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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Naturwissenschaft und Theismus

Darstellung des Schönen, des Erhabnen und alles dessen erscheinen, was sich
an unsre geistliche Natur wendet." In seinen letzten Lebensjahren hat Romanes
einige seiner theoretischen Bedenken gegen das Christentum aufgegeben und sich
mit ihm wieder ausgesöhnt.

Sir Alfred Rüssel Wallace. der bekannte Freund Darwins, der die
Grundgedanken ihrer beiderseitigen Theorie schon vor Darwin in einer Ab¬
handlung dargelegt hat, ist, wie die gelehrte Welt zu ihrer Überraschung vor
drei Jahren erfahren hat, Vertreter nicht zwar der geozentrischen aber der
anthropozentrischen Weltansicht. Er begründet sie in dem 1904 veröffentlichten
Buche: Des Menschen Stellung im Weltall (deutsch von F. Heinemann,
Berlin, Vitaverlag). In seiner Untersuchung der Zahl, Natur und Stellung
der Gestirne und der Bedingungen für die Existenz organischer Wesen gelangt
er zu folgenden Ergebnissen. "Alle diese Beweisketten laufen in dem Hinweis
auf die Wahrscheinlichkeit zusammen, daß unsre Erde der einzige bewohnte
Planet unsers Sonnensystems ist; ferner ist aber auch die Vorstellung weder
unfaßbar noch auch nur unwahrscheinlich, daß zur Hervorbringung einer Welt,
die zur Entwicklung organischen Lebens und besonders des Menschen geeignet
sein sollte, ein ungeheures und kompliziertes Universum unbedingt notwendig
war." Die Beweise werden in folgenden Sätzen kurz zusammengefaßt: "1. Das
ungeheure gestirnte Weltall bildet eine große Einheit. Bei aller wundervollen
Mannigfaltigkeit in Anordnung und Verteilung der Sterne und Nebel zeigt es
eine großartige Symmetrie, die auf ein einziges, zusammengehörige Teile um¬
fassendes System hinweist. 2. Diese Ansicht wird durch Erscheinungen unter¬
stützt, die darauf deuten, daß die Zahl der Sterne eine endliche ist. 3. Wir
befinden uns mit unserm Sonnensystem nahezu im Zentrum und in der
mittlern Ebene des Milchstraßenringes. Sowohl die Materie des Weltalls
wie auch seine physikalischen und chemischen Gesetze zeigen eine nahezu voll-
kommne Gleichförmigkeit. Diese Tatsache macht es zur Gewißheit, daß überall
dort, wo organisches Leben besteht oder sich entwickeln soll, sehr ähnliche, wenn
nicht gleiche Vorbedingungen herrschen müssen joie auf unsrer Erde). 5. Die
Myriaden von Lebensformen verlangen, um bestehn zu können, sehr verwickelte,
zarte Bedingungen. 6. Zu den absolut unentbehrlichen Bedingungen gehören:
Sonnenlicht und Wärme, das auf der Erde und in der Luft gleichmäßig ver¬
teilte Wasser, genügende Dichtheit und geeignete Zusammensetzung der Atmosphäre,
der Wechsel von Licht und Dunkelheit jdieser fehlt z. B. auf dem Planeten
Venus). 7. Auf der Erde sind diese Bedingungen in sehr verwickeltem Gefüge
und genauer Abmessung vorhanden, und zwar so, daß sie fast unverändert
während der gewaltigen Zeiträume bestehn blieben, die zur Entwicklung des
Lebens nötig waren. Diese Bedingungen sind so mannigfaltig und hängen
Von so ausnahmsweisen physikalischen Verhältnissen ab, daß es höchst unwahr¬
scheinlich ist, daß sie alle zusammen noch einmal im Weltall vorkommen sollten.
Diese Vorbedingungen sind: a) Eine gewisse Entfernung des Planeten von der


Naturwissenschaft und Theismus

Darstellung des Schönen, des Erhabnen und alles dessen erscheinen, was sich
an unsre geistliche Natur wendet." In seinen letzten Lebensjahren hat Romanes
einige seiner theoretischen Bedenken gegen das Christentum aufgegeben und sich
mit ihm wieder ausgesöhnt.

