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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Beschießung von Paris

ist unser tägliches Brot, . . der König treibt unausgesetzt, und Bismarck, wen"
möglich, noch mehr -- das große Verdienst, das König Wilhelm durch seine
Initiative sich erworben hat, wird durch jene Aufzeichnung General Blumenthals
verdunkelt, die von vielen ungenügend unterrichteten Lesern für zutreffend an¬
genommen wird."

Mir scheint das zitierte Wort anders erklärt werden zu müssen. Fraglos
schließen die bisher erlassenen Befehle jeden Zweifel an dem festen Entschluß
des Königs, Paris anzugreifen, aus. In der bestimmtesten Form brachte diesen
das unter dem 28. November an Moltke und Roon gerichtete Schreiben*) zum
Ausdruck. ". . . dies alles verpflichtet mich, die Frage der Beschleunigung des An¬
griffs auf die südlichen Forts des Entschiedensten in die Hand zu nehmen . . .",
und den Worten folgte die Tat, nachdem Trochn die direkte Aufforderung zur
Kapitulation abgelehnt hatte. Unter dem 7. Dezember wurde der nun als not¬
wendig erachtete militärisch organisierte Fuhrpark von neunhundert bis tausend
Einspännern mobilisiert; zugleich wurden je tausend Zugpferde zum Muuitions-
transport von der ersten und der zweiten Armee heranbcordert, während der dritten
Armee befohlen wurde, einen Teil der Bespannung der Munitionskolonnen im
Interesse der Beschleunigung der Belageruugsarbeiten zu verwenden. Auch
soweit ein Urteil über den im Wortlaut zwar nicht vorliegenden Befehl zur
Einberufung der Konferenz vom 17. Dezember zulässig ist, muß dieser in un¬
verkennbarer Form des Königs feststehenden Entschluß, die Beschießung nunmehr
zu beginnen, bekannt gegeben Habens; denn offenbar war von vornherein die
andre, bisher auch von Moltke ins Auge gefaßte Möglichkeit, die Kapitulation
von Paris durch Aushungern zu erzwingen, von der Beratung ausgeschlossen.^*)
Aber die Konferenz modifizierte den Entschluß des Königs, indem sie die Be¬
schießung der Außen- und der Jnncnwerke gesondert behandelte, entsprechend
den dem General von Hindersin am Tage vor der Konferenz zugestellten, von
v. Müller <S. 13) veröffentlichten Fragen: 1. Ist von dem Feuer der bis jetzt
zu dem Angriffe gegen die Forts Jssy und Vanves projektierten Batterien die
Vernichtung der artilleristischen Wirksamkeit dieser Forts zu erwarten. . - .?
2. Ist. . . ein erfolgreiches Bombardement des Stadtteils ans dem linken Scine-
ufcr möglich?

Die erhaltnen Berichte der Teilnehmer an der Konferenz lassen keinen
Zweifel darüber, daß, wenn auch der endgiltige Beschluß zur Beschießung der
Forts noch nicht gefaßt wurde, weil die nötige Munition noch immer nicht zur
Stelle war, doch eine dahin gehende Einigung erreicht wurde, daß, sobald die





') Moltke, Militärische Korrespondenz, Ur. 453.
v. Müller, S. Is: "Da der König bestimmt die Absicht kundgegeben, daß die Artillerie
in Tätigkeit treten sollte. . ."
Blumenthal, Kriegstagebücher vom 17. Dezember! "Zu dem ganz einfachen und durch
die Verhältnisse gebotnen Entschluß, sich allein auf die Aushungerung zu beschränken . . . kam
man nicht, ja er wurde nicht einmal angedeutet."
Die Beschießung von Paris

ist unser tägliches Brot, . . der König treibt unausgesetzt, und Bismarck, wen»
möglich, noch mehr — das große Verdienst, das König Wilhelm durch seine
Initiative sich erworben hat, wird durch jene Aufzeichnung General Blumenthals
verdunkelt, die von vielen ungenügend unterrichteten Lesern für zutreffend an¬
genommen wird."

Mir scheint das zitierte Wort anders erklärt werden zu müssen. Fraglos
schließen die bisher erlassenen Befehle jeden Zweifel an dem festen Entschluß
des Königs, Paris anzugreifen, aus. In der bestimmtesten Form brachte diesen
das unter dem 28. November an Moltke und Roon gerichtete Schreiben*) zum
Ausdruck. „. . . dies alles verpflichtet mich, die Frage der Beschleunigung des An¬
griffs auf die südlichen Forts des Entschiedensten in die Hand zu nehmen . . .",
und den Worten folgte die Tat, nachdem Trochn die direkte Aufforderung zur
Kapitulation abgelehnt hatte. Unter dem 7. Dezember wurde der nun als not¬
wendig erachtete militärisch organisierte Fuhrpark von neunhundert bis tausend
Einspännern mobilisiert; zugleich wurden je tausend Zugpferde zum Muuitions-
transport von der ersten und der zweiten Armee heranbcordert, während der dritten
Armee befohlen wurde, einen Teil der Bespannung der Munitionskolonnen im
Interesse der Beschleunigung der Belageruugsarbeiten zu verwenden. Auch
soweit ein Urteil über den im Wortlaut zwar nicht vorliegenden Befehl zur
Einberufung der Konferenz vom 17. Dezember zulässig ist, muß dieser in un¬
verkennbarer Form des Königs feststehenden Entschluß, die Beschießung nunmehr
zu beginnen, bekannt gegeben Habens; denn offenbar war von vornherein die
andre, bisher auch von Moltke ins Auge gefaßte Möglichkeit, die Kapitulation
von Paris durch Aushungern zu erzwingen, von der Beratung ausgeschlossen.^*)
Aber die Konferenz modifizierte den Entschluß des Königs, indem sie die Be¬
schießung der Außen- und der Jnncnwerke gesondert behandelte, entsprechend
den dem General von Hindersin am Tage vor der Konferenz zugestellten, von
v. Müller <S. 13) veröffentlichten Fragen: 1. Ist von dem Feuer der bis jetzt
zu dem Angriffe gegen die Forts Jssy und Vanves projektierten Batterien die
Vernichtung der artilleristischen Wirksamkeit dieser Forts zu erwarten. . - .?
2. Ist. . . ein erfolgreiches Bombardement des Stadtteils ans dem linken Scine-
ufcr möglich?

