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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Tilsit -- ein Jusammenbruch der britischen Festlandpolitik

unlust im Parlament trat der Konflikt des Kabinetts mit dem König in Sachen
der Katholikenemanzipation. Der jüngere Pitt stürzte, und der Nachfolger dieses
energischen und geistvollen Ministerpräsidenten wurde, wie ähnliches sich in
England schon wiederholt ereignet hatte, eine vollkommne Null, Herr Addington,
der seinem erschöpften Lande nicht einmal einen vorteilhaften Frieden zu ver¬
schaffen wußte, sondern es nach Amiens führte. Ein Jahr später - 180Z -
mußte das Inselreich den Kampf aufs neue aufnehmen und um Jahre 1804
Pitt zurückrufen, der aber zum Unheil Englands und seiner Verbündeten 1306
der unablässig wachsenden Last der Arbeiten und Sorgen erlag. Ware Eng¬
land in der Lage gewesen, der Forderung Österreichs zu entsprechen und ein
Heer nach Flandern zu werfen, so wäre Austerlitz nicht geschlagen worden, für das
Trafalgar keinen hinreichenden Trost gewährte. Das buntscheckige Koalitions¬
ministerium Grenville-Fox ließ in seiner ängstlichen Rücksichtnahme auf die
Stimmungen des britischen Steuerzahlers die Landmacht gänzlich versumpfen
und gefiel sich in völliger Passivität.

Seit dem aufreibenden und ergebnislosen Winterfeldzuge in Südpreußen
und Neu-Ostpreußen befand sich der französische Kaiser in einer äußerst
schwierigen Lage. In einer kürzlich erschienenen Studie weist Generalmajor
Graf Hannilml zu Dohna darauf hin. daß sich damals im französischen Volke
starke Unzufriedenheit und wachsende Unlust zu weitern Geld- und Blutopfem
bemerkbar machten. Napoleon mußte aus politischen Rücksichten offenbare mili¬
tärische Fehler begehen, die ihm selber am wenigsten verborgen bleiben konnten.
Um den Krieg mit einem großen Schlage zu beenden, spielte er bei Preußisch-
Ehlcm daraus! Er opferte das ganze Korps Augereau, das er gegen starke
feindliche Artillerie- und Kavalleriemassen in einen Schneesturm hineinjagte, er
setzte, um die Scharte auszuwetzen, seine ganze Neservekavallerie vorzeitig e,u.
Davouts Operationen am rechten Flügel schienen Rettung zu bringen doch
auch diese Sturmwoge brach sich an der kaltblütigen Tapfeckit deo frisch an
dem Schlachtfelde eingetroffnen preußischen Korps Lestoeq. Die Schlag schien
verloren. Ju der Nacht traf der Kaiser schou Anordnungen für den Rückzug
da räumte der russische Oberfeldherr von Bennigsen in einem Aufall ^Kleinmut das Schlachtfeld, und nach Paris k^ten Siegesbu^'"erden. Der verschlagne Eroberer täuschte aber damit nur die urte lslos u
VMsmasseu. nich seine geschwornen Feinde. die Royal. den in.d Jakobiner,
die drohend'die Hä.. ter erhoben - noch weniger ^ s^die durch ihre raschen Verkäufe die Reute zum Sinken bracht. Und
l""gsam heraufziehende.. Gefahren der Rekrntmverwe.gering d.r Straß n-
putsche usw. zu begegnen, mußte Napoleon, wie Graf Do na "U ^ l '
"achweist, zu der methodischen Kriegführung ^ achtzehn en^du ^zurückkehren i...d nach dem Rückzüge hinter die Pasiarge an Scksi Funk -
Stein höchst langwie ige Vorbereitungen treffen, damit er um d in ,nebst
Schlage die Ge ner atsächlich niedMverfen und einen vorteilhaften Frieden


Tilsit — ein Jusammenbruch der britischen Festlandpolitik

unlust im Parlament trat der Konflikt des Kabinetts mit dem König in Sachen
der Katholikenemanzipation. Der jüngere Pitt stürzte, und der Nachfolger dieses
energischen und geistvollen Ministerpräsidenten wurde, wie ähnliches sich in
England schon wiederholt ereignet hatte, eine vollkommne Null, Herr Addington,
der seinem erschöpften Lande nicht einmal einen vorteilhaften Frieden zu ver¬
schaffen wußte, sondern es nach Amiens führte. Ein Jahr später - 180Z -
mußte das Inselreich den Kampf aufs neue aufnehmen und um Jahre 1804
Pitt zurückrufen, der aber zum Unheil Englands und seiner Verbündeten 1306
der unablässig wachsenden Last der Arbeiten und Sorgen erlag. Ware Eng¬
land in der Lage gewesen, der Forderung Österreichs zu entsprechen und ein
Heer nach Flandern zu werfen, so wäre Austerlitz nicht geschlagen worden, für das
Trafalgar keinen hinreichenden Trost gewährte. Das buntscheckige Koalitions¬
ministerium Grenville-Fox ließ in seiner ängstlichen Rücksichtnahme auf die
Stimmungen des britischen Steuerzahlers die Landmacht gänzlich versumpfen
und gefiel sich in völliger Passivität.

