Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Rüstungen, die den chauvinistischen Geist noch mehr entflammen mußten. Daraus Allerdings ist in militärischen Kreisen, auch in unmittelbarer Umgebung des Natürlich war in Berliner diplomatischen Kreisen diesen Zeitungsauslassungen Bei solchen Dispositionen war Gontaut-Biron besonders geeignet, für Gort- Maßgebliches und Unmaßgebliches Rüstungen, die den chauvinistischen Geist noch mehr entflammen mußten. Daraus Allerdings ist in militärischen Kreisen, auch in unmittelbarer Umgebung des Natürlich war in Berliner diplomatischen Kreisen diesen Zeitungsauslassungen Bei solchen Dispositionen war Gontaut-Biron besonders geeignet, für Gort- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0705" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302693"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_3064" prev="#ID_3063"> Rüstungen, die den chauvinistischen Geist noch mehr entflammen mußten. Daraus<lb/> aber schon auf unmittelbar drohende Kriegsgefahr zu schließen und womöglich das<lb/> Prävenire im Angriff gegen Frankreich spielen zu wollen, war eine ungerechtfertigte<lb/> und unkluge Zumutung. Fürst Bismarck hat in einer spätern Rede (9. Februar 1876)<lb/> erklärt, er habe dem Post-Artikel ganz fern gestanden, getadelt habe er aber nicht,<lb/> daß man „recht laut geschrien habe", um vor einer Minorität zu warnen, die (in<lb/> Frankreich) zum Kriege treibe.</p><lb/> <p xml:id="ID_3065"> Allerdings ist in militärischen Kreisen, auch in unmittelbarer Umgebung des<lb/> Generalstabschefs Moltke, damals die Möglichkeit einer kriegerischen Bedrohung von<lb/> Frankreich her, infolge des Cadresgesetzes, stärker als im Auswärtigen Amt<lb/> empfunden worden, und es mögen dementsprechende Privatäußerungen gefallen sein.<lb/> Ein Artikel in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 11. April, der zwar<lb/> die Befürchtungen der Post als noch nicht begründet bezeichnete, aber doch den be¬<lb/> unruhigenden Charakter der französischen Armeereorganisation hervorhob, war unter<lb/> diesem offiziös-militärischen Einflüsse und nicht nach Inspiration vom Auswärtigen<lb/> Amt entstanden. Erst die Provinzial-Korrespondenz vom 14. April erklärte — und<lb/> das mußte als die unzweifelhafte Stimme der Regierung gelten —: „Die Kriegs¬<lb/> befürchtungen fänden in der wirklichen Lage zurzeit keine Begründung und seien<lb/> inzwischen durch Äußerungen von sicher unterrichteter Seite beschwichtigt worden."</p><lb/> <p xml:id="ID_3066"> Natürlich war in Berliner diplomatischen Kreisen diesen Zeitungsauslassungen<lb/> und den angeblichen militärischen Äußerungen großes Gewicht beigelegt und von<lb/> vielen Seiten der französische Botschafter, der damalige Vicomte, später Marquis<lb/> de Gontcmt-Biron ängstlich gemacht worden. Das war an und für sich kein Kunst¬<lb/> stück. Herr von Gontcmt-Biron war kein Heller Geist, von vornherein voll Mi߬<lb/> trauen und Abneigung gegen alles, was er in Berlin fand, und betrachtete den<lb/> Fürsten Bismarck ungefähr als die Inkarnation des Bösen. Er gehörte zur Klasse<lb/> der alten bigotten Monarchisten, die zunächst noch in den Dienst der Republik<lb/> traten, solange sie hoffen konnten, sie wieder umzuwerfen, und hatte sich nur mit<lb/> größtem Widerstreben — wie sein Gönner und Pcmegyriker, der Herzog von<lb/> Broglie, erzählt — für die Berliner Mission, als patriotisches Opfer, anwerben<lb/> lassen. Er faßte auch seine Tätigkeit am deutschen Kaiserhofe als eine Heldentat<lb/> auf, für die sein Vaterland ihm nie genug danken könne, und tauchte beständig<lb/> seine Arbeit in ein Meer von Phrasen und in rhetorische Rührung über sich selbst.<lb/> Die Proben, die der Herzog von Broglie in dem Buche: wission as Ur. as<lb/> OoiMut-Liron Z. Lsrlin 1876 aus seinen Briefen gibt, vervollständigen nur das<lb/> Bild, das man sich von ihm schon in Berlin gemacht hatte. Gontaut suchte in den<lb/> fremden diplomatischen und in solchen Damenkreisen, bet denen er mit seiner etwas<lb/> weinerlichen Liebenswürdigkeit Effekt machen konnte, sein Publikum, während er<lb/> überall, wo es auf Geschäftskenntnis und politischen Verstand ankam, eine schwache<lb/> Rolle spielte. Er war nie vorher in einer staatlichen Tätigkeit gewesen und ent¬<lb/> behrte jeder objektiven Vorbildung für seine gegenwärtige Stellung, konnte nicht<lb/> den Wert der Eindrücke unterscheiden, die ihm auf dem neuen Terrain entgegen¬<lb/> traten. Bei Hof wurde er mit der höchsten Rücksicht behandelt, namentlich von der<lb/> Kaiserin Augusta. Er konstruierte sich aus dem Gegensatze zwischen der sanften<lb/> und tröstenden Behandlung der Kaiserin und der geschäftsmäßig harten und be¬<lb/> stimmten Art von Bismarck eine doppelte Strömung: die eine für Frieden, die<lb/> andre für Krieg, und meinte seine Pflicht zu erfüllen, wenn er in schwarzen<lb/> Farben die Gefahr der Kriegsströmung schilderte.</p><lb/> <p xml:id="ID_3067" next="#ID_3068"> Bei solchen Dispositionen war Gontaut-Biron besonders geeignet, für Gort-<lb/> schakows damaliges Bedürfnis nach der Rolle als europäischer Friedensstifter<lb/> Vorschub zu leisten. Er hatte enge persönliche Beziehungen in Petersburg und lag</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0705]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Rüstungen, die den chauvinistischen Geist noch mehr entflammen mußten. Daraus
aber schon auf unmittelbar drohende Kriegsgefahr zu schließen und womöglich das
Prävenire im Angriff gegen Frankreich spielen zu wollen, war eine ungerechtfertigte
und unkluge Zumutung. Fürst Bismarck hat in einer spätern Rede (9. Februar 1876)
erklärt, er habe dem Post-Artikel ganz fern gestanden, getadelt habe er aber nicht,
daß man „recht laut geschrien habe", um vor einer Minorität zu warnen, die (in
Frankreich) zum Kriege treibe.
