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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Beschießung von Paris

nötige Munition eingetroffen sei, der Befehl zur Beschießung gegeben werden
sollte. Freudig schreibt darum Roon*) am 17. Dezember: "Endlich scheint mir
nun doch, das ist das Resultat unsrer heutigen Konferenz, die Beschießung be¬
ginnen zu können -- in -- etwa vierzehn Tagen -- freilich aber kann ich nicht
wissen, welche Hindernisse die Politik des passiven Widerstandes inzwischen neu
ersinnen wird, um die Ausführung der königlichen Befehle ferner hinauszu¬
schieben."

Zu dem entgegengesetzten Resultat führte die Besprechung der zweiten Frage.
Sie wurde, wie wir aus den Aufzeichnungen des Generals von Hindersm*")
wissen, durch den Kriegsminister eingeleitet, der den Antrag stellte, die Be¬
schießung von Paris selbst mit sechs bis acht Geschützen zu beginnen, und zwar
noch "vor Ankunft der ersten Munitionsrate von fünfhundert Schuß", d.h. bevor
die erste Muuitiousrate ganz vorhanden sei und sonnt die Beschießung der Forts
beginnen könne. Aber "die Fachmänner sprachen alle gegen die wahrscheinlich
ganz resnltatlose fähnrichsmäßige Beschießung".'^) insonderheit von Hindersin,
der darüber berichtet: "Ich bekämpfte die Ansicht des Kriegsministers, schon
aus den jetzigen Batterien auf so weiten Entfernungen Paris zu bombardieren,
und nannte dies einen bloßen Bombardementskitzel, mit dem man sich der
Lächerlichkeit aussetze. Ich beantragte, erst die Forts zum Schweigen zu bringen
und dann Vatteriestellungen zu schaffen, zweitausend bis dreitausend Schritt
näher an der Stadt, "f)

Der König gab offenbar seine Zustimmung-^) zu Hindersins Vorschlag.
Das ergibt sich deutlich aus dem Wortlaute des Beschießungsbefehls vom
2V. Dezember: "Die erste Aufgabe der Belagernngsartillerie ist das Nieder¬
kämpfen des Feuers der Forts und, unter Verzicht ans die Wegnahme der
Forts Jssy und Vcmves. die Gewinnung näherer Stellungen zur Einleitung
einer kräftige,: Beschießung der Stadt.. ."'M') und Blumenthals Mitteilung von.
3- Januar: "Heute früh'beim Vortrag ließ Oberst von Nieff die Absicht durch¬
wehen, daß er auch einige Granaten in die Stadt werfen wolle. Ich sagte
'hin, dazu habe er keinen Befehl, sondern nnr zur Beschießung der Forts und
ihrer Kvllateralwerke."

^,,
Ein Zufall fügte es, daß die Ausführung dennoch im Widerspruch mit
jenem Befehl stand. Den Bemtthnngen der Artilleristen war es maul.es ge-








*) v. Rom,, Denkwürdigkeiten, Bd. II, S. 516.
v. Müller a. a. O., Bd. IV, S. 80.
Blumenthal n. a. O. vom 17. Dezember,
'
1) v, Müller a. a, O., S, 80,
^
N) vgl, v, Müller a, a. O, "Der König lehnte hierauf den Antrag des General"
Roon ab,"
1111 v- Müller, Ergänzungsheft S. 18 ! v. M. bemerk, dazu: "Hiermit waren Zweck und Ver¬
fahren des Angriffs vräzisiert. Die geringe Schußweite der Kanonen bedingte zuerst d.e N-eder-
tt-npfung der Forts, und sobald diese erreicht, das Vorschieben von Batterien M- Beschießung
der Stadt; also zwei nacheinander zu lösende Aufgaben,"
Die Beschießung von Paris

nötige Munition eingetroffen sei, der Befehl zur Beschießung gegeben werden
sollte. Freudig schreibt darum Roon*) am 17. Dezember: „Endlich scheint mir
nun doch, das ist das Resultat unsrer heutigen Konferenz, die Beschießung be¬
ginnen zu können — in — etwa vierzehn Tagen — freilich aber kann ich nicht
wissen, welche Hindernisse die Politik des passiven Widerstandes inzwischen neu
ersinnen wird, um die Ausführung der königlichen Befehle ferner hinauszu¬
schieben."

Zu dem entgegengesetzten Resultat führte die Besprechung der zweiten Frage.
Sie wurde, wie wir aus den Aufzeichnungen des Generals von Hindersm*")
wissen, durch den Kriegsminister eingeleitet, der den Antrag stellte, die Be¬
schießung von Paris selbst mit sechs bis acht Geschützen zu beginnen, und zwar
noch „vor Ankunft der ersten Munitionsrate von fünfhundert Schuß", d.h. bevor
die erste Muuitiousrate ganz vorhanden sei und sonnt die Beschießung der Forts
beginnen könne. Aber „die Fachmänner sprachen alle gegen die wahrscheinlich
ganz resnltatlose fähnrichsmäßige Beschießung".'^) insonderheit von Hindersin,
der darüber berichtet: „Ich bekämpfte die Ansicht des Kriegsministers, schon
aus den jetzigen Batterien auf so weiten Entfernungen Paris zu bombardieren,
und nannte dies einen bloßen Bombardementskitzel, mit dem man sich der
Lächerlichkeit aussetze. Ich beantragte, erst die Forts zum Schweigen zu bringen
und dann Vatteriestellungen zu schaffen, zweitausend bis dreitausend Schritt
näher an der Stadt, "f)

