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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Hilfswissenschaften der Volkswirtschaftslehre

Umstandest daß Besitz und Bildung zu erhöhter Verantwortlichkeit vor dein
Gesetz führen.

Die Überzeugung davon, daß gleiches Recht gesprochen werde für Arm
lind Reich, Hoch und Gering, darf unserm Volke nun und nimmer verloren
gehn. Es ist Gott sei Dank so, aber das Volk muß auch wissen, daß es so
Gustav Janet ist, sonst bleibt alles übrige soziale Wirken vergebens.




Die Hilfswissenschaften der Volkswirtschaftslehre
Dr. M-, Bernhard Hecke von

le Grenzboten haben wiederholt die Frage der Vorbildung der
Juristen, besonders der Verwaltungsbeamten erörtert^) und immer
betont, daß die Staatswissenschaften mehr berücksichtigt werden
müßten, daß man eingehende Kenntnis des wirtschaftlichen Lebens
fordern müsse. Die Bestimmungen für die juristischen Prüfungen
enthalten zwar auch die Vorschrift, daß ein gewisses Maß staatswissenschaftlicher
Kenntnisse nachgewiesen werden solle. Was aber helfen solche Bestimmungen,
wenn es an Interesse fehlt? Volkswirtschaft liege zu fern, sei zu theoretisch
oder gar trocken, so lautet das Urteil manches Studierenden. Ohne Volks¬
wirtschaftslehre aber ist ein Eindringen in die Rechtswissenschaft nicht möglich,
und Volkswirtschaftslehre kann nicht Leben gewinnen ohne ihre Hilfswissen¬
schaften. Zu den Hilfswissenschaften gehören unter andern: Landwirtschaftslehre,
Technologie der Industrien und der Gewerbe. Die Vorlesungsverzeichnisse der
meisten Universitäten führen unter andern: folgende Gebiete an: Ackerbaulehre,
Obstbau, Forstwirtschaft, Maschinenlehre, Exkursionen nach Fabriken, Technologie.
Nimmt nun ein Jurist das Studium der Staatswissenschaften ernst, nimmt er
alles wahr, was ihn: die Universität bietet, so stellen sich gar bald strenge
Kritiker ein: er sei charakterlos, zersplittere seine Kräfte, solle doch lieber bei
dem Rechtsstudium bleiben. Solche Kritik kann natürlich auf die jüngern
Studenten nicht ermutigend wirken. Wohl jeder Dozent der Volkswirtschaft
wird seinen Hörern vortragen, daß als Hilfswissenschaften der Nationalökonomie
technische Fächer in Betracht kommen, ja daß sie unentbehrlich sind. Auch alle Lehr¬
bücher der Volkswirtschaft enthalten diesen Hinweis. Carl Jentsch sagt darüber sehr
richtig in der soeben erschienenen neuen Auflage seiner Grundbegriffe und Grund-
züge der Volkswirtschaft'"-)- "Soll die Wirtschaft eines Volkes dargestellt werden,
so müssen zunächst alle seine Prodnktions- und Erwerbszweige durchgenommen
werden: Land-und Forstwirtschaft, Bergbau, Gewerbe, Großindustrie, Handel.
Und spielen die Millionen, die die heutigen französischen Maler durch den
Verkauf ihrer Bilder nach Amerika lösen, nicht auch eine Rolle im französischen




Jahrgang 1903, Ur. 4 und S. Jahrgang 1904, Ur. 50 und 51.
Leipzig, Fr. Wilh. Grunom, 1906. Seite 12.
Grenzboten II 1907 9
Die Hilfswissenschaften der Volkswirtschaftslehre

Umstandest daß Besitz und Bildung zu erhöhter Verantwortlichkeit vor dein
Gesetz führen.

Die Überzeugung davon, daß gleiches Recht gesprochen werde für Arm
lind Reich, Hoch und Gering, darf unserm Volke nun und nimmer verloren
gehn. Es ist Gott sei Dank so, aber das Volk muß auch wissen, daß es so
Gustav Janet ist, sonst bleibt alles übrige soziale Wirken vergebens.




