Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Kamarilla? groß ist, die Besinnung darüber fehlte, was die Monarchie und der monarchische Gerade hierin nicht verstanden zu werden, wird immer das Schicksal der Es muß ja zugegeben werden, daß alle die, die von "Kamarilla" schrieben, Kamarilla? groß ist, die Besinnung darüber fehlte, was die Monarchie und der monarchische Gerade hierin nicht verstanden zu werden, wird immer das Schicksal der Es muß ja zugegeben werden, daß alle die, die von „Kamarilla" schrieben, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0595" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302583"/> <fw type="header" place="top"> Kamarilla?</fw><lb/> <p xml:id="ID_2558" prev="#ID_2557"> groß ist, die Besinnung darüber fehlte, was die Monarchie und der monarchische<lb/> Gedanke, so wie er in den Hohenzollern lebt, eigentlich bedeutet. Man kennt<lb/> Wohl die Worte Friedrichs des Großen, daß der Fürst der erste Diener des<lb/> Staates ist, macht sich aber wenig Gedanken über ihren innern Sinn. Treitschke<lb/> schreibt einmal: „Friedrich Wilhelm I. fühlte sich immer im Dienst, er war<lb/> Preußischer Offizier und zugleich König von Preußen. Das Gefühl, daß er<lb/> zu dienen hat dem großen Gemeinwesen, erfüllt sein ganzes Dasein. Es ist<lb/> eine furchtbare Ernsthaftigkeit und Strenge in einem solchen Leben, das ganz<lb/> von der Idee der Pflicht durchdrungen ist. Noch deutlicher zeigt das Friedrich<lb/> der Große. Der alte weise Herr, der einsam mit seinem Windspiel durch die<lb/> Bildergalerie vou Sanssouci geht; von dem tiefen Ernst eines solchen Lebens,<lb/> das kaum persönliche Bedürfnisse mehr kennt, machen sich die meisten Menschen<lb/> keinen Begriff."</p><lb/> <p xml:id="ID_2559"> Gerade hierin nicht verstanden zu werden, wird immer das Schicksal der<lb/> Monarchen sein; denn es ist nur natürlich, daß den meisten Menschen diese<lb/> einsame Höhe unverantwortlicher Verantwortlichkeit fern bleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2560" next="#ID_2561"> Es muß ja zugegeben werden, daß alle die, die von „Kamarilla" schrieben,<lb/> das Wort in einem weitern Sinne anwandten, ohne die oben gegebne Präzision<lb/> und ohne Vorstellungen aus orientalischer, russischer oder römischer Geschichte.<lb/> Der Begriff hat sich tatsächlich erweitert und verflacht. Auch Bismarck brauchte<lb/> ihn in einem sehr erweiterten Sinne. Schließlich spricht man überall da von<lb/> "Kamarilla", wo außer den verantwortlichen Ratgebern der Krone andre „un¬<lb/> verantwortliche" Einflüsse zu wirken versuche». Dieser erweiterte Sinn hat mit<lb/> dem alten Begriff so gut wie nichts mehr zu tun. Denn so erweitert deckt<lb/> der Begriff etwas ganz natürliches, das überall da. wo Menschen sind, immer<lb/> vorhanden war und vorhanden sein wird. In jedem Bankhaus, jeder Fabrik,<lb/> auf jedem Gutshof und in jeder Familie ebenso wie bei Hofe. Der Mensch,<lb/> der von seiner Umgebung gänzlich unabhängig ist, ist noch nicht geboren. Der<lb/> Grad der Abhängigkeit hängt bei jedem, beim Monarchen ebenso wie beim ein¬<lb/> fachen Privatmann, von der Selbständigkeit des Urteils und der Geschlossenheit<lb/> seiner Umgebung ab. Möge sich jeder von denen, die von „Kamarilla" schrecken,<lb/> im stillen nach'diesen beiden Kriterien mit Wilhelm dem Zweiten vergleichen.<lb/> So nennt man denn etwas, was im Privatleben mit ganz harmlosen Namen<lb/> benannt wird, dem.ose gegenüber, nicht weil es etwas wesentlich verscknednes<lb/> ist. sondern einfach°des'andern und größern Hintergrundes halber mit dem<lb/> häßlichen Namen „Kamarilla". Wenn sich der Herrscher der einen Anschauung<lb/> Zuwendet, so sprechen die Anhänger der gegnerischen Anschauung von „Kama¬<lb/> rilla". Das ist eine menschlich begreifliche Folge des Kampfes zwischen gegen¬<lb/> sätzlichen Anschauungen und Interessen. Als der Kaiser von freien Meeren<lb/> und Welthandel sprach, hat man die seltsamen Worte „Ballen-Kamarilla<lb/> prägen sehen. Dabei hat natürlich der einstige Begriff „Kamarilla alle Farbe<lb/> und auch allen Sinn verloren. Diese Anwendung des Wortes „Kamarilla"<lb/> steht meist im Dienst sozialistischer oder demokratischer Ideen. Die Anhänger</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0595]
Kamarilla?
