Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Militcirluftschiffahrt in ihrer gegenwärtigen Bedeutung Wenn demgegenüber in der Presse verschiedentlich darauf hingewiesen worden Die Militcirluftschiffahrt in ihrer gegenwärtigen Bedeutung Wenn demgegenüber in der Presse verschiedentlich darauf hingewiesen worden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0604" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302592"/> <fw type="header" place="top"> Die Militcirluftschiffahrt in ihrer gegenwärtigen Bedeutung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2590" prev="#ID_2589" next="#ID_2591"> Wenn demgegenüber in der Presse verschiedentlich darauf hingewiesen worden<lb/> ist, daß eine solche Ausnutzung der Ballons als Kampfmittel nach dem Wort¬<lb/> laut der ersten Haager Friedenskonferenz unerlaubt sei, so muß erwidert werden,<lb/> daß diese Annahme heute irrtümlich ist. Denn auf jener Konferenz wurde<lb/> unterm 29. Juli 1899 nur erklärt, daß die vertragschließenden Mächte dahin<lb/> übereingekommen seien, daß „das Werfen von Geschossen und Sprengstoffen aus<lb/> Luftschiffer oder auf andern ähnlichen neuen Wegen für die Dauer von fünf<lb/> Jahren verboten sei". Diese Erklärung wurde von den verschiednen Staaten<lb/> in den Jahren 1900 und 1901 ratifiziert, ist aber heute, da sie weder 1905<lb/> noch 1906 erneuert worden ist, außer Kraft und wird wohl auch schwerlich<lb/> bei der diesjährigen internationalen Friedenskonferenz in die Abmachungen<lb/> wieder aufgenommen werden. Und zwar erscheint dies um so weniger wahr¬<lb/> scheinlich, wenn man sich die interessanten Verhandlungen über diese wichtige<lb/> Streitfrage vom Jahre 1899 und die Gründe näher ansieht, aus denen damals<lb/> das Abkommen wegen der NichtVerwendung von Sprengmitteln ans Luftballons<lb/> getroffen wurde. Das Verbot wurde besonders vom russischen und vom nieder¬<lb/> ländischen Militärdelegierten befürwortet. Man betonte, daß die erwähnte Art<lb/> der Kriegführung nicht nur ein hinterlistiges, unhumanes Verfahren sei, wie<lb/> etwa die Vergiftung von Brunnen oder ähnliches, sondern daß die Technik<lb/> überhaupt noch nicht so weit vorgeschritten sei, als daß man annehmen könne,<lb/> die Beschießung und Verletzung von Unbeteiligten sei ausgeschlossen. Dieser<lb/> Ansicht gab, nachdem sich alle Delegierten in der Unterkommission, mit Aus¬<lb/> nahme des englischen, für das erwähnte Verbot ausgesprochen hatten, der<lb/> nordamerikanische Militärdelegierte ausführlich Ausdruck, indem er betonte, daß<lb/> einerseits die militärische Wirksamkeit in Erfüllung des hier in Frage kommenden<lb/> Zwecks eine sehr geringe sei, andrerseits aber die Gefahr vorläge, Leben und<lb/> Eigentum von Unbeteiligten zu zerstören, was mit den Begriffen einer humanen<lb/> Kriegführung unvereinbar sei. Es könnten bei dem damaligen Stande der<lb/> Technik ebensogut harmlose Einwohner, Kirchen und Hospitäler wie feindliche<lb/> Truppen, Häfen und Befestigungen zerstört werden. Wenn man darum auch,<lb/> so führte der Amerikaner weiter aus, zurzeit das Verbot solcher Kriegführung<lb/> durchaus als notwendig erachten müsse, so könne der oben erwähnte Gegen-<lb/> grund bei der wohl zu erwartenden Vervollkommnung der Luftschiffahrt bald<lb/> hinfällig werden, da es in Zukunft durchaus nicht ausgeschlossen sei, Luft¬<lb/> schiffe an der gewünschten Stelle im kritischen Augenblick so einzusetzen, daß<lb/> dadurch der Sieg entschieden würde, ohne daß die obenerwähnten unberechen¬<lb/> baren Nebenumstände einträten. Durch ein nach Belieben verwendbares lenk¬<lb/> bares Kriegsluftschiff würde demnach kein unbeabsichtigter Schaden angerichtet,<lb/> es wirke also nicht inhuman, sondern würde vielmehr, wie alle intensiv wirkenden<lb/> militärischen Mittel, die Zerstörung lokalisieren und beschleunigen, darum die<lb/> Entscheidung des Krieges bedeutend abkürzen, was im Interesse der Menschlich¬<lb/> keit nur zu wünschen sei. Es sei daher nicht angebracht, ein solches Kampf¬<lb/> mittel, das die Zukunft wahrscheinlich doch bald bringen würde, auf die Dauer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0604]
