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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika

ändern strebt und oft nach Unerreichbarem trachtet, um sich dann hinterher
etwa mit der Hälfte oder gar dem Viertel zu begnügen.

Im vorliegenden Falle sind nun die gegebnen Tatsachen, mit denen wir
von vornherein rechnen müssen, folgende: Im Senat zu Washington, der einen
Handelsvertrag zu ratifizieren hätte, haben die Vertreter der großen Trusts,
die das Prinzip der Absperrung des innern amerikanischen Marktes auf ihre
Fahne geschrieben haben, die Majorität, und die amerikanischen Produzenten,
die sich den deutschen Markt, der immer aufnahmefähiger wird, gern erhalten
möchten, sind nicht stark genug im Senat vertreten, als daß sie ihre Ansichten
durchsetzen könnten. Ferner ist es ohne weiteres klar, daß ein etwaiger wirt¬
schaftlicher Kampf zwischen uns und den Amerikanern von den europäischen
Mächten, die jetzt schon über unsre angebliche Isolierung jubeln, mit Freuden
begrüßt und nach Kräften ausgenutzt werden würde, und zwar nicht nur in
kommerzieller, sondern auch in politischer Hinsicht.

Unser Handel mit der Union umfaßt jährlich eine Milliarde und fünf¬
hundert Millionen Mark. Ein großer Teil hiervon würde aber leicht an
Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland und Italien übergehen, denn die
Amerikaner könnten unsern Seeschiffen in ihren Häfen und unsern Waren bei
der Zollrevision solche Schwierigkeiten bereiten, daß wir auf das empfindlichste
in unserm Wettbewerbe mit den andern Handelsvölkern auf dem amerikanischen
Markte geschädigt werden würden, ohne den geringsten Erfolg zu haben. Es
ist richtig, daß unsre Reedereien nicht ohne jede Möglichkeit sind, sich einen
teilweisen Ersatz zu verschaffen, und daß die Amerikaner nach wie vor einen
großen Teil ihrer Waren bei uns absetzen müßten, sodaß sie in dieser Hinsicht
auch von uns abhängig wären, aber was verschlägt das alles im Vergleich zu
dein vielleicht nie wieder gut zu machenden Fehler, daß wir einen Staat,
dessen Präsident bei den verschiedensten Gelegenheiten seine freundschaftliche
Gesinnung für uns an den Tag gelegt hat, vor den Kopf gestoßen und direkt
in die Arme von Gegnern getrieben hätten, die erst dann die Macht erhalten
würden, ihre Gefühle des Hasses und des Neides, die sich bisher nur in
Druckerschwärze äußern konnten, in Taten umzusetzen!

Die einzig mögliche Lösung für die deutsche Regierung war also, da ein
Handelsvertrag noch nicht zu erreichen war, und ein Zollkrieg keinen Erfolg
versprach, der Abschluß eines provisorischen Handelsabkommens. Welchen Wert
diesem die Amerikaner beimessen, geht aus den Worten des Botschafters Tower
hervor, der auf dem Manhattandiner ausführte, die Entscheidung des Präsidenten
über das Handelsabkommen mit Deutschland sei einer der weisesten Schritte,
die seit der Begründung der Vereinigten Staaten in den diplomatischen Be¬
ziehungen mit Deutschland gemacht worden waren.

Natürlich muß an Stelle des Handelsabkommens später ein Handelsvertrag
abgeschlossen werden, sobald es die äußern Umstünde gestatten, und man nimmt in
maßgebenden Kreisen Deutschlands an, daß dies in einigen Jahren gelingen wird.


Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika

ändern strebt und oft nach Unerreichbarem trachtet, um sich dann hinterher
etwa mit der Hälfte oder gar dem Viertel zu begnügen.

