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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Line Sommerfahrt in das Erzgebirge

aus hinab in das Tal der Biela. Schon nach einem Marsche von drei bis
vier Stunden welcher Kontrast in der Szenerie! Wie schnell der Übergangvom Wilden zum Milden! Geht es doch von dem Scheitel des Keilberges bis
zum Egerspiegel bei Damitz in zwei und einer halben Stunde fast 950 Meter
abwärts. Es soll damit aber durchaus uicht gesagt sein, daß die sächsische Seite
des Gebirges von der Natur stiefmütterlicher behandelt sei als die böhmische.
Im Gegenteil; denn wenn man die rechten Punkte kennt und aufsucht, die in
der Nähe der zahlreichen und meist vorzüglichen Straßen, die das Erzgebirge
durchziehen, einen weitern Ausblick gewähren, so hat man Mühe, alle die ver¬
schleimen großartigen Landschaftsbilder in sich aufzunehmen und festzuhalten, die
sich da im Laufe eines Tages dem Wandrer in Auge und Seele drängen.

Mit dem vortrefflichen Berletschen Wegweiser durch das sächsisch-böhmische
Erzgebirge und nach eifrigem Vorstudium des kompendiösern Werkes von Sü߬
milch-Hörnig über das Erzgebirge beginnen wir in Freiberg unsre Wanderung.
Obschon es uns für diesmal weniger darum zu tun ist. größere Städte auf¬
zusuchen, als vielmehr unsre Wanderlust zu befriedigen und Land und Leute
kennen zu lernen, halten wir uns doch hier in dem alten Vriberc. der ehemals von
den Landesfürsten mit Freiheiten und Rechten reich begnadeten Bergstadt, tue
schon von jeher als die Haupteingangspforte zum Erzgebirge bezeichnet wird,
einen halben Tag auf und statten den vielerlei Altertümlichkeiten, die sich die
Stadt bewahrt hat, dem Schloß, dem Rathaus, dem Dom mit der berühmten
Goldner Pforte, dem herrlichsten Werke der gesamten romanischen Bildner¬
kunst des zwölften und des dreizehnten Jahrhunderts, wie weder in Deutsch¬
land noch in Italien ein zweites dieses Zeitalters zu finden ist. sowie dem
noch stehenden Teile der alten Ringmauern mit ihren Türmen und dem Alter¬
tumsmuseum einen Besuch ab. fahren wohl auch auf einem der vielen um
die Stadt herumliegenden Schächte in das Silberbergwerk em. Ist doch seit
seinem Ursprung der Bergbau für Freiberg ein Hauptnahrungszweig gewesen,
gaben doch die reichen Silbergruben bis zum Jahre 1883 dem Lande über
9587000 Pfund Silber, ungerechnet andrer Metalle. Leider sind w Tage
des Bergbau s für Frei erg gezählt. Die fiskalischen Gruben sind chon se.t
Zähren in der Abriistung begriffen, da ihre Ausbeute le Kosten des A^-
bnngens nicht mehr lohnt. Im Jahre 1913 wird die Abrüstung beende sem.
wird der letzte Bergknappe seine letzte Schicht verfahren, ""d?er F^berge
Erzbergbau, der einst Stadt. Land "ut Fürsten reich ""d mach
u°es der Geschichte angehören. Trotzdem aber treten uns auch h u e noch n
Freiberg fast an Schritt und Tritt Anzeichen des Bergbaus - W es
nun in Fi urcu oder schönen altgotischen Portalen an alten Bu g Hausen,
die sich darauf beziehen sei es in den sehen.fenstern. wo bergmännische Ge¬
brauchgegenstände. Kiele und Paradeuniformen ausgelegt sind, oder in dem
Läuten des Häuer- oder Bergglöckcheus. das in den Morgen-. Mittags- und
Abendstunden die Bergleute von und zur Schicht ruft.


Line Sommerfahrt in das Erzgebirge

aus hinab in das Tal der Biela. Schon nach einem Marsche von drei bis
vier Stunden welcher Kontrast in der Szenerie! Wie schnell der Übergangvom Wilden zum Milden! Geht es doch von dem Scheitel des Keilberges bis
zum Egerspiegel bei Damitz in zwei und einer halben Stunde fast 950 Meter
abwärts. Es soll damit aber durchaus uicht gesagt sein, daß die sächsische Seite
des Gebirges von der Natur stiefmütterlicher behandelt sei als die böhmische.
Im Gegenteil; denn wenn man die rechten Punkte kennt und aufsucht, die in
der Nähe der zahlreichen und meist vorzüglichen Straßen, die das Erzgebirge
durchziehen, einen weitern Ausblick gewähren, so hat man Mühe, alle die ver¬
schleimen großartigen Landschaftsbilder in sich aufzunehmen und festzuhalten, die
sich da im Laufe eines Tages dem Wandrer in Auge und Seele drängen.

Mit dem vortrefflichen Berletschen Wegweiser durch das sächsisch-böhmische
Erzgebirge und nach eifrigem Vorstudium des kompendiösern Werkes von Sü߬
milch-Hörnig über das Erzgebirge beginnen wir in Freiberg unsre Wanderung.
Obschon es uns für diesmal weniger darum zu tun ist. größere Städte auf¬
zusuchen, als vielmehr unsre Wanderlust zu befriedigen und Land und Leute
kennen zu lernen, halten wir uns doch hier in dem alten Vriberc. der ehemals von
den Landesfürsten mit Freiheiten und Rechten reich begnadeten Bergstadt, tue
schon von jeher als die Haupteingangspforte zum Erzgebirge bezeichnet wird,
einen halben Tag auf und statten den vielerlei Altertümlichkeiten, die sich die
Stadt bewahrt hat, dem Schloß, dem Rathaus, dem Dom mit der berühmten
Goldner Pforte, dem herrlichsten Werke der gesamten romanischen Bildner¬
kunst des zwölften und des dreizehnten Jahrhunderts, wie weder in Deutsch¬
land noch in Italien ein zweites dieses Zeitalters zu finden ist. sowie dem
noch stehenden Teile der alten Ringmauern mit ihren Türmen und dem Alter¬
tumsmuseum einen Besuch ab. fahren wohl auch auf einem der vielen um
die Stadt herumliegenden Schächte in das Silberbergwerk em. Ist doch seit
seinem Ursprung der Bergbau für Freiberg ein Hauptnahrungszweig gewesen,
gaben doch die reichen Silbergruben bis zum Jahre 1883 dem Lande über
9587000 Pfund Silber, ungerechnet andrer Metalle. Leider sind w Tage
des Bergbau s für Frei erg gezählt. Die fiskalischen Gruben sind chon se.t
Zähren in der Abriistung begriffen, da ihre Ausbeute le Kosten des A^-
bnngens nicht mehr lohnt. Im Jahre 1913 wird die Abrüstung beende sem.
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nun in Fi urcu oder schönen altgotischen Portalen an alten Bu g Hausen,
die sich darauf beziehen sei es in den sehen.fenstern. wo bergmännische Ge¬
brauchgegenstände. Kiele und Paradeuniformen ausgelegt sind, oder in dem
Läuten des Häuer- oder Bergglöckcheus. das in den Morgen-. Mittags- und
Abendstunden die Bergleute von und zur Schicht ruft.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/573>, abgerufen am 06.02.2025.