groß ist, die Besinnung darüber fehlte, was die Monarchie und der monarchische
Gedanke, so wie er in den Hohenzollern lebt, eigentlich bedeutet. Man kennt
Wohl die Worte Friedrichs des Großen, daß der Fürst der erste Diener des
Staates ist, macht sich aber wenig Gedanken über ihren innern Sinn. Treitschke
schreibt einmal: „Friedrich Wilhelm I. fühlte sich immer im Dienst, er war
Preußischer Offizier und zugleich König von Preußen. Das Gefühl, daß er
zu dienen hat dem großen Gemeinwesen, erfüllt sein ganzes Dasein. Es ist
eine furchtbare Ernsthaftigkeit und Strenge in einem solchen Leben, das ganz
von der Idee der Pflicht durchdrungen ist. Noch deutlicher zeigt das Friedrich
der Große. Der alte weise Herr, der einsam mit seinem Windspiel durch die
Bildergalerie vou Sanssouci geht; von dem tiefen Ernst eines solchen Lebens,
das kaum persönliche Bedürfnisse mehr kennt, machen sich die meisten Menschen
keinen Begriff."
Gerade hierin nicht verstanden zu werden, wird immer das Schicksal der
Monarchen sein; denn es ist nur natürlich, daß den meisten Menschen diese
einsame Höhe unverantwortlicher Verantwortlichkeit fern bleibt.
Es muß ja zugegeben werden, daß alle die, die von „Kamarilla" schrieben,
das Wort in einem weitern Sinne anwandten, ohne die oben gegebne Präzision
und ohne Vorstellungen aus orientalischer, russischer oder römischer Geschichte.
Der Begriff hat sich tatsächlich erweitert und verflacht. Auch Bismarck brauchte
ihn in einem sehr erweiterten Sinne. Schließlich spricht man überall da von
"Kamarilla", wo außer den verantwortlichen Ratgebern der Krone andre „un¬
verantwortliche" Einflüsse zu wirken versuche». Dieser erweiterte Sinn hat mit
dem alten Begriff so gut wie nichts mehr zu tun. Denn so erweitert deckt
der Begriff etwas ganz natürliches, das überall da. wo Menschen sind, immer
vorhanden war und vorhanden sein wird. In jedem Bankhaus, jeder Fabrik,
auf jedem Gutshof und in jeder Familie ebenso wie bei Hofe. Der Mensch,
der von seiner Umgebung gänzlich unabhängig ist, ist noch nicht geboren. Der
Grad der Abhängigkeit hängt bei jedem, beim Monarchen ebenso wie beim ein¬
fachen Privatmann, von der Selbständigkeit des Urteils und der Geschlossenheit
seiner Umgebung ab. Möge sich jeder von denen, die von „Kamarilla" schrecken,
im stillen nach'diesen beiden Kriterien mit Wilhelm dem Zweiten vergleichen.
So nennt man denn etwas, was im Privatleben mit ganz harmlosen Namen
benannt wird, dem.ose gegenüber, nicht weil es etwas wesentlich verscknednes
ist. sondern einfach°des'andern und größern Hintergrundes halber mit dem
häßlichen Namen „Kamarilla". Wenn sich der Herrscher der einen Anschauung
Zuwendet, so sprechen die Anhänger der gegnerischen Anschauung von „Kama¬
rilla". Das ist eine menschlich begreifliche Folge des Kampfes zwischen gegen¬
sätzlichen Anschauungen und Interessen. Als der Kaiser von freien Meeren
und Welthandel sprach, hat man die seltsamen Worte „Ballen-Kamarilla
prägen sehen. Dabei hat natürlich der einstige Begriff „Kamarilla alle Farbe
und auch allen Sinn verloren. Diese Anwendung des Wortes „Kamarilla"
steht meist im Dienst sozialistischer oder demokratischer Ideen. Die Anhänger
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