Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Russische Skizzen Nun, was Wirst du tun? erwiderte Baron Alexander, wenn dir einer für Hast du ihn denn erkannt? fragte der alte Herr. Nein, Herr Baron, aber ich glaube, es muß der Dieb selbst gewesen sein. Wozu? Sage ihm, was er wissen will, und nimm deine fünf Rubel! Gut, wie gnädige Herrschaft befehlen! Sprachs und verschwand unter den Ich will doch mal mit dem Verwalter reden, sagte Baron Alexander, der sich Was wollte der Mann denn? erlaubte ich mir zu fragen. Ja, sehn Sie, nahm Herr Wladislaw das Wort, das ist so eine Geschichte. Ach, nun verstehe ich, der Bauer, der draußen war -- Das ist derselbigte Dieb, fiel hier die reizende fünfzehnjährige kleine Baronesse Dann werden Sie ihn nun Wohl festnehmen lassen? fragte ich. Ich weiß nicht, was der Verwalter tun wird, erwiderte der alte Herr, aber Da wird er sich noch ordentlich dick futtern, fiel das Baroneßchen ein, indem Die russischen Gefängnisse, die ich mir bisher als schmutzige Schreckensorte Was werdeu Sie denn aber tun? Russische Skizzen Nun, was Wirst du tun? erwiderte Baron Alexander, wenn dir einer für Hast du ihn denn erkannt? fragte der alte Herr. Nein, Herr Baron, aber ich glaube, es muß der Dieb selbst gewesen sein. Wozu? Sage ihm, was er wissen will, und nimm deine fünf Rubel! Gut, wie gnädige Herrschaft befehlen! Sprachs und verschwand unter den Ich will doch mal mit dem Verwalter reden, sagte Baron Alexander, der sich Was wollte der Mann denn? erlaubte ich mir zu fragen. Ja, sehn Sie, nahm Herr Wladislaw das Wort, das ist so eine Geschichte. Ach, nun verstehe ich, der Bauer, der draußen war — Das ist derselbigte Dieb, fiel hier die reizende fünfzehnjährige kleine Baronesse Dann werden Sie ihn nun Wohl festnehmen lassen? fragte ich. Ich weiß nicht, was der Verwalter tun wird, erwiderte der alte Herr, aber Da wird er sich noch ordentlich dick futtern, fiel das Baroneßchen ein, indem Die russischen Gefängnisse, die ich mir bisher als schmutzige Schreckensorte Was werdeu Sie denn aber tun? <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0582" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302570"/> <fw type="header" place="top"> Russische Skizzen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2483"> Nun, was Wirst du tun? erwiderte Baron Alexander, wenn dir einer für<lb/> eine solche Kleinigkeit so viel Geld bietet, wirst du doch kein Dummkopf sein und<lb/> wirst es nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2484"> Hast du ihn denn erkannt? fragte der alte Herr.</p><lb/> <p xml:id="ID_2485"> Nein, Herr Baron, aber ich glaube, es muß der Dieb selbst gewesen sein.<lb/> Es war schon etwas schummrig, wenn er wiederkommt, kann ich ja aber sehn, daß<lb/> wir uns bei Licht sprechen und dann melden, wie er aussieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2486"> Wozu? Sage ihm, was er wissen will, und nimm deine fünf Rubel!</p><lb/> <p xml:id="ID_2487"> Gut, wie gnädige Herrschaft befehlen! Sprachs und verschwand unter den<lb/> gleichen Zeremonien, wie er gekommen war.</p><lb/> <p xml:id="ID_2488"> Ich will doch mal mit dem Verwalter reden, sagte Baron Alexander, der sich<lb/> überhaupt des Wirtschaftswesens am meisten annahm, insofern er zweimal am Tage<lb/> dem Verwalter Audienz gewährte und hier und da sogar selbst in einen der Ställe<lb/> sah, und damit verließ auch er das Zimmer.