Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Hans von Aleist-Retzow des Staates willen notwendig erschien. Die Protestanten warfen Kleist vor, Hans von Aleist-Retzow des Staates willen notwendig erschien. Die Protestanten warfen Kleist vor, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0630" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302618"/> <fw type="header" place="top"> Hans von Aleist-Retzow</fw><lb/> <p xml:id="ID_2665" prev="#ID_2664" next="#ID_2666"> des Staates willen notwendig erschien. Die Protestanten warfen Kleist vor,<lb/> daß er Katholiken und Jesuiten gegenüber zu vertrauensselig sei. So ver¬<lb/> ursachten bald die konfessionellen, bald die politischen und Verwaltuugsange-<lb/> legenheiten höchst ärgerliche Zwistigkeiten, in denen der Prinz von Preußen<lb/> gewöhnlich auf der Seite der Gegner des Oberpräsidenten stand. Den schlimmsten<lb/> dieser Konflikte hatte Kleist wegen des Bürgermeisters von Koblenz. Bachem,<lb/> zu bestehen. Dieser hatte 1848 den roten Demokraten gespielt und unter<lb/> anderm vor einer großen, ihm zujubelnden Volksmenge am Königsstuhl zu<lb/> Rhense, der bei dieser Gelegenheit in Volksstuhl umgetauft wurde, sein Wein¬<lb/> glas zerschmettert mit den Worten: „So wie ich dies Glas zerschmettere, so<lb/> sollen die Fürstenthrone zerschellen, die dem Volkswillen entgegenhandeln." Er<lb/> hatte dann noch mehreremale im Sinne der Revolution demonstriert, und<lb/> darum stellte, als er nach der Einführung der neuen Gemeindeordnung wieder<lb/> zum Bürgermeister gewählt wurde, die Koblenzer Regierung den Antrag, die Wahl<lb/> solle nicht bestätigt werden. Es geschah dies im Juni 1851, einen Monat vor<lb/> der Ernennung Kleists zum Oberpräsidenten, doch dieser wiederholte den Antrag.<lb/> Bachem aber, der sich übrigens in den Sieg der Reaktion gefunden und das<lb/> rote Gewand abgelegt hatte, war ein gern gesehener Gast im Schlosse geworden<lb/> und wurde von der Prinzessin geradezu, sogar durch Geschenke, ausgezeichnet,<lb/> und während die Liberalen gegen den Antrag der Regierung agitierten, arbeitete<lb/> dieser auch der Prinz hartnäckig entgegen. Im September empfing Bachem von<lb/> dem neuen Großherzog von Baden den Orden vom Zähringer Löwen. Die<lb/> Unterhandlungen zogen sich, da Kleist schedlich, sechs Jahre hin. Erst 1857<lb/> wurde die Sache in Kleists Sinne dadurch erledigt, daß die Bestätigungsfrage<lb/> umgangen wurde, indem man Bachem zum Appellationsgerichtsrat in Köln er¬<lb/> nannte. An einer sehr empfindlichen Stelle traf Kleist den Prinzen, indem er<lb/> gegen die Freimaurer vorging. Er machte die Wahrnehmung, daß sie ihre<lb/> Leute, auch wenn sie ganz ungeeignet waren, durch Empfehlung in Ämter<lb/> brachten, und er forderte nach Verständigung mit dem Minister des Innern<lb/> von den Logen seiner Provinz die Einreichung der Mitgliederlisten, um der<lb/> Protektionswirtschaft entgegentreten zu können. Einige Logen gehorchten, andre<lb/> weigerten sich und beschwerten sich beim Prinzen. Gegen dessen Willen setzte<lb/> Kleist die Forderung durch und verstimmte seinen hohen Hausnachbar aufs<lb/> neue. Im Gegensatz zu diesem, der die nach Kleists wohl unbegründeter An¬<lb/> sicht revolutionären Freimaurer begünstigte, wirkte Kleist, von Massenbach an¬<lb/> geregt, für die Wiederherstellung des Johanniterordens als einer Gesellschaft<lb/> von evangelischen Adlichen und hat dann später selbst im Feldzuge von 1866<lb/> als Johanniter gedient. Im Oktober 1858 ging der Prinz nach Berlin, u>n<lb/> die Regentschaft zu übernehmen. Kleists Jungen waren glücklich, weil sie nun<lb/> nach Herzenslust toben durften, aber ihr Vater wußte, daß er selbst bald würd^<lb/> ausziehen müssen. Schon am 17. November wurde „der Pietist" abberufen.<lb/> Herr vou Pommer-Esche zu seinem Nachfolger ernannt. Die Rheinländer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0630]
