Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Gin Lharakterkopf ans der ältern leipziger Schulgeschichte In dieser geistigen Atmosphäre, unter dem Zeichen des siegreich aufsteigenden Von dem Privilegium des Papstes Bonifatius des Neunten, das dieser So zogen sich die humanistischen Studien in Leipzig für ungefähr zwei Jahr¬ Gin Lharakterkopf ans der ältern leipziger Schulgeschichte In dieser geistigen Atmosphäre, unter dem Zeichen des siegreich aufsteigenden Von dem Privilegium des Papstes Bonifatius des Neunten, das dieser So zogen sich die humanistischen Studien in Leipzig für ungefähr zwei Jahr¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0675" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302663"/> <fw type="header" place="top"> Gin Lharakterkopf ans der ältern leipziger Schulgeschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_2942"> In dieser geistigen Atmosphäre, unter dem Zeichen des siegreich aufsteigenden<lb/> Humanismus ist die Nikolaischule ins Leben getreten und emporgekommen, als<lb/> eine humanistische Schule.</p><lb/> <p xml:id="ID_2943"> Von dem Privilegium des Papstes Bonifatius des Neunten, das dieser<lb/> unter dein 11. März 1395 auf seine Bitte dem Rat erteilte, auf dem Kirchhof<lb/> oder anderwärts in der Parochie zu Se. Nikolai eine Lateinschule unter städtischen:<lb/> Patronat ohne Mitwirkung des Propstes zu Se. Thoma, des Patrons<lb/> aller Kirchen der Stadt und seiner eignen Klosterschule zu errichten, hat der<lb/> Rat mehr als ein Jahrhundert lang keinen Gebrauch gemacht. Erst nach<lb/> mannigfachen Verhandlungen mit dem Thomaspropst und mit der Universität,<lb/> die in der neuen Schule eine Konkurrenzanstalt mit ihrer philosophischen Fakultät<lb/> und deren Bursen sah, wurde die neue, noch heute stehende Schule seit 1511<lb/> erbaut und wahrscheinlich im Herbst 1512 eröffnet als eine Schule für Bürgers¬<lb/> kinder, nicht für fremde, wie die Thomasschule, und als die „Ratsschule", die<lb/> Lonolg, Lgne>,t>orig, schlechtweg, deren Rektor der Rat ernannte, im übrigen auf<lb/> die Amtswohnung im Schulhause und das Schulgeld anwies, sonst höchstens<lb/> durch gelegentliche Zuschüsse unterstützte. Mitten zwischen die Universitäts-<lb/> gebüude hineingestellt, wenige Schritte vom Neuen (Noten) Kolleg (seit 1502), vom<lb/> Großen und Kleinen Fürstenkolleg und vom Dominikanerkloster zu Se. Pauli,<lb/> wo die theologischen Vorlesungen gehalten wurden, entfernt, wollte die neue<lb/> Schule doch anfangs nicht recht gedeihen. Verhängnisvoll geradezu drohte ihr<lb/> das Hervorbrechen der kirchlichen Gegensätze zu werden. Seit der Disputation<lb/> Von Leipzig im Juli 1519, die den Bruch Luthers mit der römischen Kirche<lb/> entschied, beargwohnte Herzog Georg, seitdem sein entschiedener Gegner, den<lb/> Humanismus als eine Vorstufe zur Ketzerei und schritt mit Strenge gegen die<lb/> lutherischen Prediger ein, die sich seit 1523 auch in Leipzig zeigten. Den<lb/> Mag. Sebastian Fröschel, der zu Se. Johannis gepredigt hatte, ließ er im<lb/> Herbste 1523 bei seinem Freunde, dem Rektor Pirkhaimcr, in der Nikvlaischule<lb/> verhaften, und dieser selbst wurde lutherischer Gesinnung verdächtigt. So blieb<lb/> Leipzig bis zum Tode des Herzogs 1539 eine katholische Stadt. Jedenfalls<lb/> geriet die Schule damals in völligen Verfall und scheint eine Zeit lang ge¬<lb/> schlossen worden zu sein. Auch an der Universität ging mit dem Tode des Mo-<lb/> sellcmus im April 1524 der Humanismus beinahe unter, aber die Universität<lb/> verfiel seitdem, und die Zahl der Immatrikulationen sank ganz Plötzlich.</p><lb/> <p xml:id="ID_2944" next="#ID_2945"> So zogen sich die humanistischen Studien in Leipzig für ungefähr zwei Jahr¬<lb/> zehnte auf die beiden Lateinschulen der Stadt zurück. Die Thomcma hatte damals<lb/> einen ausgezeichneten Rektor in Kaspar Börner (1522 bis 1539), dem späteren<lb/> Erneuerer der Universität unter Herzog Moritz, und auch der Nikolaischule gab<lb/> der Rat 1525 einen solchen in der Person des Mag. Johannes Muschler, den er<lb/> trotz seiner Jugend — er zählte damals höchstens vierundzwauzig Jahre — unter<lb/> fünfzehn Bewerbern aufwühlte. Es war ein überaus glücklicher Griff. Joh. Muschler,<lb/> der Sohn eines einfachen Schuhmachers in Öttingen, wo er 1501 oder 1502</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0675]
Gin Lharakterkopf ans der ältern leipziger Schulgeschichte
In dieser geistigen Atmosphäre, unter dem Zeichen des siegreich aufsteigenden
Humanismus ist die Nikolaischule ins Leben getreten und emporgekommen, als
eine humanistische Schule.