Der König gab offenbar seine Zustimmung-^) zu Hindersins Vorschlag.
Das ergibt sich deutlich aus dem Wortlaute des Beschießungsbefehls vom
2V. Dezember: „Die erste Aufgabe der Belagernngsartillerie ist das Nieder¬
kämpfen des Feuers der Forts und, unter Verzicht ans die Wegnahme der
Forts Jssy und Vcmves. die Gewinnung näherer Stellungen zur Einleitung
einer kräftige,: Beschießung der Stadt.. ."'M') und Blumenthals Mitteilung von.
3- Januar: „Heute früh'beim Vortrag ließ Oberst von Nieff die Absicht durch¬
wehen, daß er auch einige Granaten in die Stadt werfen wolle. Ich sagte
'hin, dazu habe er keinen Befehl, sondern nnr zur Beschießung der Forts und
ihrer Kvllateralwerke."

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Ein Zufall fügte es, daß die Ausführung dennoch im Widerspruch mit
jenem Befehl stand. Den Bemtthnngen der Artilleristen war es maul.es ge-








*) v. Rom,, Denkwürdigkeiten, Bd. II, S. 516.
v. Müller a. a. O., Bd. IV, S. 80.
Blumenthal n. a. O. vom 17. Dezember,
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1) v, Müller a. a, O., S, 80,
^
N) vgl, v, Müller a, a. O, „Der König lehnte hierauf den Antrag des General»
Roon ab,"
1111 v- Müller, Ergänzungsheft S. 18 ! v. M. bemerk, dazu: „Hiermit waren Zweck und Ver¬
fahren des Angriffs vräzisiert. Die geringe Schußweite der Kanonen bedingte zuerst d.e N-eder-
tt-npfung der Forts, und sobald diese erreicht, das Vorschieben von Batterien M- Beschießung
der Stadt; also zwei nacheinander zu lösende Aufgaben,"
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[0615] Die Beschießung von Paris nötige Munition eingetroffen sei, der Befehl zur Beschießung gegeben werden sollte. Freudig schreibt darum Roon*) am 17. Dezember: „Endlich scheint mir nun doch, das ist das Resultat unsrer heutigen Konferenz, die Beschießung be¬ ginnen zu können — in — etwa vierzehn Tagen — freilich aber kann ich nicht wissen, welche Hindernisse die Politik des passiven Widerstandes inzwischen neu ersinnen wird, um die Ausführung der königlichen Befehle ferner hinauszu¬ schieben." Zu dem entgegengesetzten Resultat führte die Besprechung der zweiten Frage. Sie wurde, wie wir aus den Aufzeichnungen des Generals von Hindersm*") wissen, durch den Kriegsminister eingeleitet, der den Antrag stellte, die Be¬ schießung von Paris selbst mit sechs bis acht Geschützen zu beginnen, und zwar noch „vor Ankunft der ersten Munitionsrate von fünfhundert Schuß", d.h. bevor die erste Muuitiousrate ganz vorhanden sei und sonnt die Beschießung der Forts beginnen könne. Aber „die Fachmänner sprachen alle gegen die wahrscheinlich ganz resnltatlose fähnrichsmäßige Beschießung".'^) insonderheit von Hindersin, der darüber berichtet: „Ich bekämpfte die Ansicht des Kriegsministers, schon aus den jetzigen Batterien auf so weiten Entfernungen Paris zu bombardieren, und nannte dies einen bloßen Bombardementskitzel, mit dem man sich der Lächerlichkeit aussetze. Ich beantragte, erst die Forts zum Schweigen zu bringen und dann Vatteriestellungen zu schaffen, zweitausend bis dreitausend Schritt näher an der Stadt, "f) Der König gab offenbar seine Zustimmung-^) zu Hindersins Vorschlag. Das ergibt sich deutlich aus dem Wortlaute des Beschießungsbefehls vom 2V. Dezember: „Die erste Aufgabe der Belagernngsartillerie ist das Nieder¬ kämpfen des Feuers der Forts und, unter Verzicht ans die Wegnahme der Forts Jssy und Vcmves. die Gewinnung näherer Stellungen zur Einleitung einer kräftige,: Beschießung der Stadt.. ."'M') und Blumenthals Mitteilung von. 3- Januar: „Heute früh'beim Vortrag ließ Oberst von Nieff die Absicht durch¬ wehen, daß er auch einige Granaten in die Stadt werfen wolle. Ich sagte 'hin, dazu habe er keinen Befehl, sondern nnr zur Beschießung der Forts und ihrer Kvllateralwerke." ^,, Ein Zufall fügte es, daß die Ausführung dennoch im Widerspruch mit jenem Befehl stand. Den Bemtthnngen der Artilleristen war es maul.es ge- *) v. Rom,, Denkwürdigkeiten, Bd. II, S. 516. v. Müller a. a. O., Bd. IV, S. 80. Blumenthal n. a. O. vom 17. Dezember, ' 1) v, Müller a. a, O., S, 80, ^ N) vgl, v, Müller a, a. O, „Der König lehnte hierauf den Antrag des General» Roon ab," 1111 v- Müller, Ergänzungsheft S. 18 ! v. M. bemerk, dazu: „Hiermit waren Zweck und Ver¬ fahren des Angriffs vräzisiert. Die geringe Schußweite der Kanonen bedingte zuerst d.e N-eder- tt-npfung der Forts, und sobald diese erreicht, das Vorschieben von Batterien M- Beschießung der Stadt; also zwei nacheinander zu lösende Aufgaben,"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/615>, abgerufen am 06.02.2025.