Seit dem aufreibenden und ergebnislosen Winterfeldzuge in Südpreußen
und Neu-Ostpreußen befand sich der französische Kaiser in einer äußerst
schwierigen Lage. In einer kürzlich erschienenen Studie weist Generalmajor
Graf Hannilml zu Dohna darauf hin. daß sich damals im französischen Volke
starke Unzufriedenheit und wachsende Unlust zu weitern Geld- und Blutopfem
bemerkbar machten. Napoleon mußte aus politischen Rücksichten offenbare mili¬
tärische Fehler begehen, die ihm selber am wenigsten verborgen bleiben konnten.
Um den Krieg mit einem großen Schlage zu beenden, spielte er bei Preußisch-
Ehlcm daraus! Er opferte das ganze Korps Augereau, das er gegen starke
feindliche Artillerie- und Kavalleriemassen in einen Schneesturm hineinjagte, er
setzte, um die Scharte auszuwetzen, seine ganze Neservekavallerie vorzeitig e,u.
Davouts Operationen am rechten Flügel schienen Rettung zu bringen doch
auch diese Sturmwoge brach sich an der kaltblütigen Tapfeckit deo frisch an
dem Schlachtfelde eingetroffnen preußischen Korps Lestoeq. Die Schlag schien
verloren. Ju der Nacht traf der Kaiser schou Anordnungen für den Rückzug
da räumte der russische Oberfeldherr von Bennigsen in einem Aufall ^Kleinmut das Schlachtfeld, und nach Paris k^ten Siegesbu^'»erden. Der verschlagne Eroberer täuschte aber damit nur die urte lslos u
VMsmasseu. nich seine geschwornen Feinde. die Royal. den in.d Jakobiner,
die drohend'die Hä.. ter erhoben - noch weniger ^ s^die durch ihre raschen Verkäufe die Reute zum Sinken bracht. Und
l""gsam heraufziehende.. Gefahren der Rekrntmverwe.gering d.r Straß n-
putsche usw. zu begegnen, mußte Napoleon, wie Graf Do na "U ^ l '
"achweist, zu der methodischen Kriegführung ^ achtzehn en^du ^zurückkehren i...d nach dem Rückzüge hinter die Pasiarge an Scksi Funk -
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[0559] Tilsit — ein Jusammenbruch der britischen Festlandpolitik unlust im Parlament trat der Konflikt des Kabinetts mit dem König in Sachen der Katholikenemanzipation. Der jüngere Pitt stürzte, und der Nachfolger dieses energischen und geistvollen Ministerpräsidenten wurde, wie ähnliches sich in England schon wiederholt ereignet hatte, eine vollkommne Null, Herr Addington, der seinem erschöpften Lande nicht einmal einen vorteilhaften Frieden zu ver¬ schaffen wußte, sondern es nach Amiens führte. Ein Jahr später - 180Z - mußte das Inselreich den Kampf aufs neue aufnehmen und um Jahre 1804 Pitt zurückrufen, der aber zum Unheil Englands und seiner Verbündeten 1306 der unablässig wachsenden Last der Arbeiten und Sorgen erlag. Ware Eng¬ land in der Lage gewesen, der Forderung Österreichs zu entsprechen und ein Heer nach Flandern zu werfen, so wäre Austerlitz nicht geschlagen worden, für das Trafalgar keinen hinreichenden Trost gewährte. Das buntscheckige Koalitions¬ ministerium Grenville-Fox ließ in seiner ängstlichen Rücksichtnahme auf die Stimmungen des britischen Steuerzahlers die Landmacht gänzlich versumpfen und gefiel sich in völliger Passivität. Seit dem aufreibenden und ergebnislosen Winterfeldzuge in Südpreußen und Neu-Ostpreußen befand sich der französische Kaiser in einer äußerst schwierigen Lage. In einer kürzlich erschienenen Studie weist Generalmajor Graf Hannilml zu Dohna darauf hin. daß sich damals im französischen Volke starke Unzufriedenheit und wachsende Unlust zu weitern Geld- und Blutopfem bemerkbar machten. Napoleon mußte aus politischen Rücksichten offenbare mili¬ tärische Fehler begehen, die ihm selber am wenigsten verborgen bleiben konnten. Um den Krieg mit einem großen Schlage zu beenden, spielte er bei Preußisch- Ehlcm daraus! Er opferte das ganze Korps Augereau, das er gegen starke feindliche Artillerie- und Kavalleriemassen in einen Schneesturm hineinjagte, er setzte, um die Scharte auszuwetzen, seine ganze Neservekavallerie vorzeitig e,u. Davouts Operationen am rechten Flügel schienen Rettung zu bringen doch auch diese Sturmwoge brach sich an der kaltblütigen Tapfeckit deo frisch an dem Schlachtfelde eingetroffnen preußischen Korps Lestoeq. Die Schlag schien verloren. Ju der Nacht traf der Kaiser schou Anordnungen für den Rückzug da räumte der russische Oberfeldherr von Bennigsen in einem Aufall ^Kleinmut das Schlachtfeld, und nach Paris k^ten Siegesbu^'»erden. Der verschlagne Eroberer täuschte aber damit nur die urte lslos u VMsmasseu. nich seine geschwornen Feinde. die Royal. den in.d Jakobiner, die drohend'die Hä.. ter erhoben - noch weniger ^ s^die durch ihre raschen Verkäufe die Reute zum Sinken bracht. Und l""gsam heraufziehende.. Gefahren der Rekrntmverwe.gering d.r Straß n- putsche usw. zu begegnen, mußte Napoleon, wie Graf Do na "U ^ l ' "achweist, zu der methodischen Kriegführung ^ achtzehn en^du ^zurückkehren i...d nach dem Rückzüge hinter die Pasiarge an Scksi Funk - Stein höchst langwie ige Vorbereitungen treffen, damit er um d in ,nebst Schlage die Ge ner atsächlich niedMverfen und einen vorteilhaften Frieden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/559>, abgerufen am 06.02.2025.