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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika

frage sei, von der das Gedeihen dieses Teils der Union in einem Maße ab¬
hänge, daß sie bei der Größe des in Frage kommenden Gebiets die stete und
sorgfältige Beachtung des Gcsamtstaats verdiene. Der in so hohem Maße auf
das Wirkliche gerichtete Sinn der Amerikaner sei aber die beste Gewähr dafür,
daß ihr wunderbares Staatswesen durch alle Schwierigkeiten zum dauernden
Bestand hindurchgeführt werden würde.

Die Dovesche Schrift ist in ihrem gesunden Optimismus jedenfalls ein
wichtiger Baustein zum Fundamente der deutsch-amerikanischen Freundschaft.
Die günstige Prognose, die er der Entwicklung der Union stellt, ist aller
Wahrscheinlichkeit nach begründet, denn die unerschöpflichen natürlichen Hilfs¬
mittel des Landes sind geeignet, die hier und da vorhandnen Mißstände aus¬
zugleichen. Wenn nicht alle Zeichen trügen, werden die Vereinigten Staaten
von Amerika in wirtschaftlicher und auch in politischer Hinsicht von Tag zu
Tage mehr eine Weltmacht werden, die für uns schon deshalb eine gar nicht
hoch genug anzuschlagende Bedeutung hat, weil sie bis jetzt außer dem zurzeit
so ohnmächtigen Rußland die einzige ist, die nicht auf das englische Liebes-
werben eingegangen ist.

Hieran wird auch kaum der jüngste angebliche Erfolg Englands, den man
in dem französisch-japanischen Vertrage sehen will, etwas ändern. Die deutsch¬
freundliche Wirkung dieses Abkommens auf die Vereinigten Staaten liegt auf
der Hand, denn die öffentliche Meinung ist dort, wie die neuen Reibungen in
Kalifornien beweisen, noch keineswegs zur Ruhe gekommen und jeder An¬
näherung an Japan abgeneigt. Von den andern Weltmächten steht aber nur
das Deutsche Reich Japan kühl wartend gegenüber, klar aller Welt zeigend,
daß es genau so Japans Interesse ist, sich mit ihm gut zu stellen, wie um¬
gekehrt, während sich Großbritannien und Frankreich jetzt den Rang ablaufen,
um Japans Finanzbedürfnis von zwei Milliarden Franken zu stillen und sich
dafür ihren Besitzstand in Ostasien garantieren zu lassen.

Inwieweit Rußland in diese Politik hineingezogen und zu einer An¬
näherung an Japan bewogen werden wird, muß abgewartet werden. Nußland
fährt fort, seine strategische Position im fernen Osten zu verstärken. Die sibi¬
rische Bahn wird zweigleisig ausgebaut und von Karimskaja ab zur größern
Sicherung gegen japanische Überraschungen von der jetzigen Linie abgezweigt,
um über Sretensk an der Schilka, einem Nebenflüsse des Amur, nach Chaba-
rowsk geführt zu werden, wo sie den Anschluß an die schon im Betriebe be¬
griffne Strecke Chabarowsk-Wladiwostok finden soll. Zwischen Sretensk und
Chabarowsk ist schon jetzt eine Dampferverbindung hergestellt mit einer Fahrt¬
dauer von ungefähr einer Woche für die ganze Strecke, sodaß nach Fertig¬
stellung des fehlenden Gliedes Karimskaja-Sretensk der neue Weg benutzt
werden könnte. Ein etwaiger zweiter Krieg Rußlands gegen Japan würde
darum den Russen bei der Möglichkeit eines schnellern und weit zahlreichern
Truppentransports ganz andre Chancen des Erfolges bieten als das erstemal.


Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika

frage sei, von der das Gedeihen dieses Teils der Union in einem Maße ab¬
hänge, daß sie bei der Größe des in Frage kommenden Gebiets die stete und
sorgfältige Beachtung des Gcsamtstaats verdiene. Der in so hohem Maße auf
das Wirkliche gerichtete Sinn der Amerikaner sei aber die beste Gewähr dafür,
daß ihr wunderbares Staatswesen durch alle Schwierigkeiten zum dauernden
Bestand hindurchgeführt werden würde.

Die Dovesche Schrift ist in ihrem gesunden Optimismus jedenfalls ein
wichtiger Baustein zum Fundamente der deutsch-amerikanischen Freundschaft.
Die günstige Prognose, die er der Entwicklung der Union stellt, ist aller
Wahrscheinlichkeit nach begründet, denn die unerschöpflichen natürlichen Hilfs¬
mittel des Landes sind geeignet, die hier und da vorhandnen Mißstände aus¬
zugleichen. Wenn nicht alle Zeichen trügen, werden die Vereinigten Staaten
von Amerika in wirtschaftlicher und auch in politischer Hinsicht von Tag zu
Tage mehr eine Weltmacht werden, die für uns schon deshalb eine gar nicht
hoch genug anzuschlagende Bedeutung hat, weil sie bis jetzt außer dem zurzeit
so ohnmächtigen Rußland die einzige ist, die nicht auf das englische Liebes-
werben eingegangen ist.

