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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Die evangelischen Deutschen im Auslande

die Erträge der für diesen Zweck in seinem Aufsichtsbezirk abgehaltnen Kollekten
angewiesen, die jährlich ungefähr 32000 Mark brachten.

Von jetzt ab werden jährlich ^ Prozent von 94085752 Mark (Steuerjahr
1905), also vorläufig 235214 Mark zur Erhöhung des Hilfsfonds bereit gestellt
werden. Diese Summe wird natürlich mit Zunahme der Staatseinkommensteuer
steigen. Der Mehrbetrag verteilt sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt:

Ostpreußen.............. 7644 Mark
Westpreußen.............. 5536 "
Brandenburg mit Berlin.......... 89 622 "
Pommern.............. 11194 "
Posen................ 4839 "
Schlesien............... 22961 "
Sachsen, einschließlich der Stolbergischen Grafschaften 30490 "
Westfalen............... 19756 "
Rheinland, einschließlich Hohenzollern . . . . . 43172 "
sind wie oben 235214 Mark

Die Erhöhung des Hilfsfonds, dessen Unanfschieblichkeit auch der General¬
synodalvorstand anerkannt hatte, zeugt von dem feinen Verständnis, das der
Evangelische Oberkirchenrat den kirchlichen Interessen der evangelischen Aus¬
landsdeutschen entgegenbringt, die fast alle in katholischer Umgebung und zum
großen Teile in katholisch-evangelischen Mischehen leben, wodurch sie selbst und
ihre Kinder der steigenden Gefahr ausgesetzt sind, in den Schoß der alleinselig¬
machenden Kirche hinübergezogen zu werden.

Welche ungeheuern Mittel die Jesuiten und andre ultramontane Orden im
Auslande und insbesondre in Amerika jährlich zur Ausbreitung ihrer Lehren aus¬
geben, ist jedem bekannt, der einige Jahre dort gelebt hat. Der Erfolg ist nicht
ganz so glänzend, wie man nach ihrer Bekehrungsstatistik annehmen könnte, denn
vielen Heiden ist das ultramontane Christentum nur oberflächlich angefirnist
worden, und in Amerika werden den heimischen Priestern so viele Konzessionen mit
Rücksicht auf die Landesgewohnheiten gemacht, daß eigentlich nur der äußere
Ritus derselbe bleibt. Der Papst hat begonnen, für das abtrünnige Frankreich und
den dadurch gefährdeten Petcrspfennig einen Ersatz in Amerika zu suchen und
schon bei Brasilien, Argentinien und Chile Nuntien, bei einigen andern Re¬
publiken Jnternuntien beglaubigt, die mit allen möglichen machiavellistischen
Künsten, vor allem mit dem dort fast nie versagenden Mittel gröbster
Schmeichelei einen stetig wachsenden Einfluß auf die Regierungen und auf das
Volksleben erlangen. In den Vereinigten Staaten hat der Papst zwar noch
kemen offiziell anerkannten diplomatischen Vertreter, sondern nur einen offiziösen
Legaten, aber wie sehr auch dort der Einfluß des Ultramontanismus im
Steigen begriffen ist, beweist die Tatsache, daß Roosevelts letzte Wahl zum
Präsidenten hauptsächlich deshalb so glänzend war, weil zahlreiche katholische
Stimmen für ihn abgegeben wurden.

Welchen schweren Kampf die evangelischen Deutschen in vielen ameri¬
kanischen Ländern mit den ultramontanen Orden zu kämpfen haben, ergibt sich
aus den Berichten über die Gemeindeschulen. Die Ordensschulen erheben kein


Die evangelischen Deutschen im Auslande

die Erträge der für diesen Zweck in seinem Aufsichtsbezirk abgehaltnen Kollekten
angewiesen, die jährlich ungefähr 32000 Mark brachten.

Von jetzt ab werden jährlich ^ Prozent von 94085752 Mark (Steuerjahr
1905), also vorläufig 235214 Mark zur Erhöhung des Hilfsfonds bereit gestellt
werden. Diese Summe wird natürlich mit Zunahme der Staatseinkommensteuer
steigen. Der Mehrbetrag verteilt sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt:

Ostpreußen.............. 7644 Mark
Westpreußen.............. 5536 „
Brandenburg mit Berlin.......... 89 622 „
Pommern.............. 11194 „
Posen................ 4839 „
Schlesien............... 22961 „
Sachsen, einschließlich der Stolbergischen Grafschaften 30490 „
Westfalen............... 19756 „
Rheinland, einschließlich Hohenzollern . . . . . 43172 „
sind wie oben 235214 Mark

Die Erhöhung des Hilfsfonds, dessen Unanfschieblichkeit auch der General¬
synodalvorstand anerkannt hatte, zeugt von dem feinen Verständnis, das der
Evangelische Oberkirchenrat den kirchlichen Interessen der evangelischen Aus¬
landsdeutschen entgegenbringt, die fast alle in katholischer Umgebung und zum
großen Teile in katholisch-evangelischen Mischehen leben, wodurch sie selbst und
ihre Kinder der steigenden Gefahr ausgesetzt sind, in den Schoß der alleinselig¬
machenden Kirche hinübergezogen zu werden.