Die Hilfswissenschaften der Volkswirtschaftslehre
Dr. M-, Bernhard Hecke von

le Grenzboten haben wiederholt die Frage der Vorbildung der
Juristen, besonders der Verwaltungsbeamten erörtert^) und immer
betont, daß die Staatswissenschaften mehr berücksichtigt werden
müßten, daß man eingehende Kenntnis des wirtschaftlichen Lebens
fordern müsse. Die Bestimmungen für die juristischen Prüfungen
enthalten zwar auch die Vorschrift, daß ein gewisses Maß staatswissenschaftlicher
Kenntnisse nachgewiesen werden solle. Was aber helfen solche Bestimmungen,
wenn es an Interesse fehlt? Volkswirtschaft liege zu fern, sei zu theoretisch
oder gar trocken, so lautet das Urteil manches Studierenden. Ohne Volks¬
wirtschaftslehre aber ist ein Eindringen in die Rechtswissenschaft nicht möglich,
und Volkswirtschaftslehre kann nicht Leben gewinnen ohne ihre Hilfswissen¬
schaften. Zu den Hilfswissenschaften gehören unter andern: Landwirtschaftslehre,
Technologie der Industrien und der Gewerbe. Die Vorlesungsverzeichnisse der
meisten Universitäten führen unter andern: folgende Gebiete an: Ackerbaulehre,
Obstbau, Forstwirtschaft, Maschinenlehre, Exkursionen nach Fabriken, Technologie.
Nimmt nun ein Jurist das Studium der Staatswissenschaften ernst, nimmt er
alles wahr, was ihn: die Universität bietet, so stellen sich gar bald strenge
Kritiker ein: er sei charakterlos, zersplittere seine Kräfte, solle doch lieber bei
dem Rechtsstudium bleiben. Solche Kritik kann natürlich auf die jüngern
Studenten nicht ermutigend wirken. Wohl jeder Dozent der Volkswirtschaft
wird seinen Hörern vortragen, daß als Hilfswissenschaften der Nationalökonomie
technische Fächer in Betracht kommen, ja daß sie unentbehrlich sind. Auch alle Lehr¬
bücher der Volkswirtschaft enthalten diesen Hinweis. Carl Jentsch sagt darüber sehr
richtig in der soeben erschienenen neuen Auflage seiner Grundbegriffe und Grund-
züge der Volkswirtschaft'"-)- „Soll die Wirtschaft eines Volkes dargestellt werden,
so müssen zunächst alle seine Prodnktions- und Erwerbszweige durchgenommen
werden: Land-und Forstwirtschaft, Bergbau, Gewerbe, Großindustrie, Handel.
Und spielen die Millionen, die die heutigen französischen Maler durch den
Verkauf ihrer Bilder nach Amerika lösen, nicht auch eine Rolle im französischen




Jahrgang 1903, Ur. 4 und S. Jahrgang 1904, Ur. 50 und 51.
Leipzig, Fr. Wilh. Grunom, 1906. Seite 12.
Grenzboten II 1907 9
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[0073] Die Hilfswissenschaften der Volkswirtschaftslehre Umstandest daß Besitz und Bildung zu erhöhter Verantwortlichkeit vor dein Gesetz führen. Die Überzeugung davon, daß gleiches Recht gesprochen werde für Arm lind Reich, Hoch und Gering, darf unserm Volke nun und nimmer verloren gehn. Es ist Gott sei Dank so, aber das Volk muß auch wissen, daß es so Gustav Janet ist, sonst bleibt alles übrige soziale Wirken vergebens. Die Hilfswissenschaften der Volkswirtschaftslehre Dr. M-, Bernhard Hecke von le Grenzboten haben wiederholt die Frage der Vorbildung der Juristen, besonders der Verwaltungsbeamten erörtert^) und immer betont, daß die Staatswissenschaften mehr berücksichtigt werden müßten, daß man eingehende Kenntnis des wirtschaftlichen Lebens fordern müsse. Die Bestimmungen für die juristischen Prüfungen enthalten zwar auch die Vorschrift, daß ein gewisses Maß staatswissenschaftlicher Kenntnisse nachgewiesen werden solle. Was aber helfen solche Bestimmungen, wenn es an Interesse fehlt? Volkswirtschaft liege zu fern, sei zu theoretisch oder gar trocken, so lautet das Urteil manches Studierenden. Ohne Volks¬ wirtschaftslehre aber ist ein Eindringen in die Rechtswissenschaft nicht möglich, und Volkswirtschaftslehre kann nicht Leben gewinnen ohne ihre Hilfswissen¬ schaften. Zu den Hilfswissenschaften gehören unter andern: Landwirtschaftslehre, Technologie der Industrien und der Gewerbe. Die Vorlesungsverzeichnisse der meisten Universitäten führen unter andern: folgende Gebiete an: Ackerbaulehre, Obstbau, Forstwirtschaft, Maschinenlehre, Exkursionen nach Fabriken, Technologie. Nimmt nun ein Jurist das Studium der Staatswissenschaften ernst, nimmt er alles wahr, was ihn: die Universität bietet, so stellen sich gar bald strenge Kritiker ein: er sei charakterlos, zersplittere seine Kräfte, solle doch lieber bei dem Rechtsstudium bleiben. Solche Kritik kann natürlich auf die jüngern Studenten nicht ermutigend wirken. Wohl jeder Dozent der Volkswirtschaft wird seinen Hörern vortragen, daß als Hilfswissenschaften der Nationalökonomie technische Fächer in Betracht kommen, ja daß sie unentbehrlich sind. Auch alle Lehr¬ bücher der Volkswirtschaft enthalten diesen Hinweis. Carl Jentsch sagt darüber sehr richtig in der soeben erschienenen neuen Auflage seiner Grundbegriffe und Grund- züge der Volkswirtschaft'"-)- „Soll die Wirtschaft eines Volkes dargestellt werden, so müssen zunächst alle seine Prodnktions- und Erwerbszweige durchgenommen werden: Land-und Forstwirtschaft, Bergbau, Gewerbe, Großindustrie, Handel. Und spielen die Millionen, die die heutigen französischen Maler durch den Verkauf ihrer Bilder nach Amerika lösen, nicht auch eine Rolle im französischen Jahrgang 1903, Ur. 4 und S. Jahrgang 1904, Ur. 50 und 51. Leipzig, Fr. Wilh. Grunom, 1906. Seite 12. Grenzboten II 1907 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/73>, abgerufen am 06.02.2025.