Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Der alte Maler Ja, aber vorher bin ich zwei Jahre auf der Akademie in D. gewesen -- zwei Da ließ sich die junge Frau vernehmen: In D. waren Sie? Da kommen wir In Bruckners Augen verstärkte sich der Glanz. Er richtete den Blick zum Fenster Vonach wußte nun, mit wem er es zu tun hatte, mit einem von denen, deren Er fing an, langsam vor dem Tisch hin und her zu gehn, den breiten Sonnen¬ Die Frau machte viel Geräusch im Koffer, denn die Pause war ihr unheimlich. Dann fragte Vonach: Warum haben Sie die Akademie nicht durchgemacht? Wieder wandte sich ihm der stille Blick des Zeichners zu, und der junge Es ging nicht; ich bin in den zwei Jahren so wie so schon halb verhungert. Vielleicht würden Sie sich das einsehn, sagte da die junge Frau und legte ein Vonach stellte sich hinter seinen Stuhl und sah mit hinein. Zuerst kamen allerhand Stühle, Bruckner sagte nichts -- und wandte das Blatt Vonach tippte auf eine davon. Die ist schön, es ist eine van de Veldesche. Ja ja, sagte sein Gast verloren und -- wandte um. Da kamen die Tapeten. Ach, sehen Sie, so was habe ich auch probieren wollen. Wissen Sie, so vor Und Bruckner rückte halb herum und sah dem jungen Maler erregt in die Er verschränkte die Hände und sprach das letzte ganz in den Boden hinein: O, sagte die junge Frau mitleidig, dann sollen Sie sich das aber nicht ansehn, Der alte Maler Ja, aber vorher bin ich zwei Jahre auf der Akademie in D. gewesen — zwei Da ließ sich die junge Frau vernehmen: In D. waren Sie? Da kommen wir In Bruckners Augen verstärkte sich der Glanz. Er richtete den Blick zum Fenster Vonach wußte nun, mit wem er es zu tun hatte, mit einem von denen, deren Er fing an, langsam vor dem Tisch hin und her zu gehn, den breiten Sonnen¬ Die Frau machte viel Geräusch im Koffer, denn die Pause war ihr unheimlich. Dann fragte Vonach: Warum haben Sie die Akademie nicht durchgemacht? Wieder wandte sich ihm der stille Blick des Zeichners zu, und der junge Es ging nicht; ich bin in den zwei Jahren so wie so schon halb verhungert. Vielleicht würden Sie sich das einsehn, sagte da die junge Frau und legte ein Vonach stellte sich hinter seinen Stuhl und sah mit hinein. Zuerst kamen allerhand Stühle, Bruckner sagte nichts — und wandte das Blatt Vonach tippte auf eine davon. Die ist schön, es ist eine van de Veldesche. Ja ja, sagte sein Gast verloren und — wandte um. Da kamen die Tapeten. Ach, sehen Sie, so was habe ich auch probieren wollen. Wissen Sie, so vor Und Bruckner rückte halb herum und sah dem jungen Maler erregt in die Er verschränkte die Hände und sprach das letzte ganz in den Boden hinein: O, sagte die junge Frau mitleidig, dann sollen Sie sich das aber nicht ansehn, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0642" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302630"/> <fw type="header" place="top"> Der alte Maler</fw><lb/> <p xml:id="ID_2787"> Ja, aber vorher bin ich zwei Jahre auf der Akademie in D. gewesen — zwei<lb/> Jahre — und leiser fügte er hinzu: Ich wollte Künstler werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2788"> Da ließ sich die junge Frau vernehmen: In D. waren Sie? Da kommen wir<lb/> eben her! Das ist aber eine schöne Stadt. Die vielen Türme und Brücken dort,<lb/> wunderschön!</p><lb/> <p xml:id="ID_2789"> In Bruckners Augen verstärkte sich der Glanz. 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Der alte Maler
Ja, aber vorher bin ich zwei Jahre auf der Akademie in D. gewesen — zwei
Jahre — und leiser fügte er hinzu: Ich wollte Künstler werden.
