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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Fischerlebcn auf Hela

Wohl der Enkel oder ein andrer Verwandter; doch wurde die Grundform
möglichst gewahrt, um die Zusammengehörigkeit einer Familie zu veranschau¬
lichen. Die Fischermarken sind also die "Wappen" der Helenser Fischer, wenn
sie auch keinen Namen nennen, der dieses Zeichen vor Jahrhunderten erfand.
Manche Marken mit ihren Seitenlinien sind so charakteristisch, daß sie bei den
Fischern eigne Namen haben, zum Beispiel Groonwaldt-, Schmidt- oder Wedel¬
marken oder ..Marke". Wird ein junger Fischer selbständig und ..wählt se,u
Mark", so wird er von den übrigen Fischern als vollgiltiges Mitglied betrachtet
Das neue Glied hat damit besondre Rechte und Pflichten übernommen, die von
einem Geschlecht auf das andre übergegangen sind. Durch ihre eigenartige
Organisation üben die Fischer sogar eine Art Polizei- und Nichtergewalt aus.
und vor den ordentlichen Gerichten erscheinen sie wegen strafbarer Handlungen
äußerst selten. Stirbt der Inhaber einer Marke, oder setzt er sich zur Ruhe,
so geht die Marke auf einen noch nicht selbständigen Sohn, Schwiegersohn oder
einen nahen Verwandten über. Sind solche nicht vorhanden, so erlischt sie. was
aber höchst selten der Fall ist. Je einfacher eine Marke ist. desto höher wird
sie im Alter stehen. Die Marke als Eigentumszeichen wird auf allen Fischerer¬
geräten eingekerbt. Wirft sie einmal ein Sturm oder Wellengang durcheinander,
so ist ihr Eigentümer bald ermittelt.

Die Fischereibehörden haben sich leider um dieses Markensystem weniger
gekümmert und ordnen die Anbringung weniger lateinischer Buchstaben an. So
bedeuten die drei Buchstaben die neben der eigentlichen Fischermarke mit
einem Stempel eingebrannt sind, die Abkürzung für Helaer Fischerei-Kasse.
Jüngere Fischer kümmern sich auch schon wenig um die uralte Markenbezeichnung
und kerben in die Holzgeräte einfach die Anfangsbuchstaben ihres Namens ein.
Auch die genossenschaftlichen Kompagnien geraten ins Wanken, weil die neuen
sozialen Gesetze bei Alter lind Invalidität Unterstützungen gewähren, und
namentlich jüngere Fischer die Verpflichtungen der alten sozialen Einrichtungen
als Last betrachten. . .

^.c>.Der Umgang mit den Insulanern ist angenehm. Die schweigsamen Leute
sind ehrlich bis auf die Haut, und Diebstähle kommen auf Hela nie vor Aus
alten Zeiten hat sich ein kerniges Geschlecht in die Gegenwart gerettet das
zähe an den Sitten und Gebräuchen der Vorfahren hält. Ordnung und Rein¬
lichkeit gehören zum Grundzuge der Leute, und fast jede Familie besitzt em
eignes Häuschen, sodaß Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern von
denen gegenwärtig die Welt widerhallt, auf Hela ausgeschlossen sind. Jeder
Rheder ist zugleich sei., Maurer und Zimmerer, auch wohl Tischler und erst
"euerdings halten moderne Möbel ihren Einzug in die netten Hansteen. ^in
vergangnen Sommer wurde namentlich Hela sehr stark von Fremden besucht
Manche Fischerfamilie vermietete deshalb ein Zimmer an einen Fremden und
verschaffte sich dadurch eine Nebeneinnahme. Die jungen Leute werden meist
zur Marine eingezogen und kommen deshalb in der Welt umher. Gern kehren


Fischerlebcn auf Hela

Wohl der Enkel oder ein andrer Verwandter; doch wurde die Grundform
möglichst gewahrt, um die Zusammengehörigkeit einer Familie zu veranschau¬
lichen. Die Fischermarken sind also die „Wappen" der Helenser Fischer, wenn
sie auch keinen Namen nennen, der dieses Zeichen vor Jahrhunderten erfand.
Manche Marken mit ihren Seitenlinien sind so charakteristisch, daß sie bei den
Fischern eigne Namen haben, zum Beispiel Groonwaldt-, Schmidt- oder Wedel¬
marken oder ..Marke". Wird ein junger Fischer selbständig und ..wählt se,u
Mark", so wird er von den übrigen Fischern als vollgiltiges Mitglied betrachtet
Das neue Glied hat damit besondre Rechte und Pflichten übernommen, die von
einem Geschlecht auf das andre übergegangen sind. Durch ihre eigenartige
Organisation üben die Fischer sogar eine Art Polizei- und Nichtergewalt aus.
und vor den ordentlichen Gerichten erscheinen sie wegen strafbarer Handlungen
äußerst selten. Stirbt der Inhaber einer Marke, oder setzt er sich zur Ruhe,
so geht die Marke auf einen noch nicht selbständigen Sohn, Schwiegersohn oder
einen nahen Verwandten über. Sind solche nicht vorhanden, so erlischt sie. was
aber höchst selten der Fall ist. Je einfacher eine Marke ist. desto höher wird
sie im Alter stehen. Die Marke als Eigentumszeichen wird auf allen Fischerer¬
geräten eingekerbt. Wirft sie einmal ein Sturm oder Wellengang durcheinander,
so ist ihr Eigentümer bald ermittelt.

