Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.Frankreichs Allianzversuche ^368 bis ^370 gebracht, vieles noch im Zweifel gelassen haben. Die Urkunden selbst waren in Was von französischer Seite kam, verriet fast durchweg die Absicht, das Aber auch in der deutschen Wissenschaft, die sich ohne Nebenrücksichten um Grenzboten Ill 1907 2
Frankreichs Allianzversuche ^368 bis ^370 gebracht, vieles noch im Zweifel gelassen haben. Die Urkunden selbst waren in Was von französischer Seite kam, verriet fast durchweg die Absicht, das Aber auch in der deutschen Wissenschaft, die sich ohne Nebenrücksichten um Grenzboten Ill 1907 2
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302719"/> <fw type="header" place="top"> Frankreichs Allianzversuche ^368 bis ^370</fw><lb/> <p xml:id="ID_38" prev="#ID_37"> gebracht, vieles noch im Zweifel gelassen haben. Die Urkunden selbst waren in<lb/> einer diplomatischen Sprache abgefaßt, die das letzte Wort zurückhielt, be¬<lb/> stimmten Verpflichtungen auswich, immer uoch einen Ausweg offen ließ. So<lb/> konnten sie verschieden ausgelegt werden, sie dienten eher dazu, den Streit an¬<lb/> zufachen, als ihn zu entscheiden, sie wurden der Ausgangspunkt für wider¬<lb/> sprechende Auffassungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_39"> Was von französischer Seite kam, verriet fast durchweg die Absicht, das<lb/> Allimizwerk als nahezu fertig, so gut wie abgeschlossen darzustellen. Damit<lb/> konnte man entweder die kaiserliche Regierung entlasten, die in gutem Glauben<lb/> war und darauf vertrauen konnte, im Kriege nicht allein gelassen zu werden.<lb/> Es konnte aber ebensogut zu Angriffen auf Napoleon und seine Räte benützt<lb/> werden: diese brauchten nur mit beiden Händen nach den Allianzen zu greifen, die<lb/> sich ihnen willig darboten, sie trugen selbst die Schuld, wenn die Bundesgenossen<lb/> versagten, sie selbst stießen in ihrer Verblendung die ihnen entgegengebrachte<lb/> Hilfe zurück. Beide Teile suchten aus den Akten heraus, was sie für ihre<lb/> Zwecke brauchen konnten. Sowohl die Anhänger als die Gegner des Kaiser¬<lb/> reichs hatten somit ein Interesse daran, den Abschluß der Bündnisse als mög¬<lb/> lichst gesichert darzustellen. Umgekehrt waren die Österreicher bemüht, nach dem<lb/> Ausgang des Krieges ihre Hände in Unschuld zu waschen und den Nachweis<lb/> zu führen, daß sie niemals dem Kaiser Hoffnung zu einer wirksamen Kriegs¬<lb/> hilfe gemacht hätten, ihm vielmehr alle Illusion zu benehmen, ihn vom Kriege<lb/> zurückzuhalten beflissen gewesen seien. Am schweigsamsten waren die Italiener.<lb/> Sie hielten es für das klügste, was vergangen war, vergangen sein zu lassen,<lb/> und was sie wußten, für sich zu behalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_40" next="#ID_41"> Aber auch in der deutschen Wissenschaft, die sich ohne Nebenrücksichten um<lb/> die Erforschung der Wahrheit bemüht, stehn sich die Ansichten schroff gegenüber.<lb/> Shbel ist in der „Begründung des Deutschen Reiches" (1894) bei der Erzählung<lb/> dieser Vorgänge wesentlich den bis jetzt uur handschriftlich vorhandnen Denk¬<lb/> würdigkeiten des österreichischen Diplomaten Grafen Vitzthum gefolgt, der als<lb/> Intimus des Grafen Veust einer der Hauptbeteiligten bei den geheimen Ver¬<lb/> handlungen war. Auf Grund dieser Autorität kam er zu dem Ergebnis, daß<lb/> vor dein Kriege wohl freundschaftliche Besprechungen zwischen den drei Mächten<lb/> stattgefunden haben, und daß die Zusicherung gemeinsamen diplomatischen Vor-<lb/> gehns ausgetauscht worden sei, daß aber die Gesinnung aller Mächte eine durch¬<lb/> aus friedliche gewesen sei, und daß auch die Reise des Erzherzogs Albrecht nach<lb/> Paris im Frühjahr 1870 bloß die Möglichkeit eines irgend einmal denkbaren<lb/> Krieges im Auge gehabt habe, ohne daß irgendeine offensive Absicht dabei im<lb/> Spiele war. Erst die spanische Thronfrage habe plötzlich den Krieg herbei¬<lb/> geführt, aber auch nach dem Kriegsausbruch habe Reuse seine Friedenspolitik<lb/> fortgesetzt und, austatt dem Kaiser zu Hilfe zu komme», einen Neutrnlitntsbund mit<lb/> Italien abgeschlossen, wodurch auch dieses vom Eintritt in den Krieg abgehalten<lb/> wurde. Wenn Grcunont behauptete, Frankreich sei nach den Verabredungen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten Ill 1907 2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Frankreichs Allianzversuche ^368 bis ^370
gebracht, vieles noch im Zweifel gelassen haben. Die Urkunden selbst waren in
einer diplomatischen Sprache abgefaßt, die das letzte Wort zurückhielt, be¬
stimmten Verpflichtungen auswich, immer uoch einen Ausweg offen ließ. So
konnten sie verschieden ausgelegt werden, sie dienten eher dazu, den Streit an¬
zufachen, als ihn zu entscheiden, sie wurden der Ausgangspunkt für wider¬
sprechende Auffassungen.
