Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Beschießung von Paris zur Beschießung gefördert Hütte; nur insofern, als Blumeuthals Auffassung durch Andrerseits hatte auch Blumenthal seine Rechnung keineswegs ausschließlich Vgl. Blumenthal, Kriegstagebuch Is. September: "ich stimmte fast ganz mit Moltke und freue mich, daß es so ausgeführt werden soll, wie ich mir es gedacht." 7. Oktober: "es ist wirklich ganz eigentümlich, daß ich mit General v. Moltke stets einig bin." 21. Oktober: "Ich machte dem Kronprinzen hierüber Vortrag und fuhr dann zum General v. Moltke, um ihm die Sache vorzustellen. Er stimmte ganz mit meiner Anschauung und glaubte, daß wir gar nicht zur Beschießung kommen würden, der Hunger würde die Franzosen früher zum Frieden zwingen." 21. November: "wie lange es noch möglich sein wird, dem blutdürstigen Andrängen mein Veto entgegenzusetzen, weiß ich nicht; vorläufig habe ich noch den König und Moltke für mich." 8. Dezember: "ich konnte dabei längere Zeit mit Graf v. Moltke sprechen und habe die Überzeugung gewonnen, daß meine Auffassung der Situation ganz mit der seinigen über¬ einstimmt. Er glaubt auch, daß die Pariser sich noch im Laufe dieses Monats aus Hunger ergeben müssen, und daß es besser wäre, die schweren Geschütze zur Befestigung unsrer Stellung zu verwenden, als eine Belagerung anzufangen, für die wir durchaus nicht genügend mit Mitteln ausgerüstet sind." 18. Dezember: "Von Moltke kam ein Schreiben, worin die Prinzipien dar¬ gelegt waren, nach denen der Krieg jetzt geführt werden soll, und mit denen ich nur ganz über¬ einstimmen kann." 3. Januar: "ich habe mich hierüber gegen Moltke ausgesprochen: er stimmte mir ganz bei und wird wohl morgen die Sache beim Könige zum Vortrag bringen." Und Moltkes Bemerkung zu Blumenthals Schreiben vom 21. November: "mündlich Einverständnis erklärt" (s. Moltke, Militärische Korrespondenz Ur. 486). Lehmann, Die Mobilmachung 1870/71, S. 121.
Die Beschießung von Paris zur Beschießung gefördert Hütte; nur insofern, als Blumeuthals Auffassung durch Andrerseits hatte auch Blumenthal seine Rechnung keineswegs ausschließlich Vgl. Blumenthal, Kriegstagebuch Is. September: „ich stimmte fast ganz mit Moltke und freue mich, daß es so ausgeführt werden soll, wie ich mir es gedacht." 7. Oktober: „es ist wirklich ganz eigentümlich, daß ich mit General v. Moltke stets einig bin." 21. Oktober: „Ich machte dem Kronprinzen hierüber Vortrag und fuhr dann zum General v. Moltke, um ihm die Sache vorzustellen. Er stimmte ganz mit meiner Anschauung und glaubte, daß wir gar nicht zur Beschießung kommen würden, der Hunger würde die Franzosen früher zum Frieden zwingen." 21. November: „wie lange es noch möglich sein wird, dem blutdürstigen Andrängen mein Veto entgegenzusetzen, weiß ich nicht; vorläufig habe ich noch den König und Moltke für mich." 8. Dezember: „ich konnte dabei längere Zeit mit Graf v. Moltke sprechen und habe die Überzeugung gewonnen, daß meine Auffassung der Situation ganz mit der seinigen über¬ einstimmt. Er glaubt auch, daß die Pariser sich noch im Laufe dieses Monats aus Hunger ergeben müssen, und daß es besser wäre, die schweren Geschütze zur Befestigung unsrer Stellung zu verwenden, als eine Belagerung anzufangen, für die wir durchaus nicht genügend mit Mitteln ausgerüstet sind." 18. Dezember: „Von Moltke kam ein Schreiben, worin die Prinzipien dar¬ gelegt waren, nach denen der Krieg jetzt geführt werden soll, und mit denen ich nur ganz über¬ einstimmen kann." 3. Januar: „ich habe mich hierüber gegen Moltke ausgesprochen: er stimmte mir ganz bei und wird wohl morgen die Sache beim Könige zum Vortrag bringen." Und Moltkes Bemerkung zu Blumenthals Schreiben vom 21. November: „mündlich Einverständnis erklärt" (s. Moltke, Militärische Korrespondenz Ur. 486). Lehmann, Die Mobilmachung 1870/71, S. 121.
