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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Fischerleben auf Hela

sie sogar häufig zu Schweinefutter. Das Fleisch erhält aber davon einen un¬
angenehmen fischigen Geschmack. Reichlich blieb auch der Flundernfang. Es
wurden 19990V Schock gefangen, während der Heringsfang 96520 Schock
ergab.

Die Halbinsel Hela ist 33 Kilometer lang, nur wenige hundert Meter
breit und erweitert sich nur am Südostende bis aus drei Kilometer. Fast in
ihrer ganzen Länge ist sie mit Wald bedeckt, und die Forstverwaltung läßt
durch Strafgefangne fortgesetzt blanke Dünen aufforsten. Die fünf Dörfer der
Halbinsel sind: Hela, Danziger Heisternest, Putziger Heisterucst, Kußfeld und
Cehnowa mit 2250 Einwohnern. Alle diese Ortschaften besitzen nur 360 Hektar
Äcker und Weideland, sodaß ihre Bewohner vom Ackerbau allem nicht leben
können. Daß die Fischerei die Hauptuahrungsquelle der Bevölkerung ist, ergibt
sich schon aus der Lage. Der Einzelne kann in seinem schwierigen Beruf gegen¬
über der Macht der Wogen und Stürme nicht viel ausrichten; deshalb haben
sich die Fischer schon seit den ältesten Zeiten zu eigenartigen Verbänden zu¬
sammengeschlossen, die Maatschaperien oder Kompagnien heißen. Sie bedeuten
eine hervorragende soziale Einrichtung, wie sie in Deutschland neuerdings durch
die Alters- und Invalidenversicherung zum Wohle der erwerbenden Stände ins
Leben gerufen worden ist. Diese Genossenschaften betreiben den Fischfang auf
gemeinsame Kosten und verteilen auch den Erlös nnter sich.

Woher die ersten Ansiedler auf Hela stammen, läßt sich nicht mit Be¬
stimmtheit nachweisen. Man kann aber mit gutem Rechte behaupten, daß in
der ersten geschichtlichen Zeit pommersche Fischer die Urbewohner auf Hela ver¬
drängt haben. Als die Halbinsel Hela unter die Herrschaft des Deutschen Ritter¬
ordens geriet, wurde das Genossenschaftswesen durch besondre Verordnungen
geregelt, und schou in der Willkür (Verordnung, Gesetz) vom Jahre 1450 werden
die Maatschaperien genannt. Eine Maatschaperie oder Kompagnie wurde nach
dem Namen ihres Obmanns benannt, also Kompagnie Otto, Heinrich, Werner nsw-
Die Verteilung der gefangnen Fische erfolgte derart, daß jeder Erwcichsne
einen Mannesteil und jede Frau, jedes Mädchen oder Kind einen halben Anteil
oder den sogenannten Kindesanteil erhielt. Die Zugehörigkeit zu einer Fischer¬
kompagnie berechtigte das Mitglied zum Empfange seines Anteils, auch wen"
es durch Unfall oder Krankheit vorübergehend oder dauernd erwerbsunfähig
war. Sogar die Witwen und Waisen wurden dieser Fürsorge teilhaftig, wenn
ihre Männer oder Väter einer Kompagnie angehört hatten.

Auf Hela kann man drei Hauptarten der Fischerei unterscheiden: die
Heringsfischerei mit dem großen Zugnetz und in "Manzen" sowie den Lachs-
nnd Aalfang. Die gefangnen Heringe werden zunächst in flache Gruben am
Strande geschüttet und entweder sofort verbraucht oder verschickt. Der Herings-
fang zieht sich vom Frühjahr bis Sommer hin und beschränkt sich auf die
Heringszüge oder Schwärme. Besonders große und dichte Schwärme kommen
uur an wenig Tagen vor, und das Melden ihrer Ankunft bringt leicht das


Fischerleben auf Hela

sie sogar häufig zu Schweinefutter. Das Fleisch erhält aber davon einen un¬
angenehmen fischigen Geschmack. Reichlich blieb auch der Flundernfang. Es
wurden 19990V Schock gefangen, während der Heringsfang 96520 Schock
ergab.

Die Halbinsel Hela ist 33 Kilometer lang, nur wenige hundert Meter
breit und erweitert sich nur am Südostende bis aus drei Kilometer. Fast in
ihrer ganzen Länge ist sie mit Wald bedeckt, und die Forstverwaltung läßt
durch Strafgefangne fortgesetzt blanke Dünen aufforsten. Die fünf Dörfer der
Halbinsel sind: Hela, Danziger Heisternest, Putziger Heisterucst, Kußfeld und
Cehnowa mit 2250 Einwohnern. Alle diese Ortschaften besitzen nur 360 Hektar
Äcker und Weideland, sodaß ihre Bewohner vom Ackerbau allem nicht leben
können. Daß die Fischerei die Hauptuahrungsquelle der Bevölkerung ist, ergibt
sich schon aus der Lage. Der Einzelne kann in seinem schwierigen Beruf gegen¬
über der Macht der Wogen und Stürme nicht viel ausrichten; deshalb haben
sich die Fischer schon seit den ältesten Zeiten zu eigenartigen Verbänden zu¬
sammengeschlossen, die Maatschaperien oder Kompagnien heißen. Sie bedeuten
eine hervorragende soziale Einrichtung, wie sie in Deutschland neuerdings durch
die Alters- und Invalidenversicherung zum Wohle der erwerbenden Stände ins
Leben gerufen worden ist. Diese Genossenschaften betreiben den Fischfang auf
gemeinsame Kosten und verteilen auch den Erlös nnter sich.