Sir Alfred Rüssel Wallace. der bekannte Freund Darwins, der die
Grundgedanken ihrer beiderseitigen Theorie schon vor Darwin in einer Ab¬
handlung dargelegt hat, ist, wie die gelehrte Welt zu ihrer Überraschung vor
drei Jahren erfahren hat, Vertreter nicht zwar der geozentrischen aber der
anthropozentrischen Weltansicht. Er begründet sie in dem 1904 veröffentlichten
Buche: Des Menschen Stellung im Weltall (deutsch von F. Heinemann,
Berlin, Vitaverlag). In seiner Untersuchung der Zahl, Natur und Stellung
der Gestirne und der Bedingungen für die Existenz organischer Wesen gelangt
er zu folgenden Ergebnissen. „Alle diese Beweisketten laufen in dem Hinweis
auf die Wahrscheinlichkeit zusammen, daß unsre Erde der einzige bewohnte
Planet unsers Sonnensystems ist; ferner ist aber auch die Vorstellung weder
unfaßbar noch auch nur unwahrscheinlich, daß zur Hervorbringung einer Welt,
die zur Entwicklung organischen Lebens und besonders des Menschen geeignet
sein sollte, ein ungeheures und kompliziertes Universum unbedingt notwendig
war." Die Beweise werden in folgenden Sätzen kurz zusammengefaßt: „1. Das
ungeheure gestirnte Weltall bildet eine große Einheit. Bei aller wundervollen
Mannigfaltigkeit in Anordnung und Verteilung der Sterne und Nebel zeigt es
eine großartige Symmetrie, die auf ein einziges, zusammengehörige Teile um¬
fassendes System hinweist. 2. Diese Ansicht wird durch Erscheinungen unter¬
stützt, die darauf deuten, daß die Zahl der Sterne eine endliche ist. 3. Wir
befinden uns mit unserm Sonnensystem nahezu im Zentrum und in der
mittlern Ebene des Milchstraßenringes. Sowohl die Materie des Weltalls
wie auch seine physikalischen und chemischen Gesetze zeigen eine nahezu voll-
kommne Gleichförmigkeit. Diese Tatsache macht es zur Gewißheit, daß überall
dort, wo organisches Leben besteht oder sich entwickeln soll, sehr ähnliche, wenn
nicht gleiche Vorbedingungen herrschen müssen joie auf unsrer Erde). 5. Die
Myriaden von Lebensformen verlangen, um bestehn zu können, sehr verwickelte,
zarte Bedingungen. 6. Zu den absolut unentbehrlichen Bedingungen gehören:
Sonnenlicht und Wärme, das auf der Erde und in der Luft gleichmäßig ver¬
teilte Wasser, genügende Dichtheit und geeignete Zusammensetzung der Atmosphäre,
der Wechsel von Licht und Dunkelheit jdieser fehlt z. B. auf dem Planeten
Venus). 7. Auf der Erde sind diese Bedingungen in sehr verwickeltem Gefüge
und genauer Abmessung vorhanden, und zwar so, daß sie fast unverändert
während der gewaltigen Zeiträume bestehn blieben, die zur Entwicklung des
Lebens nötig waren. Diese Bedingungen sind so mannigfaltig und hängen
Von so ausnahmsweisen physikalischen Verhältnissen ab, daß es höchst unwahr¬
scheinlich ist, daß sie alle zusammen noch einmal im Weltall vorkommen sollten.
Diese Vorbedingungen sind: a) Eine gewisse Entfernung des Planeten von der


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[0133] Naturwissenschaft und Theismus Darstellung des Schönen, des Erhabnen und alles dessen erscheinen, was sich an unsre geistliche Natur wendet." In seinen letzten Lebensjahren hat Romanes einige seiner theoretischen Bedenken gegen das Christentum aufgegeben und sich mit ihm wieder ausgesöhnt. Sir Alfred Rüssel Wallace. der bekannte Freund Darwins, der die Grundgedanken ihrer beiderseitigen Theorie schon vor Darwin in einer Ab¬ handlung dargelegt hat, ist, wie die gelehrte Welt zu ihrer Überraschung vor drei Jahren erfahren hat, Vertreter nicht zwar der geozentrischen aber der anthropozentrischen Weltansicht. Er begründet sie in dem 1904 veröffentlichten Buche: Des Menschen Stellung im Weltall (deutsch von F. Heinemann, Berlin, Vitaverlag). In seiner Untersuchung der Zahl, Natur und Stellung der Gestirne und der Bedingungen für die Existenz organischer Wesen gelangt er zu folgenden Ergebnissen. „Alle diese Beweisketten laufen in dem Hinweis auf die Wahrscheinlichkeit zusammen, daß unsre Erde der einzige bewohnte Planet unsers Sonnensystems ist; ferner ist aber auch die Vorstellung weder unfaßbar noch auch nur unwahrscheinlich, daß zur Hervorbringung einer Welt, die zur Entwicklung organischen Lebens und besonders des Menschen geeignet sein sollte, ein ungeheures und kompliziertes Universum unbedingt notwendig war." Die Beweise werden in folgenden Sätzen kurz zusammengefaßt: „1. Das ungeheure gestirnte Weltall bildet eine große Einheit. Bei aller wundervollen Mannigfaltigkeit in Anordnung und Verteilung der Sterne und Nebel zeigt es eine großartige Symmetrie, die auf ein einziges, zusammengehörige Teile um¬ fassendes System hinweist. 2. Diese Ansicht wird durch Erscheinungen unter¬ stützt, die darauf deuten, daß die Zahl der Sterne eine endliche ist. 3. Wir befinden uns mit unserm Sonnensystem nahezu im Zentrum und in der mittlern Ebene des Milchstraßenringes. Sowohl die Materie des Weltalls wie auch seine physikalischen und chemischen Gesetze zeigen eine nahezu voll- kommne Gleichförmigkeit. Diese Tatsache macht es zur Gewißheit, daß überall dort, wo organisches Leben besteht oder sich entwickeln soll, sehr ähnliche, wenn nicht gleiche Vorbedingungen herrschen müssen joie auf unsrer Erde). 5. Die Myriaden von Lebensformen verlangen, um bestehn zu können, sehr verwickelte, zarte Bedingungen. 6. Zu den absolut unentbehrlichen Bedingungen gehören: Sonnenlicht und Wärme, das auf der Erde und in der Luft gleichmäßig ver¬ teilte Wasser, genügende Dichtheit und geeignete Zusammensetzung der Atmosphäre, der Wechsel von Licht und Dunkelheit jdieser fehlt z. B. auf dem Planeten Venus). 7. Auf der Erde sind diese Bedingungen in sehr verwickeltem Gefüge und genauer Abmessung vorhanden, und zwar so, daß sie fast unverändert während der gewaltigen Zeiträume bestehn blieben, die zur Entwicklung des Lebens nötig waren. Diese Bedingungen sind so mannigfaltig und hängen Von so ausnahmsweisen physikalischen Verhältnissen ab, daß es höchst unwahr¬ scheinlich ist, daß sie alle zusammen noch einmal im Weltall vorkommen sollten. Diese Vorbedingungen sind: a) Eine gewisse Entfernung des Planeten von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/133>, abgerufen am 12.12.2024.