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Die Beschießung von Paris
zur Beschießung gefördert Hütte; nur insofern, als Blumeuthals Auffassung durch
den Vergleich mit Moltke in ein verkehrtes Licht gerückt wird. Denn keines¬
wegs waren Moltke und Blumenthal Antipoden in der Beschießnngsfrage, wie
jene Gegenttberstelluug „ungenügend unterrichtete Leser" glauben machen könnte;
vielmehr haben die beiden großen Strategen die Kapitulation von Paris offen¬
bar in der größten Harmonie*) zu erzwingen gesucht, und diese wurde durch
die Konferenz vom 17. Dezember nicht gestört; denn Moltkes Ansicht von dem
Werte der Aushungerung blieb trotz der Konferenz von Bestand, wie sein Brief
vom 22. Dezember zeigt: „Um Paris zu bombardieren, müssen wir erst die Forts
haben. Es ist auch zur Anwendung dieses Zwangsmittels nichts versäumt, ich
erwarte aber weit mehr von dem langsamer, aber sicher wirkenden Hunger."
Andrerseits hatte auch Blumenthal seine Rechnung keineswegs ausschließlich
auf die Aushungerung gesetzt. Schreibt er doch am 21. November um Moltke:
„Für den Fall indes, daß dies (die Kapitulation infolge Hungers bis Ende
des Jahres) doch nicht geschieht, muß alles zur förmlichen Belagerung purae
sein, die dann nach allen Regeln der Kunst und mit möglichst geringen Opfern
Schritt vor Schritt auszuführen ist. Die Mittel dazu werden parat sein"; und
daß Blumenthal im Interesse der Beschleunigung der Angriffsvorbereitungeu
nichts unterlassen hat, dürfte mit der Veröffentlichung des Inhalts seines
Schreibens vom 4. Dezember an das Kriegsministerium**) erwiesen sein, wonach
er „sechsmal in Anträgen, Meldungen und Berichten an das Große Haupt¬
quartier die traurige Beschaffenheit der Transportmittel auseinandergesetzt, die
Unabwendbarkeit der Forderung, größere und bessere Transportmittel zu be¬
schaffen, dargelegt". Wenn trotzdem die Munition am 23. Dezember noch immer
Vgl. Blumenthal, Kriegstagebuch Is. September: „ich stimmte fast ganz mit Moltke
und freue mich, daß es so ausgeführt werden soll, wie ich mir es gedacht." 7. Oktober: „es ist
wirklich ganz eigentümlich, daß ich mit General v. Moltke stets einig bin." 21. Oktober: „Ich
machte dem Kronprinzen hierüber Vortrag und fuhr dann zum General v. Moltke, um ihm
die Sache vorzustellen. Er stimmte ganz mit meiner Anschauung und glaubte, daß wir gar
nicht zur Beschießung kommen würden, der Hunger würde die Franzosen früher zum Frieden
zwingen." 21. November: „wie lange es noch möglich sein wird, dem blutdürstigen Andrängen
mein Veto entgegenzusetzen, weiß ich nicht; vorläufig habe ich noch den König und Moltke für
mich." 8. Dezember: „ich konnte dabei längere Zeit mit Graf v. Moltke sprechen und habe
die Überzeugung gewonnen, daß meine Auffassung der Situation ganz mit der seinigen über¬
einstimmt. Er glaubt auch, daß die Pariser sich noch im Laufe dieses Monats aus Hunger
ergeben müssen, und daß es besser wäre, die schweren Geschütze zur Befestigung unsrer Stellung
zu verwenden, als eine Belagerung anzufangen, für die wir durchaus nicht genügend mit Mitteln
ausgerüstet sind." 18. Dezember: „Von Moltke kam ein Schreiben, worin die Prinzipien dar¬
gelegt waren, nach denen der Krieg jetzt geführt werden soll, und mit denen ich nur ganz über¬
einstimmen kann." 3. Januar: „ich habe mich hierüber gegen Moltke ausgesprochen: er stimmte
mir ganz bei und wird wohl morgen die Sache beim Könige zum Vortrag bringen." Und
Moltkes Bemerkung zu Blumenthals Schreiben vom 21. November: „mündlich Einverständnis
erklärt" (s. Moltke, Militärische Korrespondenz Ur. 486).
Lehmann, Die Mobilmachung 1870/71, S. 121.
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