Die Fischereibehörden haben sich leider um dieses Markensystem weniger
gekümmert und ordnen die Anbringung weniger lateinischer Buchstaben an. So
bedeuten die drei Buchstaben die neben der eigentlichen Fischermarke mit
einem Stempel eingebrannt sind, die Abkürzung für Helaer Fischerei-Kasse.
Jüngere Fischer kümmern sich auch schon wenig um die uralte Markenbezeichnung
und kerben in die Holzgeräte einfach die Anfangsbuchstaben ihres Namens ein.
Auch die genossenschaftlichen Kompagnien geraten ins Wanken, weil die neuen
sozialen Gesetze bei Alter lind Invalidität Unterstützungen gewähren, und
namentlich jüngere Fischer die Verpflichtungen der alten sozialen Einrichtungen
als Last betrachten. . .

^.c>.Der Umgang mit den Insulanern ist angenehm. Die schweigsamen Leute
sind ehrlich bis auf die Haut, und Diebstähle kommen auf Hela nie vor Aus
alten Zeiten hat sich ein kerniges Geschlecht in die Gegenwart gerettet das
zähe an den Sitten und Gebräuchen der Vorfahren hält. Ordnung und Rein¬
lichkeit gehören zum Grundzuge der Leute, und fast jede Familie besitzt em
eignes Häuschen, sodaß Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern von
denen gegenwärtig die Welt widerhallt, auf Hela ausgeschlossen sind. Jeder
Rheder ist zugleich sei., Maurer und Zimmerer, auch wohl Tischler und erst
"euerdings halten moderne Möbel ihren Einzug in die netten Hansteen. ^in
vergangnen Sommer wurde namentlich Hela sehr stark von Fremden besucht
Manche Fischerfamilie vermietete deshalb ein Zimmer an einen Fremden und
verschaffte sich dadurch eine Nebeneinnahme. Die jungen Leute werden meist
zur Marine eingezogen und kommen deshalb in der Welt umher. Gern kehren


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[0635] Fischerlebcn auf Hela Wohl der Enkel oder ein andrer Verwandter; doch wurde die Grundform möglichst gewahrt, um die Zusammengehörigkeit einer Familie zu veranschau¬ lichen. Die Fischermarken sind also die „Wappen" der Helenser Fischer, wenn sie auch keinen Namen nennen, der dieses Zeichen vor Jahrhunderten erfand. Manche Marken mit ihren Seitenlinien sind so charakteristisch, daß sie bei den Fischern eigne Namen haben, zum Beispiel Groonwaldt-, Schmidt- oder Wedel¬ marken oder ..Marke". Wird ein junger Fischer selbständig und ..wählt se,u Mark", so wird er von den übrigen Fischern als vollgiltiges Mitglied betrachtet Das neue Glied hat damit besondre Rechte und Pflichten übernommen, die von einem Geschlecht auf das andre übergegangen sind. Durch ihre eigenartige Organisation üben die Fischer sogar eine Art Polizei- und Nichtergewalt aus. und vor den ordentlichen Gerichten erscheinen sie wegen strafbarer Handlungen äußerst selten. Stirbt der Inhaber einer Marke, oder setzt er sich zur Ruhe, so geht die Marke auf einen noch nicht selbständigen Sohn, Schwiegersohn oder einen nahen Verwandten über. Sind solche nicht vorhanden, so erlischt sie. was aber höchst selten der Fall ist. Je einfacher eine Marke ist. desto höher wird sie im Alter stehen. Die Marke als Eigentumszeichen wird auf allen Fischerer¬ geräten eingekerbt. Wirft sie einmal ein Sturm oder Wellengang durcheinander, so ist ihr Eigentümer bald ermittelt. Die Fischereibehörden haben sich leider um dieses Markensystem weniger gekümmert und ordnen die Anbringung weniger lateinischer Buchstaben an. So bedeuten die drei Buchstaben die neben der eigentlichen Fischermarke mit einem Stempel eingebrannt sind, die Abkürzung für Helaer Fischerei-Kasse. Jüngere Fischer kümmern sich auch schon wenig um die uralte Markenbezeichnung und kerben in die Holzgeräte einfach die Anfangsbuchstaben ihres Namens ein. Auch die genossenschaftlichen Kompagnien geraten ins Wanken, weil die neuen sozialen Gesetze bei Alter lind Invalidität Unterstützungen gewähren, und namentlich jüngere Fischer die Verpflichtungen der alten sozialen Einrichtungen als Last betrachten. . . ^.c>.Der Umgang mit den Insulanern ist angenehm. Die schweigsamen Leute sind ehrlich bis auf die Haut, und Diebstähle kommen auf Hela nie vor Aus alten Zeiten hat sich ein kerniges Geschlecht in die Gegenwart gerettet das zähe an den Sitten und Gebräuchen der Vorfahren hält. Ordnung und Rein¬ lichkeit gehören zum Grundzuge der Leute, und fast jede Familie besitzt em eignes Häuschen, sodaß Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern von denen gegenwärtig die Welt widerhallt, auf Hela ausgeschlossen sind. Jeder Rheder ist zugleich sei., Maurer und Zimmerer, auch wohl Tischler und erst "euerdings halten moderne Möbel ihren Einzug in die netten Hansteen. ^in vergangnen Sommer wurde namentlich Hela sehr stark von Fremden besucht Manche Fischerfamilie vermietete deshalb ein Zimmer an einen Fremden und verschaffte sich dadurch eine Nebeneinnahme. Die jungen Leute werden meist zur Marine eingezogen und kommen deshalb in der Welt umher. Gern kehren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/635>, abgerufen am 06.02.2025.