Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Zur Vorgeschichte des Lurenkrieges Als dann die natürlich frech gewordnen Kaffern auf einem Raubzug eine Die nächste Mailpost bestätigte die Kunde, daß die englische Regierung nicht Zur Vorgeschichte des Lurenkrieges Als dann die natürlich frech gewordnen Kaffern auf einem Raubzug eine Die nächste Mailpost bestätigte die Kunde, daß die englische Regierung nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302949"/> <fw type="header" place="top"> Zur Vorgeschichte des Lurenkrieges</fw><lb/> <p xml:id="ID_1022" prev="#ID_1021"> Als dann die natürlich frech gewordnen Kaffern auf einem Raubzug eine<lb/> Anzahl Farmer umgebracht und viel Eigentum zerstört hatten, und der Gou¬<lb/> verneur Sir Benjamin d'Urban den Buren geholfen hatte, die Unholde zu<lb/> vertreiben, da wurde er vom Staatssekretär — getadelt; dieser verfügte die<lb/> Abtretung eines Grenzgebiets an die Kaffern, wodurch die Grenzfarmer den<lb/> Eingebornen förmlich ausgeliefert wurden. Was die „Sklaverei" betrifft, so<lb/> sind nach Leyds Nachweisungen die Buren niemals grundsätzliche Anhänger<lb/> dieser Institution gewesen, sondern haben sich nur eben die Arbeiter, die sie<lb/> brauchten, aus die in ihrem Lande allein mögliche Weise verschafft. Es wird<lb/> ihnen bezeugt, daß sie ihre farbigen Knechte besser behandelt haben als die<lb/> Engländer, daß sie deren Kinder taufen ließen, wodurch diese von selbst frei<lb/> wurden, wie sie denn überhaupt das Wirken verstündiger Missionare unter¬<lb/> stützten, und daß ihr farbiges Gesinde nicht sehr zahlreich war. Im Jahre 1848<lb/> schrieb der Gouverneur Sir Harry Smith an Sir George Napier: „Ich freue<lb/> mich, sagen zu können, daß ich auf meiner Reise ^nach Natal^ bei den Aus¬<lb/> gewanderten weder Sklaven noch Sklavenhandel gesehen habe, deren Vor¬<lb/> handensein irrtümlich behauptet worden ist. Im Gegenteil, es gibt nur wenig<lb/> Bedienstete auf den Farmer, und sie wechseln bestündig, während die Söhne<lb/> alle Gesindedienste leisten." Der englische Geschichtschreiber Südafrikas,<lb/> Theal, meint, die Berichte der Gouverneure über die Angelegenheit könnten<lb/> in dem Satze zusammengefaßt werden, den Lord Somerset in einer Depesche<lb/> an den Earl Bathurst ausgesprochen habe: „Kein Teil des Gemeinwesens ist<lb/> besser daran, vielleicht glücklicher, als der Haussklave in Südafrika." Immerhin<lb/> blieb die plötzliche Abschaffung dieser Hörigkeit — für die Kolonien wurde<lb/> der 1. Dezember 1834 als Termin angesetzt — ein empfindlicher Eingriff und<lb/> ein Verlust für viele Farmer. Die Regierung bewilligte zwanzig Millionen Pfund<lb/> Entschädigung für sämtliche Kolonien, wovon die Kapbauern 1247401 Pfund be¬<lb/> kommen sollten, aber niemals bekommen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1023"> Die nächste Mailpost bestätigte die Kunde, daß die englische Regierung nicht<lb/> beabsichtigte, die Entschädigungsgelder nach Südafrika zu senden, sondern daß jeder<lb/> einzelne Anspruch vor Kommissären in London bewiesen und der daraufhin zuer¬<lb/> kannte Entschädigungsbetrag in dreieinhalbprozentigen Schuldscheinen ausbezahlt<lb/> werden sollte. Was dies für die Betroffnen bedeutete, kann man sich heute schwer<lb/> vorstellen. Damals war Kapland ein kleines, armes Gemeinwesen, und die plötzliche<lb/> Konfiskation von zwei Millionen Pfund Eigentum erzeugte unsägliches Elend. Ein<lb/> großer Teil der Sklaven war verpfändet, und die Höhe der auf diesen Pfändern<lb/> stehenden Summen überstieg bei weitem deu Wert des sonstigen Besitzes. Um die<lb/> Gläubiger bezahlen zu können, mußte man die gesamte Habe mit ungeheuerm<lb/> Verlust verkaufen. Infolgedessen kamen viele Familien, Witwen und Waisen, Alte<lb/> und Schwache, deren einziger Besitz Sklaven gewesen waren, an den Bettelstab.<lb/> Das zweite Unglück bestand darin, daß die Negierung, von den Missionaren falsch<lb/> berichtet, ihre Zustimmung zu einem Gesetze gegen Landstreicherei verweigerte.<lb/> Infolgedessen wurde die Kolonie von ehemaligen Sklaven überschwemmt, die überall<lb/> die Farmer plünderten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0247]