Woher die ersten Ansiedler auf Hela stammen, läßt sich nicht mit Be¬
stimmtheit nachweisen. Man kann aber mit gutem Rechte behaupten, daß in
der ersten geschichtlichen Zeit pommersche Fischer die Urbewohner auf Hela ver¬
drängt haben. Als die Halbinsel Hela unter die Herrschaft des Deutschen Ritter¬
ordens geriet, wurde das Genossenschaftswesen durch besondre Verordnungen
geregelt, und schou in der Willkür (Verordnung, Gesetz) vom Jahre 1450 werden
die Maatschaperien genannt. Eine Maatschaperie oder Kompagnie wurde nach
dem Namen ihres Obmanns benannt, also Kompagnie Otto, Heinrich, Werner nsw-
Die Verteilung der gefangnen Fische erfolgte derart, daß jeder Erwcichsne
einen Mannesteil und jede Frau, jedes Mädchen oder Kind einen halben Anteil
oder den sogenannten Kindesanteil erhielt. Die Zugehörigkeit zu einer Fischer¬
kompagnie berechtigte das Mitglied zum Empfange seines Anteils, auch wen»
es durch Unfall oder Krankheit vorübergehend oder dauernd erwerbsunfähig
war. Sogar die Witwen und Waisen wurden dieser Fürsorge teilhaftig, wenn
ihre Männer oder Väter einer Kompagnie angehört hatten.

Auf Hela kann man drei Hauptarten der Fischerei unterscheiden: die
Heringsfischerei mit dem großen Zugnetz und in „Manzen" sowie den Lachs-
nnd Aalfang. Die gefangnen Heringe werden zunächst in flache Gruben am
Strande geschüttet und entweder sofort verbraucht oder verschickt. Der Herings-
fang zieht sich vom Frühjahr bis Sommer hin und beschränkt sich auf die
Heringszüge oder Schwärme. Besonders große und dichte Schwärme kommen
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[0632] Fischerleben auf Hela sie sogar häufig zu Schweinefutter. Das Fleisch erhält aber davon einen un¬ angenehmen fischigen Geschmack. Reichlich blieb auch der Flundernfang. Es wurden 19990V Schock gefangen, während der Heringsfang 96520 Schock ergab. Die Halbinsel Hela ist 33 Kilometer lang, nur wenige hundert Meter breit und erweitert sich nur am Südostende bis aus drei Kilometer. Fast in ihrer ganzen Länge ist sie mit Wald bedeckt, und die Forstverwaltung läßt durch Strafgefangne fortgesetzt blanke Dünen aufforsten. Die fünf Dörfer der Halbinsel sind: Hela, Danziger Heisternest, Putziger Heisterucst, Kußfeld und Cehnowa mit 2250 Einwohnern. Alle diese Ortschaften besitzen nur 360 Hektar Äcker und Weideland, sodaß ihre Bewohner vom Ackerbau allem nicht leben können. Daß die Fischerei die Hauptuahrungsquelle der Bevölkerung ist, ergibt sich schon aus der Lage. Der Einzelne kann in seinem schwierigen Beruf gegen¬ über der Macht der Wogen und Stürme nicht viel ausrichten; deshalb haben sich die Fischer schon seit den ältesten Zeiten zu eigenartigen Verbänden zu¬ sammengeschlossen, die Maatschaperien oder Kompagnien heißen. Sie bedeuten eine hervorragende soziale Einrichtung, wie sie in Deutschland neuerdings durch die Alters- und Invalidenversicherung zum Wohle der erwerbenden Stände ins Leben gerufen worden ist. Diese Genossenschaften betreiben den Fischfang auf gemeinsame Kosten und verteilen auch den Erlös nnter sich. Woher die ersten Ansiedler auf Hela stammen, läßt sich nicht mit Be¬ stimmtheit nachweisen. Man kann aber mit gutem Rechte behaupten, daß in der ersten geschichtlichen Zeit pommersche Fischer die Urbewohner auf Hela ver¬ drängt haben. Als die Halbinsel Hela unter die Herrschaft des Deutschen Ritter¬ ordens geriet, wurde das Genossenschaftswesen durch besondre Verordnungen geregelt, und schou in der Willkür (Verordnung, Gesetz) vom Jahre 1450 werden die Maatschaperien genannt. Eine Maatschaperie oder Kompagnie wurde nach dem Namen ihres Obmanns benannt, also Kompagnie Otto, Heinrich, Werner nsw- Die Verteilung der gefangnen Fische erfolgte derart, daß jeder Erwcichsne einen Mannesteil und jede Frau, jedes Mädchen oder Kind einen halben Anteil oder den sogenannten Kindesanteil erhielt. Die Zugehörigkeit zu einer Fischer¬ kompagnie berechtigte das Mitglied zum Empfange seines Anteils, auch wen» es durch Unfall oder Krankheit vorübergehend oder dauernd erwerbsunfähig war. Sogar die Witwen und Waisen wurden dieser Fürsorge teilhaftig, wenn ihre Männer oder Väter einer Kompagnie angehört hatten. Auf Hela kann man drei Hauptarten der Fischerei unterscheiden: die Heringsfischerei mit dem großen Zugnetz und in „Manzen" sowie den Lachs- nnd Aalfang. Die gefangnen Heringe werden zunächst in flache Gruben am Strande geschüttet und entweder sofort verbraucht oder verschickt. Der Herings- fang zieht sich vom Frühjahr bis Sommer hin und beschränkt sich auf die Heringszüge oder Schwärme. Besonders große und dichte Schwärme kommen uur an wenig Tagen vor, und das Melden ihrer Ankunft bringt leicht das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/632>, abgerufen am 06.02.2025.