Die erhaltnen Berichte der Teilnehmer an der Konferenz lassen keinen
Zweifel darüber, daß, wenn auch der endgiltige Beschluß zur Beschießung der
Forts noch nicht gefaßt wurde, weil die nötige Munition noch immer nicht zur
Stelle war, doch eine dahin gehende Einigung erreicht wurde, daß, sobald die





') Moltke, Militärische Korrespondenz, Ur. 453.
v. Müller, S. Is: „Da der König bestimmt die Absicht kundgegeben, daß die Artillerie
in Tätigkeit treten sollte. . ."
Blumenthal, Kriegstagebücher vom 17. Dezember! „Zu dem ganz einfachen und durch
die Verhältnisse gebotnen Entschluß, sich allein auf die Aushungerung zu beschränken . . . kam
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[0614] Die Beschießung von Paris ist unser tägliches Brot, . . der König treibt unausgesetzt, und Bismarck, wen» möglich, noch mehr — das große Verdienst, das König Wilhelm durch seine Initiative sich erworben hat, wird durch jene Aufzeichnung General Blumenthals verdunkelt, die von vielen ungenügend unterrichteten Lesern für zutreffend an¬ genommen wird." Mir scheint das zitierte Wort anders erklärt werden zu müssen. Fraglos schließen die bisher erlassenen Befehle jeden Zweifel an dem festen Entschluß des Königs, Paris anzugreifen, aus. In der bestimmtesten Form brachte diesen das unter dem 28. November an Moltke und Roon gerichtete Schreiben*) zum Ausdruck. „. . . dies alles verpflichtet mich, die Frage der Beschleunigung des An¬ griffs auf die südlichen Forts des Entschiedensten in die Hand zu nehmen . . .", und den Worten folgte die Tat, nachdem Trochn die direkte Aufforderung zur Kapitulation abgelehnt hatte. Unter dem 7. Dezember wurde der nun als not¬ wendig erachtete militärisch organisierte Fuhrpark von neunhundert bis tausend Einspännern mobilisiert; zugleich wurden je tausend Zugpferde zum Muuitions- transport von der ersten und der zweiten Armee heranbcordert, während der dritten Armee befohlen wurde, einen Teil der Bespannung der Munitionskolonnen im Interesse der Beschleunigung der Belageruugsarbeiten zu verwenden. Auch soweit ein Urteil über den im Wortlaut zwar nicht vorliegenden Befehl zur Einberufung der Konferenz vom 17. Dezember zulässig ist, muß dieser in un¬ verkennbarer Form des Königs feststehenden Entschluß, die Beschießung nunmehr zu beginnen, bekannt gegeben Habens; denn offenbar war von vornherein die andre, bisher auch von Moltke ins Auge gefaßte Möglichkeit, die Kapitulation von Paris durch Aushungern zu erzwingen, von der Beratung ausgeschlossen.^*) Aber die Konferenz modifizierte den Entschluß des Königs, indem sie die Be¬ schießung der Außen- und der Jnncnwerke gesondert behandelte, entsprechend den dem General von Hindersin am Tage vor der Konferenz zugestellten, von v. Müller <S. 13) veröffentlichten Fragen: 1. Ist von dem Feuer der bis jetzt zu dem Angriffe gegen die Forts Jssy und Vanves projektierten Batterien die Vernichtung der artilleristischen Wirksamkeit dieser Forts zu erwarten. . - .? 2. Ist. . . ein erfolgreiches Bombardement des Stadtteils ans dem linken Scine- ufcr möglich? Die erhaltnen Berichte der Teilnehmer an der Konferenz lassen keinen Zweifel darüber, daß, wenn auch der endgiltige Beschluß zur Beschießung der Forts noch nicht gefaßt wurde, weil die nötige Munition noch immer nicht zur Stelle war, doch eine dahin gehende Einigung erreicht wurde, daß, sobald die ') Moltke, Militärische Korrespondenz, Ur. 453. v. Müller, S. Is: „Da der König bestimmt die Absicht kundgegeben, daß die Artillerie in Tätigkeit treten sollte. . ." Blumenthal, Kriegstagebücher vom 17. Dezember! „Zu dem ganz einfachen und durch die Verhältnisse gebotnen Entschluß, sich allein auf die Aushungerung zu beschränken . . . kam man nicht, ja er wurde nicht einmal angedeutet."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/614>, abgerufen am 06.02.2025.