Hans von Aleist-Retzow
des Staates willen notwendig erschien. Die Protestanten warfen Kleist vor,
daß er Katholiken und Jesuiten gegenüber zu vertrauensselig sei. So ver¬
ursachten bald die konfessionellen, bald die politischen und Verwaltuugsange-
legenheiten höchst ärgerliche Zwistigkeiten, in denen der Prinz von Preußen
gewöhnlich auf der Seite der Gegner des Oberpräsidenten stand. Den schlimmsten
dieser Konflikte hatte Kleist wegen des Bürgermeisters von Koblenz. Bachem,
zu bestehen. Dieser hatte 1848 den roten Demokraten gespielt und unter
anderm vor einer großen, ihm zujubelnden Volksmenge am Königsstuhl zu
Rhense, der bei dieser Gelegenheit in Volksstuhl umgetauft wurde, sein Wein¬
glas zerschmettert mit den Worten: „So wie ich dies Glas zerschmettere, so
sollen die Fürstenthrone zerschellen, die dem Volkswillen entgegenhandeln." Er
hatte dann noch mehreremale im Sinne der Revolution demonstriert, und
darum stellte, als er nach der Einführung der neuen Gemeindeordnung wieder
zum Bürgermeister gewählt wurde, die Koblenzer Regierung den Antrag, die Wahl
solle nicht bestätigt werden. Es geschah dies im Juni 1851, einen Monat vor
der Ernennung Kleists zum Oberpräsidenten, doch dieser wiederholte den Antrag.
Bachem aber, der sich übrigens in den Sieg der Reaktion gefunden und das
rote Gewand abgelegt hatte, war ein gern gesehener Gast im Schlosse geworden
und wurde von der Prinzessin geradezu, sogar durch Geschenke, ausgezeichnet,
und während die Liberalen gegen den Antrag der Regierung agitierten, arbeitete
dieser auch der Prinz hartnäckig entgegen. Im September empfing Bachem von
dem neuen Großherzog von Baden den Orden vom Zähringer Löwen. Die
Unterhandlungen zogen sich, da Kleist schedlich, sechs Jahre hin. Erst 1857
wurde die Sache in Kleists Sinne dadurch erledigt, daß die Bestätigungsfrage
umgangen wurde, indem man Bachem zum Appellationsgerichtsrat in Köln er¬
nannte. An einer sehr empfindlichen Stelle traf Kleist den Prinzen, indem er
gegen die Freimaurer vorging. Er machte die Wahrnehmung, daß sie ihre
Leute, auch wenn sie ganz ungeeignet waren, durch Empfehlung in Ämter
brachten, und er forderte nach Verständigung mit dem Minister des Innern
von den Logen seiner Provinz die Einreichung der Mitgliederlisten, um der
Protektionswirtschaft entgegentreten zu können. Einige Logen gehorchten, andre
weigerten sich und beschwerten sich beim Prinzen. Gegen dessen Willen setzte
Kleist die Forderung durch und verstimmte seinen hohen Hausnachbar aufs
neue. Im Gegensatz zu diesem, der die nach Kleists wohl unbegründeter An¬
sicht revolutionären Freimaurer begünstigte, wirkte Kleist, von Massenbach an¬
geregt, für die Wiederherstellung des Johanniterordens als einer Gesellschaft
von evangelischen Adlichen und hat dann später selbst im Feldzuge von 1866
als Johanniter gedient. Im Oktober 1858 ging der Prinz nach Berlin, u>n
die Regentschaft zu übernehmen. Kleists Jungen waren glücklich, weil sie nun
nach Herzenslust toben durften, aber ihr Vater wußte, daß er selbst bald würd^
ausziehen müssen. Schon am 17. November wurde „der Pietist" abberufen.
Herr vou Pommer-Esche zu seinem Nachfolger ernannt. Die Rheinländer
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