Die Militcirluftschiffahrt in ihrer gegenwärtigen Bedeutung
Wenn demgegenüber in der Presse verschiedentlich darauf hingewiesen worden
ist, daß eine solche Ausnutzung der Ballons als Kampfmittel nach dem Wort¬
laut der ersten Haager Friedenskonferenz unerlaubt sei, so muß erwidert werden,
daß diese Annahme heute irrtümlich ist. Denn auf jener Konferenz wurde
unterm 29. Juli 1899 nur erklärt, daß die vertragschließenden Mächte dahin
übereingekommen seien, daß „das Werfen von Geschossen und Sprengstoffen aus
Luftschiffer oder auf andern ähnlichen neuen Wegen für die Dauer von fünf
Jahren verboten sei". Diese Erklärung wurde von den verschiednen Staaten
in den Jahren 1900 und 1901 ratifiziert, ist aber heute, da sie weder 1905
noch 1906 erneuert worden ist, außer Kraft und wird wohl auch schwerlich
bei der diesjährigen internationalen Friedenskonferenz in die Abmachungen
wieder aufgenommen werden. Und zwar erscheint dies um so weniger wahr¬
scheinlich, wenn man sich die interessanten Verhandlungen über diese wichtige
Streitfrage vom Jahre 1899 und die Gründe näher ansieht, aus denen damals
das Abkommen wegen der NichtVerwendung von Sprengmitteln ans Luftballons
getroffen wurde. Das Verbot wurde besonders vom russischen und vom nieder¬
ländischen Militärdelegierten befürwortet. Man betonte, daß die erwähnte Art
der Kriegführung nicht nur ein hinterlistiges, unhumanes Verfahren sei, wie
etwa die Vergiftung von Brunnen oder ähnliches, sondern daß die Technik
überhaupt noch nicht so weit vorgeschritten sei, als daß man annehmen könne,
die Beschießung und Verletzung von Unbeteiligten sei ausgeschlossen. Dieser
Ansicht gab, nachdem sich alle Delegierten in der Unterkommission, mit Aus¬
nahme des englischen, für das erwähnte Verbot ausgesprochen hatten, der
nordamerikanische Militärdelegierte ausführlich Ausdruck, indem er betonte, daß
einerseits die militärische Wirksamkeit in Erfüllung des hier in Frage kommenden
Zwecks eine sehr geringe sei, andrerseits aber die Gefahr vorläge, Leben und
Eigentum von Unbeteiligten zu zerstören, was mit den Begriffen einer humanen
Kriegführung unvereinbar sei. Es könnten bei dem damaligen Stande der
Technik ebensogut harmlose Einwohner, Kirchen und Hospitäler wie feindliche
Truppen, Häfen und Befestigungen zerstört werden. Wenn man darum auch,
so führte der Amerikaner weiter aus, zurzeit das Verbot solcher Kriegführung
durchaus als notwendig erachten müsse, so könne der oben erwähnte Gegen-
grund bei der wohl zu erwartenden Vervollkommnung der Luftschiffahrt bald
hinfällig werden, da es in Zukunft durchaus nicht ausgeschlossen sei, Luft¬
schiffe an der gewünschten Stelle im kritischen Augenblick so einzusetzen, daß
dadurch der Sieg entschieden würde, ohne daß die obenerwähnten unberechen¬
baren Nebenumstände einträten. Durch ein nach Belieben verwendbares lenk¬
bares Kriegsluftschiff würde demnach kein unbeabsichtigter Schaden angerichtet,
es wirke also nicht inhuman, sondern würde vielmehr, wie alle intensiv wirkenden
militärischen Mittel, die Zerstörung lokalisieren und beschleunigen, darum die
Entscheidung des Krieges bedeutend abkürzen, was im Interesse der Menschlich¬
keit nur zu wünschen sei. Es sei daher nicht angebracht, ein solches Kampf¬
mittel, das die Zukunft wahrscheinlich doch bald bringen würde, auf die Dauer
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