neuerdings geschehen ist, hat uns
überzeugend bewiesen, welcher Verachtung sich der britische Name dank der Ver¬
waltung des Lord Grey und der Tätigkeit von Sir Harry Smith zu erfreuen hat.


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[0248] Zur Vorgeschichte des Burenkrieges Die Einführung des Englischen als amtlicher und Gerichtssprache, die schon einige Jahre vorher erfolgt war, machte das Maß voll, und so ent¬ schlossen sich denn viele tausend Burghers schweren Herzens, über die Draken- berge zu ziehen — die unsäglichen Leiden der Wanderung, die ihnen bevor¬ standen, kannten sie — und sich in Natal eine neue Heimat zu gründen. Von nun an beginnt die raffinierte Politik, die sich die englischen Staats¬ männer nach dem Vorbilde der von den Römern Karthago gegenüber ange¬ wandten ausgeklügelt zu haben scheinen. Zunächst wird behauptet, daß die Ausgewanderten auch auf nicht englischem Gebiet Untertanen Englands blieben, dann, daß Natal englisches Gebiet sei. Kurz vor der Einwanderung der Buren, 1834, hatten die englischen Behörden die Bitte kapländischer Kaufleute um die Besitznahme von Port Natal der Kosten wegen abgelehnt, und als dann doch aus einem besondern Anlaß der Hafen von Durham eine Besatzung bekommen hatte, wurde ausdrücklich versichert, das geschehe nicht in der Absicht, das angrenzende Gebiet zu besetzen. Die Regierung hatte „die feste Überzeugung gewonnen, daß die Erwerbung neuer Gebiete in Südafrika keinen Nutzen bringen würde". Aber so oft die Buren die Gefahren, Arbeiten und Leiden einer Neubesiedlung auf sich genommen hatten, erschien ein solches Gebiet jedesmal für die Okkupation geeignet, und diese wurde damit eingeleitet, daß man den Ansiedlern Negerstümme auf den Hals hetzte, ihnen die Wasfenzufuhr, ja die Lebensmittelzufuhr abschnitt, sie zu Feindseligkeiten gegen England zwang und dann als Rebellen behandelte und des Vertragsbruchs anklagte. Diese vielfach wiederholten Manöver werden in dem Buche ausführlich erzählt. Als die Engländer ihre Herrschaftsansprüche auf Natal geltend machten, erschien vor dem britischen Kommissar eine Abordnung von Frauen, die erklärten, sie seien entschlossen, sich niemals der britischen Autorität zu fügen; sie seien sich der Nutzlosigkeit jedes Widerstandes vollkommen bewußt und wollten nur be¬ kannt geben, daß sie lieber barfuß über die Drakenberge zurückwandern als sich den Engländern unterwerfen würden, daß sie den Tod in Freiheit dem Verlust der Freiheit vorzögen. Auf die Lage, die durch die englische Politik herbeigeführt wurde, nachdem sich die Buren zu beiden Seiten des Vaalflusses eingerichtet hatten, wirft der Leitartikel der Times vom 20. Dezember 1851 ein grelles Licht. Es heißt darin: Wir können uns keine Ereignisse vorstellen, die geeigneter wären, unsern Nationalstolz zu demütigen, den Ruf unsrer Waffenehre zu beflecken und unsrer Politik und Glaubwürdigkeit ein unauslöschliches Brandmal aufzudrücken, als die Vorkommnisse, deren Schauplatz gegenwartig das Kap der Guten Hoffnung ist. Wir sind in einen Doppelkampf der List und Waffen gegen unsre eignen Unter¬ tanen sowohl wie gegen einen barbarischen Feind verstrickt, und es ist schwer zu unterscheiden, ob wir auf dem Felde unsrer bürgerlichen oder unsrer militärischen Tätigkeit eine schimpflichere Figur machen. Was neuerdings geschehen ist, hat uns überzeugend bewiesen, welcher Verachtung sich der britische Name dank der Ver¬ waltung des Lord Grey und der Tätigkeit von Sir Harry Smith zu erfreuen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/248>, abgerufen am 12.12.2024.