Zur Vorgeschichte des Lurenkrieges
Als dann die natürlich frech gewordnen Kaffern auf einem Raubzug eine
Anzahl Farmer umgebracht und viel Eigentum zerstört hatten, und der Gou¬
verneur Sir Benjamin d'Urban den Buren geholfen hatte, die Unholde zu
vertreiben, da wurde er vom Staatssekretär — getadelt; dieser verfügte die
Abtretung eines Grenzgebiets an die Kaffern, wodurch die Grenzfarmer den
Eingebornen förmlich ausgeliefert wurden. Was die „Sklaverei" betrifft, so
sind nach Leyds Nachweisungen die Buren niemals grundsätzliche Anhänger
dieser Institution gewesen, sondern haben sich nur eben die Arbeiter, die sie
brauchten, aus die in ihrem Lande allein mögliche Weise verschafft. Es wird
ihnen bezeugt, daß sie ihre farbigen Knechte besser behandelt haben als die
Engländer, daß sie deren Kinder taufen ließen, wodurch diese von selbst frei
wurden, wie sie denn überhaupt das Wirken verstündiger Missionare unter¬
stützten, und daß ihr farbiges Gesinde nicht sehr zahlreich war. Im Jahre 1848
schrieb der Gouverneur Sir Harry Smith an Sir George Napier: „Ich freue
mich, sagen zu können, daß ich auf meiner Reise ^nach Natal^ bei den Aus¬
gewanderten weder Sklaven noch Sklavenhandel gesehen habe, deren Vor¬
handensein irrtümlich behauptet worden ist. Im Gegenteil, es gibt nur wenig
Bedienstete auf den Farmer, und sie wechseln bestündig, während die Söhne
alle Gesindedienste leisten." Der englische Geschichtschreiber Südafrikas,
Theal, meint, die Berichte der Gouverneure über die Angelegenheit könnten
in dem Satze zusammengefaßt werden, den Lord Somerset in einer Depesche
an den Earl Bathurst ausgesprochen habe: „Kein Teil des Gemeinwesens ist
besser daran, vielleicht glücklicher, als der Haussklave in Südafrika." Immerhin
blieb die plötzliche Abschaffung dieser Hörigkeit — für die Kolonien wurde
der 1. Dezember 1834 als Termin angesetzt — ein empfindlicher Eingriff und
ein Verlust für viele Farmer. Die Regierung bewilligte zwanzig Millionen Pfund
Entschädigung für sämtliche Kolonien, wovon die Kapbauern 1247401 Pfund be¬
kommen sollten, aber niemals bekommen haben.
Die nächste Mailpost bestätigte die Kunde, daß die englische Regierung nicht
beabsichtigte, die Entschädigungsgelder nach Südafrika zu senden, sondern daß jeder
einzelne Anspruch vor Kommissären in London bewiesen und der daraufhin zuer¬
kannte Entschädigungsbetrag in dreieinhalbprozentigen Schuldscheinen ausbezahlt
werden sollte. Was dies für die Betroffnen bedeutete, kann man sich heute schwer
vorstellen. Damals war Kapland ein kleines, armes Gemeinwesen, und die plötzliche
Konfiskation von zwei Millionen Pfund Eigentum erzeugte unsägliches Elend. Ein
großer Teil der Sklaven war verpfändet, und die Höhe der auf diesen Pfändern
stehenden Summen überstieg bei weitem deu Wert des sonstigen Besitzes. Um die
Gläubiger bezahlen zu können, mußte man die gesamte Habe mit ungeheuerm
Verlust verkaufen. Infolgedessen kamen viele Familien, Witwen und Waisen, Alte
und Schwache, deren einziger Besitz Sklaven gewesen waren, an den Bettelstab.
Das zweite Unglück bestand darin, daß die Negierung, von den Missionaren falsch
berichtet, ihre Zustimmung zu einem Gesetze gegen Landstreicherei verweigerte.
Infolgedessen wurde die Kolonie von ehemaligen Sklaven überschwemmt, die überall
die Farmer plünderten.
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