Hieran wird auch kaum der jüngste angebliche Erfolg Englands, den man
in dem französisch-japanischen Vertrage sehen will, etwas ändern. Die deutsch¬
freundliche Wirkung dieses Abkommens auf die Vereinigten Staaten liegt auf
der Hand, denn die öffentliche Meinung ist dort, wie die neuen Reibungen in
Kalifornien beweisen, noch keineswegs zur Ruhe gekommen und jeder An¬
näherung an Japan abgeneigt. Von den andern Weltmächten steht aber nur
das Deutsche Reich Japan kühl wartend gegenüber, klar aller Welt zeigend,
daß es genau so Japans Interesse ist, sich mit ihm gut zu stellen, wie um¬
gekehrt, während sich Großbritannien und Frankreich jetzt den Rang ablaufen,
um Japans Finanzbedürfnis von zwei Milliarden Franken zu stillen und sich
dafür ihren Besitzstand in Ostasien garantieren zu lassen.

Inwieweit Rußland in diese Politik hineingezogen und zu einer An¬
näherung an Japan bewogen werden wird, muß abgewartet werden. Nußland
fährt fort, seine strategische Position im fernen Osten zu verstärken. Die sibi¬
rische Bahn wird zweigleisig ausgebaut und von Karimskaja ab zur größern
Sicherung gegen japanische Überraschungen von der jetzigen Linie abgezweigt,
um über Sretensk an der Schilka, einem Nebenflüsse des Amur, nach Chaba-
rowsk geführt zu werden, wo sie den Anschluß an die schon im Betriebe be¬
griffne Strecke Chabarowsk-Wladiwostok finden soll. Zwischen Sretensk und
Chabarowsk ist schon jetzt eine Dampferverbindung hergestellt mit einer Fahrt¬
dauer von ungefähr einer Woche für die ganze Strecke, sodaß nach Fertig¬
stellung des fehlenden Gliedes Karimskaja-Sretensk der neue Weg benutzt
werden könnte. Ein etwaiger zweiter Krieg Rußlands gegen Japan würde
darum den Russen bei der Möglichkeit eines schnellern und weit zahlreichern
Truppentransports ganz andre Chancen des Erfolges bieten als das erstemal.


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[0612] Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika frage sei, von der das Gedeihen dieses Teils der Union in einem Maße ab¬ hänge, daß sie bei der Größe des in Frage kommenden Gebiets die stete und sorgfältige Beachtung des Gcsamtstaats verdiene. Der in so hohem Maße auf das Wirkliche gerichtete Sinn der Amerikaner sei aber die beste Gewähr dafür, daß ihr wunderbares Staatswesen durch alle Schwierigkeiten zum dauernden Bestand hindurchgeführt werden würde. Die Dovesche Schrift ist in ihrem gesunden Optimismus jedenfalls ein wichtiger Baustein zum Fundamente der deutsch-amerikanischen Freundschaft. Die günstige Prognose, die er der Entwicklung der Union stellt, ist aller Wahrscheinlichkeit nach begründet, denn die unerschöpflichen natürlichen Hilfs¬ mittel des Landes sind geeignet, die hier und da vorhandnen Mißstände aus¬ zugleichen. Wenn nicht alle Zeichen trügen, werden die Vereinigten Staaten von Amerika in wirtschaftlicher und auch in politischer Hinsicht von Tag zu Tage mehr eine Weltmacht werden, die für uns schon deshalb eine gar nicht hoch genug anzuschlagende Bedeutung hat, weil sie bis jetzt außer dem zurzeit so ohnmächtigen Rußland die einzige ist, die nicht auf das englische Liebes- werben eingegangen ist. Hieran wird auch kaum der jüngste angebliche Erfolg Englands, den man in dem französisch-japanischen Vertrage sehen will, etwas ändern. Die deutsch¬ freundliche Wirkung dieses Abkommens auf die Vereinigten Staaten liegt auf der Hand, denn die öffentliche Meinung ist dort, wie die neuen Reibungen in Kalifornien beweisen, noch keineswegs zur Ruhe gekommen und jeder An¬ näherung an Japan abgeneigt. Von den andern Weltmächten steht aber nur das Deutsche Reich Japan kühl wartend gegenüber, klar aller Welt zeigend, daß es genau so Japans Interesse ist, sich mit ihm gut zu stellen, wie um¬ gekehrt, während sich Großbritannien und Frankreich jetzt den Rang ablaufen, um Japans Finanzbedürfnis von zwei Milliarden Franken zu stillen und sich dafür ihren Besitzstand in Ostasien garantieren zu lassen. Inwieweit Rußland in diese Politik hineingezogen und zu einer An¬ näherung an Japan bewogen werden wird, muß abgewartet werden. Nußland fährt fort, seine strategische Position im fernen Osten zu verstärken. Die sibi¬ rische Bahn wird zweigleisig ausgebaut und von Karimskaja ab zur größern Sicherung gegen japanische Überraschungen von der jetzigen Linie abgezweigt, um über Sretensk an der Schilka, einem Nebenflüsse des Amur, nach Chaba- rowsk geführt zu werden, wo sie den Anschluß an die schon im Betriebe be¬ griffne Strecke Chabarowsk-Wladiwostok finden soll. Zwischen Sretensk und Chabarowsk ist schon jetzt eine Dampferverbindung hergestellt mit einer Fahrt¬ dauer von ungefähr einer Woche für die ganze Strecke, sodaß nach Fertig¬ stellung des fehlenden Gliedes Karimskaja-Sretensk der neue Weg benutzt werden könnte. Ein etwaiger zweiter Krieg Rußlands gegen Japan würde darum den Russen bei der Möglichkeit eines schnellern und weit zahlreichern Truppentransports ganz andre Chancen des Erfolges bieten als das erstemal.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/612>, abgerufen am 06.02.2025.