Allerdings ist in militärischen Kreisen, auch in unmittelbarer Umgebung des
Generalstabschefs Moltke, damals die Möglichkeit einer kriegerischen Bedrohung von
Frankreich her, infolge des Cadresgesetzes, stärker als im Auswärtigen Amt
empfunden worden, und es mögen dementsprechende Privatäußerungen gefallen sein.
Ein Artikel in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 11. April, der zwar
die Befürchtungen der Post als noch nicht begründet bezeichnete, aber doch den be¬
unruhigenden Charakter der französischen Armeereorganisation hervorhob, war unter
diesem offiziös-militärischen Einflüsse und nicht nach Inspiration vom Auswärtigen
Amt entstanden. Erst die Provinzial-Korrespondenz vom 14. April erklärte — und
das mußte als die unzweifelhafte Stimme der Regierung gelten —: „Die Kriegs¬
befürchtungen fänden in der wirklichen Lage zurzeit keine Begründung und seien
inzwischen durch Äußerungen von sicher unterrichteter Seite beschwichtigt worden."
Natürlich war in Berliner diplomatischen Kreisen diesen Zeitungsauslassungen
und den angeblichen militärischen Äußerungen großes Gewicht beigelegt und von
vielen Seiten der französische Botschafter, der damalige Vicomte, später Marquis
de Gontcmt-Biron ängstlich gemacht worden. Das war an und für sich kein Kunst¬
stück. Herr von Gontcmt-Biron war kein Heller Geist, von vornherein voll Mi߬
trauen und Abneigung gegen alles, was er in Berlin fand, und betrachtete den
Fürsten Bismarck ungefähr als die Inkarnation des Bösen. Er gehörte zur Klasse
der alten bigotten Monarchisten, die zunächst noch in den Dienst der Republik
traten, solange sie hoffen konnten, sie wieder umzuwerfen, und hatte sich nur mit
größtem Widerstreben — wie sein Gönner und Pcmegyriker, der Herzog von
Broglie, erzählt — für die Berliner Mission, als patriotisches Opfer, anwerben
lassen. Er faßte auch seine Tätigkeit am deutschen Kaiserhofe als eine Heldentat
auf, für die sein Vaterland ihm nie genug danken könne, und tauchte beständig
seine Arbeit in ein Meer von Phrasen und in rhetorische Rührung über sich selbst.
Die Proben, die der Herzog von Broglie in dem Buche: wission as Ur. as
OoiMut-Liron Z. Lsrlin 1876 aus seinen Briefen gibt, vervollständigen nur das
Bild, das man sich von ihm schon in Berlin gemacht hatte. Gontaut suchte in den
fremden diplomatischen und in solchen Damenkreisen, bet denen er mit seiner etwas
weinerlichen Liebenswürdigkeit Effekt machen konnte, sein Publikum, während er
überall, wo es auf Geschäftskenntnis und politischen Verstand ankam, eine schwache
Rolle spielte. Er war nie vorher in einer staatlichen Tätigkeit gewesen und ent¬
behrte jeder objektiven Vorbildung für seine gegenwärtige Stellung, konnte nicht
den Wert der Eindrücke unterscheiden, die ihm auf dem neuen Terrain entgegen¬
traten. Bei Hof wurde er mit der höchsten Rücksicht behandelt, namentlich von der
Kaiserin Augusta. Er konstruierte sich aus dem Gegensatze zwischen der sanften
und tröstenden Behandlung der Kaiserin und der geschäftsmäßig harten und be¬
stimmten Art von Bismarck eine doppelte Strömung: die eine für Frieden, die
andre für Krieg, und meinte seine Pflicht zu erfüllen, wenn er in schwarzen
Farben die Gefahr der Kriegsströmung schilderte.
Bei solchen Dispositionen war Gontaut-Biron besonders geeignet, für Gort-
schakows damaliges Bedürfnis nach der Rolle als europäischer Friedensstifter
Vorschub zu leisten. Er hatte enge persönliche Beziehungen in Petersburg und lag
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