Was von französischer Seite kam, verriet fast durchweg die Absicht, das
Allimizwerk als nahezu fertig, so gut wie abgeschlossen darzustellen. Damit
konnte man entweder die kaiserliche Regierung entlasten, die in gutem Glauben
war und darauf vertrauen konnte, im Kriege nicht allein gelassen zu werden.
Es konnte aber ebensogut zu Angriffen auf Napoleon und seine Räte benützt
werden: diese brauchten nur mit beiden Händen nach den Allianzen zu greifen, die
sich ihnen willig darboten, sie trugen selbst die Schuld, wenn die Bundesgenossen
versagten, sie selbst stießen in ihrer Verblendung die ihnen entgegengebrachte
Hilfe zurück. Beide Teile suchten aus den Akten heraus, was sie für ihre
Zwecke brauchen konnten. Sowohl die Anhänger als die Gegner des Kaiser¬
reichs hatten somit ein Interesse daran, den Abschluß der Bündnisse als mög¬
lichst gesichert darzustellen. Umgekehrt waren die Österreicher bemüht, nach dem
Ausgang des Krieges ihre Hände in Unschuld zu waschen und den Nachweis
zu führen, daß sie niemals dem Kaiser Hoffnung zu einer wirksamen Kriegs¬
hilfe gemacht hätten, ihm vielmehr alle Illusion zu benehmen, ihn vom Kriege
zurückzuhalten beflissen gewesen seien. Am schweigsamsten waren die Italiener.
Sie hielten es für das klügste, was vergangen war, vergangen sein zu lassen,
und was sie wußten, für sich zu behalten.
Aber auch in der deutschen Wissenschaft, die sich ohne Nebenrücksichten um
die Erforschung der Wahrheit bemüht, stehn sich die Ansichten schroff gegenüber.
Shbel ist in der „Begründung des Deutschen Reiches" (1894) bei der Erzählung
dieser Vorgänge wesentlich den bis jetzt uur handschriftlich vorhandnen Denk¬
würdigkeiten des österreichischen Diplomaten Grafen Vitzthum gefolgt, der als
Intimus des Grafen Veust einer der Hauptbeteiligten bei den geheimen Ver¬
handlungen war. Auf Grund dieser Autorität kam er zu dem Ergebnis, daß
vor dein Kriege wohl freundschaftliche Besprechungen zwischen den drei Mächten
stattgefunden haben, und daß die Zusicherung gemeinsamen diplomatischen Vor-
gehns ausgetauscht worden sei, daß aber die Gesinnung aller Mächte eine durch¬
aus friedliche gewesen sei, und daß auch die Reise des Erzherzogs Albrecht nach
Paris im Frühjahr 1870 bloß die Möglichkeit eines irgend einmal denkbaren
Krieges im Auge gehabt habe, ohne daß irgendeine offensive Absicht dabei im
Spiele war. Erst die spanische Thronfrage habe plötzlich den Krieg herbei¬
geführt, aber auch nach dem Kriegsausbruch habe Reuse seine Friedenspolitik
fortgesetzt und, austatt dem Kaiser zu Hilfe zu komme», einen Neutrnlitntsbund mit
Italien abgeschlossen, wodurch auch dieses vom Eintritt in den Krieg abgehalten
wurde. Wenn Grcunont behauptete, Frankreich sei nach den Verabredungen
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