Welche ungeheuern Mittel die Jesuiten und andre ultramontane Orden im
Auslande und insbesondre in Amerika jährlich zur Ausbreitung ihrer Lehren aus¬
geben, ist jedem bekannt, der einige Jahre dort gelebt hat. Der Erfolg ist nicht
ganz so glänzend, wie man nach ihrer Bekehrungsstatistik annehmen könnte, denn
vielen Heiden ist das ultramontane Christentum nur oberflächlich angefirnist
worden, und in Amerika werden den heimischen Priestern so viele Konzessionen mit
Rücksicht auf die Landesgewohnheiten gemacht, daß eigentlich nur der äußere
Ritus derselbe bleibt. Der Papst hat begonnen, für das abtrünnige Frankreich und
den dadurch gefährdeten Petcrspfennig einen Ersatz in Amerika zu suchen und
schon bei Brasilien, Argentinien und Chile Nuntien, bei einigen andern Re¬
publiken Jnternuntien beglaubigt, die mit allen möglichen machiavellistischen
Künsten, vor allem mit dem dort fast nie versagenden Mittel gröbster
Schmeichelei einen stetig wachsenden Einfluß auf die Regierungen und auf das
Volksleben erlangen. In den Vereinigten Staaten hat der Papst zwar noch
kemen offiziell anerkannten diplomatischen Vertreter, sondern nur einen offiziösen
Legaten, aber wie sehr auch dort der Einfluß des Ultramontanismus im
Steigen begriffen ist, beweist die Tatsache, daß Roosevelts letzte Wahl zum
Präsidenten hauptsächlich deshalb so glänzend war, weil zahlreiche katholische
Stimmen für ihn abgegeben wurden.

Welchen schweren Kampf die evangelischen Deutschen in vielen ameri¬
kanischen Ländern mit den ultramontanen Orden zu kämpfen haben, ergibt sich
aus den Berichten über die Gemeindeschulen. Die Ordensschulen erheben kein


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[0171] Die evangelischen Deutschen im Auslande die Erträge der für diesen Zweck in seinem Aufsichtsbezirk abgehaltnen Kollekten angewiesen, die jährlich ungefähr 32000 Mark brachten. Von jetzt ab werden jährlich ^ Prozent von 94085752 Mark (Steuerjahr 1905), also vorläufig 235214 Mark zur Erhöhung des Hilfsfonds bereit gestellt werden. Diese Summe wird natürlich mit Zunahme der Staatseinkommensteuer steigen. Der Mehrbetrag verteilt sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt: Ostpreußen.............. 7644 Mark Westpreußen.............. 5536 „ Brandenburg mit Berlin.......... 89 622 „ Pommern.............. 11194 „ Posen................ 4839 „ Schlesien............... 22961 „ Sachsen, einschließlich der Stolbergischen Grafschaften 30490 „ Westfalen............... 19756 „ Rheinland, einschließlich Hohenzollern . . . . . 43172 „ sind wie oben 235214 Mark Die Erhöhung des Hilfsfonds, dessen Unanfschieblichkeit auch der General¬ synodalvorstand anerkannt hatte, zeugt von dem feinen Verständnis, das der Evangelische Oberkirchenrat den kirchlichen Interessen der evangelischen Aus¬ landsdeutschen entgegenbringt, die fast alle in katholischer Umgebung und zum großen Teile in katholisch-evangelischen Mischehen leben, wodurch sie selbst und ihre Kinder der steigenden Gefahr ausgesetzt sind, in den Schoß der alleinselig¬ machenden Kirche hinübergezogen zu werden. Welche ungeheuern Mittel die Jesuiten und andre ultramontane Orden im Auslande und insbesondre in Amerika jährlich zur Ausbreitung ihrer Lehren aus¬ geben, ist jedem bekannt, der einige Jahre dort gelebt hat. Der Erfolg ist nicht ganz so glänzend, wie man nach ihrer Bekehrungsstatistik annehmen könnte, denn vielen Heiden ist das ultramontane Christentum nur oberflächlich angefirnist worden, und in Amerika werden den heimischen Priestern so viele Konzessionen mit Rücksicht auf die Landesgewohnheiten gemacht, daß eigentlich nur der äußere Ritus derselbe bleibt. Der Papst hat begonnen, für das abtrünnige Frankreich und den dadurch gefährdeten Petcrspfennig einen Ersatz in Amerika zu suchen und schon bei Brasilien, Argentinien und Chile Nuntien, bei einigen andern Re¬ publiken Jnternuntien beglaubigt, die mit allen möglichen machiavellistischen Künsten, vor allem mit dem dort fast nie versagenden Mittel gröbster Schmeichelei einen stetig wachsenden Einfluß auf die Regierungen und auf das Volksleben erlangen. In den Vereinigten Staaten hat der Papst zwar noch kemen offiziell anerkannten diplomatischen Vertreter, sondern nur einen offiziösen Legaten, aber wie sehr auch dort der Einfluß des Ultramontanismus im Steigen begriffen ist, beweist die Tatsache, daß Roosevelts letzte Wahl zum Präsidenten hauptsächlich deshalb so glänzend war, weil zahlreiche katholische Stimmen für ihn abgegeben wurden. Welchen schweren Kampf die evangelischen Deutschen in vielen ameri¬ kanischen Ländern mit den ultramontanen Orden zu kämpfen haben, ergibt sich aus den Berichten über die Gemeindeschulen. Die Ordensschulen erheben kein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/171>, abgerufen am 01.09.2024.