Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches gehalten, dessen Inhalt für weitere Kreise von Interesse sein dürfte. Aus diesem Wie es im allgemeinen die Aufgabe der Erziehung nicht sein kann, in das Maßgebliches und Unmaßgebliches gehalten, dessen Inhalt für weitere Kreise von Interesse sein dürfte. Aus diesem Wie es im allgemeinen die Aufgabe der Erziehung nicht sein kann, in das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0590" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302578"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2543" prev="#ID_2542"> gehalten, dessen Inhalt für weitere Kreise von Interesse sein dürfte. Aus diesem<lb/> Grunde wurde der Vortrag durch den Vereinsvorstand den Handels- und Gewerbe¬<lb/> kammern sowie den Berufsgenossenschnften übermittelt und deren Aufmerksamkeit auf<lb/> die wichtige, in ihrer Bedeutung für das wirtschaftliche Leben aber noch viel zu wenig<lb/> gewürdigte Frage des Knabenhandarbeitsunterrichts gelenkt. Es sei hier gestattet,<lb/> einige Hauptgedanken aus dem Vortrage herauszuheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2544" next="#ID_2545"> Wie es im allgemeinen die Aufgabe der Erziehung nicht sein kann, in das<lb/> wirtschaftliche Leben unmittelbar einzugreifen, so kann auch im besondern die Knaben¬<lb/> handarbeit nur vorbereitende Arbeit leisten und den heranwachsenden Knaben für<lb/> einen künftigen wirtschaftlichen Beruf besser befähigen. Das letzte halbe Jahrhundert<lb/> hat auf allen Gebieten der wirtschaftlichen Betätigung eine beispiellose Entwicklung<lb/> gebracht, die insbesondre den Fortschritten der angewandten Naturwissenschaften und<lb/> der Technik zu verdanken ist. Während im Jahre 1847 in der Landwirtschaft<lb/> 60 Prozent, in den Gewerben nnr 23 Prozent der Bevölkerung beschäftigt waren,<lb/> wurden im Jahre 1895 in der Landwirtschaft nnr 35,7 Prozent, in der Gro߬<lb/> industrie und in den Gewerben aber 50,53 Prozent beschäftigt. Der Eisenverbrnuch<lb/> hat sich seit jener Zeit bis zum Jahre 1900, auf den Kopf der Bevölkerung be¬<lb/> rechnet, von 28 Pfund auf 309 Pfund gehoben, und das gesamte wirtschaftliche<lb/> Arbeitsgebiet des Volkes hat sich in enormer Weise erweitert, während hier zugleich<lb/> sehr beachtenswerte Verschiebungen eingetreten sind. Insbesondre ist in einer großen<lb/> Anzahl von Industrien der alte Handwerksbetrieb durch den Fabrikbetrieb ersetzt<lb/> worden, womit eine starke Reduktion der Anzahl der Betriebsstätten verbunden ist.<lb/> Die ehemaligen Handwerker erscheinen in einer andern wirtschaftlichen Form; an<lb/> ihre Stelle sind zum Teil die technischen Privatbeamten getreten, deren es im<lb/> Jahre 1895 in Deutschland schon 621000 gab. Sie bedürfen ebenso wie die Hand¬<lb/> werker einer Ausbildung der Hand, die dnrch die heutige Erziehung keineswegs<lb/> gewährleistet wird. Die Handwerker aber, die bei ihrem Berufe geblieben sind, wenden<lb/> sich verfeinerten Formen des Handwerks zu, da der wachsende Wohlstand der Nation<lb/> die Entwicklung eines neuen Kunstgewerbes begünstigt, und da auch die Bedingungen<lb/> für den Absatz einer verfeinerten Ware günstiger sind als die für eine gewöhnliche<lb/> Ware. Den allergrößten Einfluß aber hat das Vordringen der Maschine gehabt,<lb/> die der menschlichen Hand eine Summe von groben und mechanischen Arbeiten ab¬<lb/> genommen hat und ihr in der Hauptsache nur noch eine Hilfeleistung bei dem<lb/> eigentlichen Arbeitsprozeß überträgt. Eine oberflächliche Beurteilung könnte nun zu<lb/> der Meinung führen, daß das immer weitere Vordringen der Maschine die Aus¬<lb/> bildung der menschlichen Hand überflüssig mache. Dem ist aber durchaus nicht so.<lb/> Die Maschine erspart zwar quantitativ eine mehr oder weniger große Anzahl von<lb/> menschlichen Kräften und macht diese für eine andre wirtschaftliche Tätigkeit frei,<lb/> aber zu ihrer Herstellung sowohl wie zu ihrem Betriebe bedarf sie doch immer der<lb/> menschlichen Hand. Je feiner und komplizierter ihr Mechanismus ist, um so höher<lb/> sind die Anforderungen, die sie an die Geschicklichkeit des Arbeiters und Betriebs¬<lb/> leiters stellt; es kommt in manchen Fabriken vor, daß zeitweilig kostbare Werkzeug¬<lb/> maschinen nußer Betrieb bleiben müssen, weil man nicht genügend geschickte Arbeiter<lb/> zu ihrer Bedienung hat. Selbst bei einem aufs höchste entwickelten Maschinen¬<lb/> betrieb hängt der Gesamterfolg zuletzt doch von der individuellen Leistung des<lb/> einzelnen Arbeiters ab. Ein werktätig geschulter Arbeiterstand ist unter allen Um¬<lb/> ständen eine der Hauptbedingungen, auf denen die Steigerung der Produktionskraft<lb/> im wirtschaftlichen Leben beruht. Es bedarf endlich auch kaum eines weitern Nach¬<lb/> weises dafür, daß eine große Anzahl der Unfälle in Industrie und Landwirtschaft<lb/> ans Mangel um technischer Einsicht und an Geschicklichkeit zurückzuführen sind. Eine<lb/> bessere Ausbildung des einzelnen Arbeiters, die schon in der Jugend mit dem Hand¬<lb/> fertigkeitsunterricht beginnen muß, dürfte somit ein nicht unwesentliches Mittel sein,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0590]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
gehalten, dessen Inhalt für weitere Kreise von Interesse sein dürfte. Aus diesem
Grunde wurde der Vortrag durch den Vereinsvorstand den Handels- und Gewerbe¬
kammern sowie den Berufsgenossenschnften übermittelt und deren Aufmerksamkeit auf
die wichtige, in ihrer Bedeutung für das wirtschaftliche Leben aber noch viel zu wenig
gewürdigte Frage des Knabenhandarbeitsunterrichts gelenkt. Es sei hier gestattet,
einige Hauptgedanken aus dem Vortrage herauszuheben.
