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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den Vereinigten Staaten von Amerika

jetzt auch in die nördlichen Distrikte ausdehnenden Lynchnngen zu beklagen.
Zu schweren Bedenken gebe auch die Tatsache Anlaß, daß reiche Leute auch
heute noch eine zu gute Chance haben, die Strafe von sich abzuwenden.

Die größte Veränderung, die sich mit der amerikanischen Republik voll¬
zogen habe, sei dadurch bewirkt worden, daß sie neuerdings angefangen habe,
eine Kriegsmacht zu werden. Eine eigentümliche Wirkung hiervon auf den
Nationalcharakter zeige sich in der Entwicklung des Flnggenkults, der die
Seele eines Jefferson mit Entsetzen erfüllt haben würde. Wegen Einwickelns
seiner Waren in das geheiligte Flaggentuch sei ein Hausierer strafrechtlich
verfolgt, der ihn denunzierende Polizist dagegen dekoriert worden. Es sei
"icht abzusehen, wie weit die Pflege und die Steigerung des kriegerischen
Geistes noch gehn werde. Das; ein Krieg mit Japan wegen der Ausschließung
der japanischen Kinder aus kalifornischen Schulen entsteh" würde, wäre nicht
wahrscheinlich gewesen, aber der imperialistische Expansionstrieb Japans sei
nun einmal geweckt und sei eine ständige Drohung für Amerika, da der
Panamakanal auf keinen Fall vor Ablauf von zehn Jahren für amerikanische
Kriegsschiffe passierbar sein werde. Man müsse sich doch ernstlich fragen, ob
Lord Lansdowne bei Abschluß des Vertrags mit Japan die Folgen seiner
Diplomatie für den amerikanischen Kontinent vorausgesehen habe!

Durch die Erwerbung Hawais und der Philippinen seien die Neibuugs-
flüchen mit Japan sehr erweitert worden. Ein hervorragendes Mitglied der
republikanischen Partei, I. M. Forbes von Massachusetts, habe einmal gesagt,
man habe den Krieg mit Spanien nur geführt, um seine Partei am Unter zu
erhalten, und in der Tat könne keine andre Ursache beim Studium der diplo¬
matischen Akten gefunden werden. Spanien sei bereit gewesen, alles zu
opfern außer seiner Ehre. Bei dem Mainezwischenfall habe es eine schieds¬
gerichtliche Entscheidung vorgeschlagen, die aber von der Umonregiernng still¬
schweigend abgelehnt worden sei. Ohne Rücksicht auf die Folgen sei das
amerikanische Volk zum Kriege mit Spanien aufgereizt und in ihn hineinge-
trieben worden. Nachdem der kriegerische Geist einmal entflammt wo^en sei habe
sich das Volk sofort zum Imperialismus gewandt, und Mac Kinley habe bei
der Annexion der Philippinen sagen können: vno t^nZ ete Julia °t
^tin?. Die Folgen der Herrschaft einer weißen Nasse über schwächere
Rassen seien überall in der Welt dieselben und zeigten sich letzt natürlich auch
beim amerikanischen Nationalcharakter. So habe ein amerikanischer Bürger, dem
'"an den Mangel jeglicher Sympathie des amerikanischen Volkes und den um
ihre Unabhängigkeit kämpfenden Buren vorwarf, einfach geantwortet:
KiocxZ ok tke ?nilivvinos vdokeä us.

Eine Diskussion über die Negerfrage in den Verengten Staaten sei un-
fruchtbar und fast hoffnungslos. Wäre die Union nach der N.ederwer ung
der sezessionistischen Südstaaten als Einheitsstaat konstitmert worden, so hatte
"an den Neger zu einem Mündel des Staats machen können, ohne ihm politische


Grenzboten N 1907
Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den Vereinigten Staaten von Amerika

jetzt auch in die nördlichen Distrikte ausdehnenden Lynchnngen zu beklagen.
Zu schweren Bedenken gebe auch die Tatsache Anlaß, daß reiche Leute auch
heute noch eine zu gute Chance haben, die Strafe von sich abzuwenden.

Die größte Veränderung, die sich mit der amerikanischen Republik voll¬
zogen habe, sei dadurch bewirkt worden, daß sie neuerdings angefangen habe,
eine Kriegsmacht zu werden. Eine eigentümliche Wirkung hiervon auf den
Nationalcharakter zeige sich in der Entwicklung des Flnggenkults, der die
Seele eines Jefferson mit Entsetzen erfüllt haben würde. Wegen Einwickelns
seiner Waren in das geheiligte Flaggentuch sei ein Hausierer strafrechtlich
verfolgt, der ihn denunzierende Polizist dagegen dekoriert worden. Es sei
"icht abzusehen, wie weit die Pflege und die Steigerung des kriegerischen
Geistes noch gehn werde. Das; ein Krieg mit Japan wegen der Ausschließung
der japanischen Kinder aus kalifornischen Schulen entsteh» würde, wäre nicht
wahrscheinlich gewesen, aber der imperialistische Expansionstrieb Japans sei
nun einmal geweckt und sei eine ständige Drohung für Amerika, da der
Panamakanal auf keinen Fall vor Ablauf von zehn Jahren für amerikanische
Kriegsschiffe passierbar sein werde. Man müsse sich doch ernstlich fragen, ob
Lord Lansdowne bei Abschluß des Vertrags mit Japan die Folgen seiner
Diplomatie für den amerikanischen Kontinent vorausgesehen habe!