Da ließ sich die junge Frau vernehmen: In D. waren Sie? Da kommen wir
eben her! Das ist aber eine schöne Stadt. Die vielen Türme und Brücken dort,
wunderschön!
In Bruckners Augen verstärkte sich der Glanz. Er richtete den Blick zum Fenster
hinaus ins Weite, sah die alte, schöne Stadt vor sich auftauchen, vergaß, wo er
war, und saß da schweigend.
Vonach wußte nun, mit wem er es zu tun hatte, mit einem von denen, deren
Hoffnung das Leben nicht erfüllte, wie es unter den Künstlern so viele, viele gibt.
Er fing an, langsam vor dem Tisch hin und her zu gehn, den breiten Sonnen¬
streifen immer mit einem langen Schritt übersteigend, und dachte dabei: Was soll
man mit so einem reden; man tut ihm ja weh mit jedem Wort, was man sagt.
Die Frau machte viel Geräusch im Koffer, denn die Pause war ihr unheimlich.
Dann fragte Vonach: Warum haben Sie die Akademie nicht durchgemacht?
Wieder wandte sich ihm der stille Blick des Zeichners zu, und der junge
Maler mußte denken: Was hat er für schöne Augen!
Es ging nicht; ich bin in den zwei Jahren so wie so schon halb verhungert.
Dann starb mein Vater, der von selner Pension das notwendigste wenigstens gegeben
hatte. Da mußte ich es lassen, ja, und bin hier Zeichner geworden an der Tapeten¬
fabrik. Als sie vor zehn Jahren hier die Industrieschule aufladen, machten sie mich
zuni Zeichenlehrer dort. Hier geht so was, setzte er schnell hinzu, daß der andre
ihn nicht für mehr halten sollte, als er war — hier nehmen sich nicht so genau.
Vielleicht würden Sie sich das einsehn, sagte da die junge Frau und legte ein
schmales Heft auf den Tisch, nicht, Franz, das könnte Herrn Bruckner interessieren. Da
sind Tapetenmuster darin, wir haben es auf der Reise gekauft! „Kunstgewerbliches"
stand groß darauf zu lesen, und nachdem sich Bruckner die Hände sorglich an seinem
bunten Schnupftuch abgewischt hatte, schlug er es auf.
Vonach stellte sich hinter seinen Stuhl und sah mit hinein.
Zuerst kamen allerhand Stühle, Bruckner sagte nichts — und wandte das Blatt
um, dann Vasen, gewundne und solche mit ungeheuer langen Hälsen.
Vonach tippte auf eine davon. Die ist schön, es ist eine van de Veldesche.
Ja ja, sagte sein Gast verloren und — wandte um. Da kamen die Tapeten.
Dann plötzlich wurde der Stille lebendig.
Ach, sehen Sie, so was habe ich auch probieren wollen. Wissen Sie, so vor
zwanzig Jahren. Ich hatte die alten ewigen Muster satt — ja — und Wenns auch
nicht gerade so war, es war mal was neues, andres — Und was glauben Sie,
was der Chef sagte, als ich sie ihm vorlegte? .. .
Und Bruckner rückte halb herum und sah dem jungen Maler erregt in die
Augen. Unsinn! sagte er, so Was will doch jetzt keiner, machen Sie doch was
ordentliches. ... Unsinn! sagte er, und Bruckners Stimme wurde leiser, jetzt vor
fünf Jahren hat er sich einen neuen Zeichner genommen, der macht nun solche
Sachen. Einmal sage ich: Herr Löser, das wollten Sie doch früher nicht leiden!
Da lachte er: Ja früher! Jetzt ist das was andres, jetzt ist das Mode!
Er verschränkte die Hände und sprach das letzte ganz in den Boden hinein:
Ich kanns nun nicht mehr machen, ich bin zu sehr auf die alte Schablone gedrillt,
ich habe den Mut nicht mehr...
O, sagte die junge Frau mitleidig, dann sollen Sie sich das aber nicht ansehn,
und sie griff nach dem Heft und warf es aufs Bett. Sie war ordentlich blaß.
Wonach fing wieder an ans und ab zu gehn und dachte, obgleich ihm der Mann
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