</p><lb/> <p xml:id="ID_2489"> Was wollte der Mann denn? erlaubte ich mir zu fragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2490"> Ja, sehn Sie, nahm Herr Wladislaw das Wort, das ist so eine Geschichte.<lb/> Neulich, vor etwa acht Tagen, hört unser Förster, ein treuer Mann, daß jemand<lb/> in unserm Walde Holz schlägt. Er schleicht sich also vorsichtig heran und bemerkt<lb/> einen Bauer, der eifrig damit beschäftigt ist, Bäume zu fallen und auf sein Fuhr¬<lb/> werk zu laden. Unser Förster ist kein Dummkopf. Wenn einer so fleißig ist, soll<lb/> man ihn nicht stören, Holz kann man immer brauchen, hat er sich gedacht. Er<lb/> läßt ihn also ruhig weiter arbeiten und wartet hinter einem dicken Baum, bis jener<lb/> fertig und das Fuhrwerk bis oben vollgepackt ist. Dann ist er mit der Flinte<lb/> hervorgetreten und hat ihn angerufen, der andre aber hat schleunigst Reißaus ge¬<lb/> nommen und das Fuhrwerk stehen lassen. Der Förster tat, was er mußte, er hat<lb/> sich auf den Wagen gesetzt, ist auf unsern Hof kutschiert und hat gefragt, was ge¬<lb/> schehen solle. Wir haben ihm darauf gesagt: Laß das Holz in unsern Holzstall<lb/> schaffen, die Pferde in unsern Pferdestall, den Wagen in unsern Wagenschuppen.<lb/> Du kannst dir in der Küche etwas zu essen geben lassen, und hier hast du einen<lb/> Rubel zu Schnaps. Er hat die Hand geküßt und ist gegangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2491"> Ach, nun verstehe ich, der Bauer, der draußen war —</p><lb/> <p xml:id="ID_2492"> Das ist derselbigte Dieb, fiel hier die reizende fünfzehnjährige kleine Baronesse<lb/> Olga ein, die mit ihrem gebrochnen Deutsch und ihrer derben Naivität immer so<lb/> etwas wie den Clown bei unsern Unterhaltungen abgab, erst stehlt er Holz, und<lb/> nun will er stehlen die Pferde.</p><lb/> <p xml:id="ID_2493"> Dann werden Sie ihn nun Wohl festnehmen lassen? fragte ich.</p><lb/> <p xml:id="ID_2494"> Ich weiß nicht, was der Verwalter tun wird, erwiderte der alte Herr, aber<lb/> ich würde den Verwalter wegjagen, wenn er so ungeschickt wäre und ihn festnehmen<lb/> ließe. Dann könnten wir den Kerl fünfzig Werst weit zur nächsten Kreisstadt schicken,<lb/> und das kostet Fuhrwerk und Leute. Und wenn er dem Gefängniswärter zwei<lb/> Rubel gibt, läßt der ihn doch wieder laufen, andernfalls aber würde er bis zum<lb/> Termin auf unsre Kosten brummen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2495"> Da wird er sich noch ordentlich dick futtern, fiel das Baroneßchen ein, indem<lb/> sie sich ein kaltes Hühnchen von der Schüssel langte und es mit ihren wohl¬<lb/> gepflegten Händen kunstgerecht zerlegte. Der futtert sich dick, der schlechter Mensch,<lb/> und wir müssen bezahlen!</p><lb/> <p xml:id="ID_2496"> Die russischen Gefängnisse, die ich mir bisher als schmutzige Schreckensorte<lb/> schlimmster Art vorgestellt hatte, stellten sich hier mit einemmal als so eine Art<lb/> von Pensionat für Erholungsbedürftige dar.</p><lb/> <p xml:id="ID_2497"> Was werdeu Sie denn aber tun?</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0582]
Russische Skizzen
Nun, was Wirst du tun? erwiderte Baron Alexander, wenn dir einer für
eine solche Kleinigkeit so viel Geld bietet, wirst du doch kein Dummkopf sein und
wirst es nehmen.
Hast du ihn denn erkannt? fragte der alte Herr.
