Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Eine Sommerfahrt in das Erzgebirge der Geburtsort des erzgebirgischen Volksdichters Anton Günther ist. Von der [Beginn Spaltensatz]
Dort wu da Grenz ve' Sax'n is', en Wald da Schwarzbeer blüht, dort wu zur heit' noch klipp'in tut, en Wenter hutz'n") zieht, do schlicht net weit von Wald drva', sieht kia' on ärmlich aus, a Hütel, nar aus Holz gebaut, das is' mei Vatterhaus. [Spaltenumbruch] Do drauß'n en de fremd'n Walt, da send ich halt ka' Ruh, da Heiser sei do ganz aus Sta', da Menschen a' a su; a jeder sengt a' andersch Lied, doch mitt'n drenna 'raus, do klengt's on ruft's: Vergaß sei net drham dei Vatterhaus. [Ende Spaltensatz] Auf der baumlosen, öden Hochfläche, die Gottesgab umgibt, kommt nur ein Von Gottesgab wandern wir dann weiter über Seissen nach Johanngeorgen- in die Spinnstube.
Eine Sommerfahrt in das Erzgebirge der Geburtsort des erzgebirgischen Volksdichters Anton Günther ist. Von der [Beginn Spaltensatz]
Dort wu da Grenz ve' Sax'n is', en Wald da Schwarzbeer blüht, dort wu zur heit' noch klipp'in tut, en Wenter hutz'n") zieht, do schlicht net weit von Wald drva', sieht kia' on ärmlich aus, a Hütel, nar aus Holz gebaut, das is' mei Vatterhaus. [Spaltenumbruch] Do drauß'n en de fremd'n Walt, da send ich halt ka' Ruh, da Heiser sei do ganz aus Sta', da Menschen a' a su; a jeder sengt a' andersch Lied, doch mitt'n drenna 'raus, do klengt's on ruft's: Vergaß sei net drham dei Vatterhaus. [Ende Spaltensatz] Auf der baumlosen, öden Hochfläche, die Gottesgab umgibt, kommt nur ein Von Gottesgab wandern wir dann weiter über Seissen nach Johanngeorgen- in die Spinnstube.
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Eine Sommerfahrt in das Erzgebirge
der Geburtsort des erzgebirgischen Volksdichters Anton Günther ist. Von der
Tiefe und Innigkeit des Gemütes dieses Dorfpoeten, der in seinem Lebensgang
und seiner ganzen Veranlagung viel Ähnlichkeit mit dem steirischen Dichter
Peter Rosegger hat, und von seiner heißen Liebe zur Heimat mag das Lied
auf sein Vaterhaus ein Beispiel geben:
Dort wu da Grenz ve' Sax'n is',
en Wald da Schwarzbeer blüht,
dort wu zur heit' noch klipp'in tut,
en Wenter hutz'n") zieht,
do schlicht net weit von Wald drva',
sieht kia' on ärmlich aus,
a Hütel, nar aus Holz gebaut,
das is' mei Vatterhaus.
Do drauß'n en de fremd'n Walt,
da send ich halt ka' Ruh,
da Heiser sei do ganz aus Sta',
da Menschen a' a su;
a jeder sengt a' andersch Lied,
doch mitt'n drenna 'raus,
do klengt's on ruft's: Vergaß sei net
drham dei Vatterhaus.
Auf der baumlosen, öden Hochfläche, die Gottesgab umgibt, kommt nur ein
dürftiger, dafür aber sicherer Graswuchs vor, wird der Hafer selten reif, und der
Kartoffelbau, der manche Jahre ganz mißlingt, lohnt kaum das Legen und die
Pflege. Darum beschränkt sich die Landwirtschaft fast ausnahmlos auf die Viehzucht.
Auf den weiten Grasflächen in der Nähe des Ortes bemerkten wir eine Herde von
120 Stück schönem Rindvieh, der Bestand der ganzen Gemeinde Gottesgab. Das
Vieh wird von früh acht bis sechs Uhr abends ausgetrieben und tagsüber nicht
gemolken. Die weibliche Bevölkerung beschäftigt sich hauptsächlich mit Spitzen¬
klöppeln, Weißstickerei und Näherei. Fahrende Musikanten aus Gottesgab sind in
aller Herren Ländern zu treffen. Der einst so blühende Bergbau ist gänzlich in
Verfall geraten. Ursprünglich hieß das Städtchen Wintersgrün und gehörte
vom Jahre 1459 bis 1547 zu Sachsen, erhielt aber eben seiner reichen Silbererze
wegen von frommen und dankbaren Bergleuten den bedeutungsvollen Namen:
„Gottes Gabe". Einer Sage nach soll zwar dieser Name von Johann Friedrich,
Kurfürst von Sachsen, herrühren, dem man bei einem Besuch einen aus einer
Silberstufe ausgehauenen Sessel vorgesetzt habe. Der fromme Kurfürst habe aber
dieses Anerbieten mit den Worten abgewiesen: „ Da sei Gott für, das ist Gottes
Gabe, und so soll die Stadt hinfüro genannt werden."
Von Gottesgab wandern wir dann weiter über Seissen nach Johanngeorgen-
stadt. Wir folgen dabei von Seiffen aus dem Laufe des am Fichtelberge ent¬
springenden Schwarzwasfers, kommen zunächst nach Zwittermühl und gelangen
dann an dem interessanten Gebirgsbache weiter abwärts wandernd, zwischen
Jungehengst und Bretmühle in ein reizendes Tal, wo sich das Wasser in un¬
zähligen Kaskaden schäumend über mächtige Granitblöcke stürzt. Schöne Berge
mit dunkeln Tannen- und Fichtenwäldern zu beiden Seiten, an deren Abhängen
kleine, mit Schindeln gedeckte Hütten malerisch verstreut liegen, dazwischen blumen-
in die Spinnstube.
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