Von dem Privilegium des Papstes Bonifatius des Neunten, das dieser
unter dein 11. März 1395 auf seine Bitte dem Rat erteilte, auf dem Kirchhof
oder anderwärts in der Parochie zu Se. Nikolai eine Lateinschule unter städtischen:
Patronat ohne Mitwirkung des Propstes zu Se. Thoma, des Patrons
aller Kirchen der Stadt und seiner eignen Klosterschule zu errichten, hat der
Rat mehr als ein Jahrhundert lang keinen Gebrauch gemacht. Erst nach
mannigfachen Verhandlungen mit dem Thomaspropst und mit der Universität,
die in der neuen Schule eine Konkurrenzanstalt mit ihrer philosophischen Fakultät
und deren Bursen sah, wurde die neue, noch heute stehende Schule seit 1511
erbaut und wahrscheinlich im Herbst 1512 eröffnet als eine Schule für Bürgers¬
kinder, nicht für fremde, wie die Thomasschule, und als die „Ratsschule", die
Lonolg, Lgne>,t>orig, schlechtweg, deren Rektor der Rat ernannte, im übrigen auf
die Amtswohnung im Schulhause und das Schulgeld anwies, sonst höchstens
durch gelegentliche Zuschüsse unterstützte. Mitten zwischen die Universitäts-
gebüude hineingestellt, wenige Schritte vom Neuen (Noten) Kolleg (seit 1502), vom
Großen und Kleinen Fürstenkolleg und vom Dominikanerkloster zu Se. Pauli,
wo die theologischen Vorlesungen gehalten wurden, entfernt, wollte die neue
Schule doch anfangs nicht recht gedeihen. Verhängnisvoll geradezu drohte ihr
das Hervorbrechen der kirchlichen Gegensätze zu werden. Seit der Disputation
Von Leipzig im Juli 1519, die den Bruch Luthers mit der römischen Kirche
entschied, beargwohnte Herzog Georg, seitdem sein entschiedener Gegner, den
Humanismus als eine Vorstufe zur Ketzerei und schritt mit Strenge gegen die
lutherischen Prediger ein, die sich seit 1523 auch in Leipzig zeigten. Den
Mag. Sebastian Fröschel, der zu Se. Johannis gepredigt hatte, ließ er im
Herbste 1523 bei seinem Freunde, dem Rektor Pirkhaimcr, in der Nikvlaischule
verhaften, und dieser selbst wurde lutherischer Gesinnung verdächtigt. So blieb
Leipzig bis zum Tode des Herzogs 1539 eine katholische Stadt. Jedenfalls
geriet die Schule damals in völligen Verfall und scheint eine Zeit lang ge¬
schlossen worden zu sein. Auch an der Universität ging mit dem Tode des Mo-
sellcmus im April 1524 der Humanismus beinahe unter, aber die Universität
verfiel seitdem, und die Zahl der Immatrikulationen sank ganz Plötzlich.
So zogen sich die humanistischen Studien in Leipzig für ungefähr zwei Jahr¬
zehnte auf die beiden Lateinschulen der Stadt zurück. Die Thomcma hatte damals
einen ausgezeichneten Rektor in Kaspar Börner (1522 bis 1539), dem späteren
Erneuerer der Universität unter Herzog Moritz, und auch der Nikolaischule gab
der Rat 1525 einen solchen in der Person des Mag. Johannes Muschler, den er
trotz seiner Jugend — er zählte damals höchstens vierundzwauzig Jahre — unter
fünfzehn Bewerbern aufwühlte. Es war ein überaus glücklicher Griff. Joh. Muschler,
der Sohn eines einfachen Schuhmachers in Öttingen, wo er 1501 oder 1502
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