Nein, Herr Baron, aber ich glaube, es muß der Dieb selbst gewesen sein.
Es war schon etwas schummrig, wenn er wiederkommt, kann ich ja aber sehn, daß
wir uns bei Licht sprechen und dann melden, wie er aussieht.
Wozu? Sage ihm, was er wissen will, und nimm deine fünf Rubel!
Gut, wie gnädige Herrschaft befehlen! Sprachs und verschwand unter den
gleichen Zeremonien, wie er gekommen war.
Ich will doch mal mit dem Verwalter reden, sagte Baron Alexander, der sich
überhaupt des Wirtschaftswesens am meisten annahm, insofern er zweimal am Tage
dem Verwalter Audienz gewährte und hier und da sogar selbst in einen der Ställe
sah, und damit verließ auch er das Zimmer.
Was wollte der Mann denn? erlaubte ich mir zu fragen.
Ja, sehn Sie, nahm Herr Wladislaw das Wort, das ist so eine Geschichte.
Neulich, vor etwa acht Tagen, hört unser Förster, ein treuer Mann, daß jemand
in unserm Walde Holz schlägt. Er schleicht sich also vorsichtig heran und bemerkt
einen Bauer, der eifrig damit beschäftigt ist, Bäume zu fallen und auf sein Fuhr¬
werk zu laden. Unser Förster ist kein Dummkopf. Wenn einer so fleißig ist, soll
man ihn nicht stören, Holz kann man immer brauchen, hat er sich gedacht. Er
läßt ihn also ruhig weiter arbeiten und wartet hinter einem dicken Baum, bis jener
fertig und das Fuhrwerk bis oben vollgepackt ist. Dann ist er mit der Flinte
hervorgetreten und hat ihn angerufen, der andre aber hat schleunigst Reißaus ge¬
nommen und das Fuhrwerk stehen lassen. Der Förster tat, was er mußte, er hat
sich auf den Wagen gesetzt, ist auf unsern Hof kutschiert und hat gefragt, was ge¬
schehen solle. Wir haben ihm darauf gesagt: Laß das Holz in unsern Holzstall
schaffen, die Pferde in unsern Pferdestall, den Wagen in unsern Wagenschuppen.
Du kannst dir in der Küche etwas zu essen geben lassen, und hier hast du einen
Rubel zu Schnaps. Er hat die Hand geküßt und ist gegangen.
Ach, nun verstehe ich, der Bauer, der draußen war —
Das ist derselbigte Dieb, fiel hier die reizende fünfzehnjährige kleine Baronesse
Olga ein, die mit ihrem gebrochnen Deutsch und ihrer derben Naivität immer so
etwas wie den Clown bei unsern Unterhaltungen abgab, erst stehlt er Holz, und
nun will er stehlen die Pferde.
Dann werden Sie ihn nun Wohl festnehmen lassen? fragte ich.
Ich weiß nicht, was der Verwalter tun wird, erwiderte der alte Herr, aber
ich würde den Verwalter wegjagen, wenn er so ungeschickt wäre und ihn festnehmen
ließe. Dann könnten wir den Kerl fünfzig Werst weit zur nächsten Kreisstadt schicken,
und das kostet Fuhrwerk und Leute. Und wenn er dem Gefängniswärter zwei
Rubel gibt, läßt der ihn doch wieder laufen, andernfalls aber würde er bis zum
Termin auf unsre Kosten brummen.
Da wird er sich noch ordentlich dick futtern, fiel das Baroneßchen ein, indem
sie sich ein kaltes Hühnchen von der Schüssel langte und es mit ihren wohl¬
gepflegten Händen kunstgerecht zerlegte. Der futtert sich dick, der schlechter Mensch,
und wir müssen bezahlen!
Die russischen Gefängnisse, die ich mir bisher als schmutzige Schreckensorte
schlimmster Art vorgestellt hatte, stellten sich hier mit einemmal als so eine Art
von Pensionat für Erholungsbedürftige dar.
Was werdeu Sie denn aber tun?
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