Wie es im allgemeinen die Aufgabe der Erziehung nicht sein kann, in das
wirtschaftliche Leben unmittelbar einzugreifen, so kann auch im besondern die Knaben¬
handarbeit nur vorbereitende Arbeit leisten und den heranwachsenden Knaben für
einen künftigen wirtschaftlichen Beruf besser befähigen. Das letzte halbe Jahrhundert
hat auf allen Gebieten der wirtschaftlichen Betätigung eine beispiellose Entwicklung
gebracht, die insbesondre den Fortschritten der angewandten Naturwissenschaften und
der Technik zu verdanken ist. Während im Jahre 1847 in der Landwirtschaft
60 Prozent, in den Gewerben nnr 23 Prozent der Bevölkerung beschäftigt waren,
wurden im Jahre 1895 in der Landwirtschaft nnr 35,7 Prozent, in der Gro߬
industrie und in den Gewerben aber 50,53 Prozent beschäftigt. Der Eisenverbrnuch
hat sich seit jener Zeit bis zum Jahre 1900, auf den Kopf der Bevölkerung be¬
rechnet, von 28 Pfund auf 309 Pfund gehoben, und das gesamte wirtschaftliche
Arbeitsgebiet des Volkes hat sich in enormer Weise erweitert, während hier zugleich
sehr beachtenswerte Verschiebungen eingetreten sind. Insbesondre ist in einer großen
Anzahl von Industrien der alte Handwerksbetrieb durch den Fabrikbetrieb ersetzt
worden, womit eine starke Reduktion der Anzahl der Betriebsstätten verbunden ist.
Die ehemaligen Handwerker erscheinen in einer andern wirtschaftlichen Form; an
ihre Stelle sind zum Teil die technischen Privatbeamten getreten, deren es im
Jahre 1895 in Deutschland schon 621000 gab. Sie bedürfen ebenso wie die Hand¬
werker einer Ausbildung der Hand, die dnrch die heutige Erziehung keineswegs
gewährleistet wird. Die Handwerker aber, die bei ihrem Berufe geblieben sind, wenden
sich verfeinerten Formen des Handwerks zu, da der wachsende Wohlstand der Nation
die Entwicklung eines neuen Kunstgewerbes begünstigt, und da auch die Bedingungen
für den Absatz einer verfeinerten Ware günstiger sind als die für eine gewöhnliche
Ware. Den allergrößten Einfluß aber hat das Vordringen der Maschine gehabt,
die der menschlichen Hand eine Summe von groben und mechanischen Arbeiten ab¬
genommen hat und ihr in der Hauptsache nur noch eine Hilfeleistung bei dem
eigentlichen Arbeitsprozeß überträgt. Eine oberflächliche Beurteilung könnte nun zu
der Meinung führen, daß das immer weitere Vordringen der Maschine die Aus¬
bildung der menschlichen Hand überflüssig mache. Dem ist aber durchaus nicht so.
Die Maschine erspart zwar quantitativ eine mehr oder weniger große Anzahl von
menschlichen Kräften und macht diese für eine andre wirtschaftliche Tätigkeit frei,
aber zu ihrer Herstellung sowohl wie zu ihrem Betriebe bedarf sie doch immer der
menschlichen Hand. Je feiner und komplizierter ihr Mechanismus ist, um so höher
sind die Anforderungen, die sie an die Geschicklichkeit des Arbeiters und Betriebs¬
leiters stellt; es kommt in manchen Fabriken vor, daß zeitweilig kostbare Werkzeug¬
maschinen nußer Betrieb bleiben müssen, weil man nicht genügend geschickte Arbeiter
zu ihrer Bedienung hat. Selbst bei einem aufs höchste entwickelten Maschinen¬
betrieb hängt der Gesamterfolg zuletzt doch von der individuellen Leistung des
einzelnen Arbeiters ab. Ein werktätig geschulter Arbeiterstand ist unter allen Um¬
ständen eine der Hauptbedingungen, auf denen die Steigerung der Produktionskraft
im wirtschaftlichen Leben beruht. Es bedarf endlich auch kaum eines weitern Nach¬
weises dafür, daß eine große Anzahl der Unfälle in Industrie und Landwirtschaft
ans Mangel um technischer Einsicht und an Geschicklichkeit zurückzuführen sind. Eine
bessere Ausbildung des einzelnen Arbeiters, die schon in der Jugend mit dem Hand¬
fertigkeitsunterricht beginnen muß, dürfte somit ein nicht unwesentliches Mittel sein,
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