Durch die Erwerbung Hawais und der Philippinen seien die Neibuugs-
flüchen mit Japan sehr erweitert worden. Ein hervorragendes Mitglied der
republikanischen Partei, I. M. Forbes von Massachusetts, habe einmal gesagt,
man habe den Krieg mit Spanien nur geführt, um seine Partei am Unter zu
erhalten, und in der Tat könne keine andre Ursache beim Studium der diplo¬
matischen Akten gefunden werden. Spanien sei bereit gewesen, alles zu
opfern außer seiner Ehre. Bei dem Mainezwischenfall habe es eine schieds¬
gerichtliche Entscheidung vorgeschlagen, die aber von der Umonregiernng still¬
schweigend abgelehnt worden sei. Ohne Rücksicht auf die Folgen sei das
amerikanische Volk zum Kriege mit Spanien aufgereizt und in ihn hineinge-
trieben worden. Nachdem der kriegerische Geist einmal entflammt wo^en sei habe
sich das Volk sofort zum Imperialismus gewandt, und Mac Kinley habe bei
der Annexion der Philippinen sagen können: vno t^nZ ete Julia °t
^tin?. Die Folgen der Herrschaft einer weißen Nasse über schwächere
Rassen seien überall in der Welt dieselben und zeigten sich letzt natürlich auch
beim amerikanischen Nationalcharakter. So habe ein amerikanischer Bürger, dem
'"an den Mangel jeglicher Sympathie des amerikanischen Volkes und den um
ihre Unabhängigkeit kämpfenden Buren vorwarf, einfach geantwortet:
KiocxZ ok tke ?nilivvinos vdokeä us.

Eine Diskussion über die Negerfrage in den Verengten Staaten sei un-
fruchtbar und fast hoffnungslos. Wäre die Union nach der N.ederwer ung
der sezessionistischen Südstaaten als Einheitsstaat konstitmert worden, so hatte
"an den Neger zu einem Mündel des Staats machen können, ohne ihm politische


Grenzboten N 1907
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[0553] Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den Vereinigten Staaten von Amerika jetzt auch in die nördlichen Distrikte ausdehnenden Lynchnngen zu beklagen. Zu schweren Bedenken gebe auch die Tatsache Anlaß, daß reiche Leute auch heute noch eine zu gute Chance haben, die Strafe von sich abzuwenden. Die größte Veränderung, die sich mit der amerikanischen Republik voll¬ zogen habe, sei dadurch bewirkt worden, daß sie neuerdings angefangen habe, eine Kriegsmacht zu werden. Eine eigentümliche Wirkung hiervon auf den Nationalcharakter zeige sich in der Entwicklung des Flnggenkults, der die Seele eines Jefferson mit Entsetzen erfüllt haben würde. Wegen Einwickelns seiner Waren in das geheiligte Flaggentuch sei ein Hausierer strafrechtlich verfolgt, der ihn denunzierende Polizist dagegen dekoriert worden. Es sei "icht abzusehen, wie weit die Pflege und die Steigerung des kriegerischen Geistes noch gehn werde. Das; ein Krieg mit Japan wegen der Ausschließung der japanischen Kinder aus kalifornischen Schulen entsteh» würde, wäre nicht wahrscheinlich gewesen, aber der imperialistische Expansionstrieb Japans sei nun einmal geweckt und sei eine ständige Drohung für Amerika, da der Panamakanal auf keinen Fall vor Ablauf von zehn Jahren für amerikanische Kriegsschiffe passierbar sein werde. Man müsse sich doch ernstlich fragen, ob Lord Lansdowne bei Abschluß des Vertrags mit Japan die Folgen seiner Diplomatie für den amerikanischen Kontinent vorausgesehen habe! Durch die Erwerbung Hawais und der Philippinen seien die Neibuugs- flüchen mit Japan sehr erweitert worden. Ein hervorragendes Mitglied der republikanischen Partei, I. M. Forbes von Massachusetts, habe einmal gesagt, man habe den Krieg mit Spanien nur geführt, um seine Partei am Unter zu erhalten, und in der Tat könne keine andre Ursache beim Studium der diplo¬ matischen Akten gefunden werden. Spanien sei bereit gewesen, alles zu opfern außer seiner Ehre. Bei dem Mainezwischenfall habe es eine schieds¬ gerichtliche Entscheidung vorgeschlagen, die aber von der Umonregiernng still¬ schweigend abgelehnt worden sei. Ohne Rücksicht auf die Folgen sei das amerikanische Volk zum Kriege mit Spanien aufgereizt und in ihn hineinge- trieben worden. Nachdem der kriegerische Geist einmal entflammt wo^en sei habe sich das Volk sofort zum Imperialismus gewandt, und Mac Kinley habe bei der Annexion der Philippinen sagen können: vno t^nZ ete Julia °t ^tin?. Die Folgen der Herrschaft einer weißen Nasse über schwächere Rassen seien überall in der Welt dieselben und zeigten sich letzt natürlich auch beim amerikanischen Nationalcharakter. So habe ein amerikanischer Bürger, dem '"an den Mangel jeglicher Sympathie des amerikanischen Volkes und den um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Buren vorwarf, einfach geantwortet: KiocxZ ok tke ?nilivvinos vdokeä us. Eine Diskussion über die Negerfrage in den Verengten Staaten sei un- fruchtbar und fast hoffnungslos. Wäre die Union nach der N.ederwer ung der sezessionistischen Südstaaten als Einheitsstaat konstitmert worden, so hatte "an den Neger zu einem Mündel des Staats machen können, ohne ihm politische Grenzboten N 1907

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/553>, abgerufen am 06.02.2025.