Im vorliegenden Falle sind nun die gegebnen Tatsachen, mit denen wir
von vornherein rechnen müssen, folgende: Im Senat zu Washington, der einen
Handelsvertrag zu ratifizieren hätte, haben die Vertreter der großen Trusts,
die das Prinzip der Absperrung des innern amerikanischen Marktes auf ihre
Fahne geschrieben haben, die Majorität, und die amerikanischen Produzenten,
die sich den deutschen Markt, der immer aufnahmefähiger wird, gern erhalten
möchten, sind nicht stark genug im Senat vertreten, als daß sie ihre Ansichten
durchsetzen könnten. Ferner ist es ohne weiteres klar, daß ein etwaiger wirt¬
schaftlicher Kampf zwischen uns und den Amerikanern von den europäischen
Mächten, die jetzt schon über unsre angebliche Isolierung jubeln, mit Freuden
begrüßt und nach Kräften ausgenutzt werden würde, und zwar nicht nur in
kommerzieller, sondern auch in politischer Hinsicht.

Unser Handel mit der Union umfaßt jährlich eine Milliarde und fünf¬
hundert Millionen Mark. Ein großer Teil hiervon würde aber leicht an
Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland und Italien übergehen, denn die
Amerikaner könnten unsern Seeschiffen in ihren Häfen und unsern Waren bei
der Zollrevision solche Schwierigkeiten bereiten, daß wir auf das empfindlichste
in unserm Wettbewerbe mit den andern Handelsvölkern auf dem amerikanischen
Markte geschädigt werden würden, ohne den geringsten Erfolg zu haben. Es
ist richtig, daß unsre Reedereien nicht ohne jede Möglichkeit sind, sich einen
teilweisen Ersatz zu verschaffen, und daß die Amerikaner nach wie vor einen
großen Teil ihrer Waren bei uns absetzen müßten, sodaß sie in dieser Hinsicht
auch von uns abhängig wären, aber was verschlägt das alles im Vergleich zu
dein vielleicht nie wieder gut zu machenden Fehler, daß wir einen Staat,
dessen Präsident bei den verschiedensten Gelegenheiten seine freundschaftliche
Gesinnung für uns an den Tag gelegt hat, vor den Kopf gestoßen und direkt
in die Arme von Gegnern getrieben hätten, die erst dann die Macht erhalten
würden, ihre Gefühle des Hasses und des Neides, die sich bisher nur in
Druckerschwärze äußern konnten, in Taten umzusetzen!

Die einzig mögliche Lösung für die deutsche Regierung war also, da ein
Handelsvertrag noch nicht zu erreichen war, und ein Zollkrieg keinen Erfolg
versprach, der Abschluß eines provisorischen Handelsabkommens. Welchen Wert
diesem die Amerikaner beimessen, geht aus den Worten des Botschafters Tower
hervor, der auf dem Manhattandiner ausführte, die Entscheidung des Präsidenten
über das Handelsabkommen mit Deutschland sei einer der weisesten Schritte,
die seit der Begründung der Vereinigten Staaten in den diplomatischen Be¬
ziehungen mit Deutschland gemacht worden waren.

Natürlich muß an Stelle des Handelsabkommens später ein Handelsvertrag
abgeschlossen werden, sobald es die äußern Umstünde gestatten, und man nimmt in
maßgebenden Kreisen Deutschlands an, daß dies in einigen Jahren gelingen wird.


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[0550] Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika ändern strebt und oft nach Unerreichbarem trachtet, um sich dann hinterher etwa mit der Hälfte oder gar dem Viertel zu begnügen. Im vorliegenden Falle sind nun die gegebnen Tatsachen, mit denen wir von vornherein rechnen müssen, folgende: Im Senat zu Washington, der einen Handelsvertrag zu ratifizieren hätte, haben die Vertreter der großen Trusts, die das Prinzip der Absperrung des innern amerikanischen Marktes auf ihre Fahne geschrieben haben, die Majorität, und die amerikanischen Produzenten, die sich den deutschen Markt, der immer aufnahmefähiger wird, gern erhalten möchten, sind nicht stark genug im Senat vertreten, als daß sie ihre Ansichten durchsetzen könnten. Ferner ist es ohne weiteres klar, daß ein etwaiger wirt¬ schaftlicher Kampf zwischen uns und den Amerikanern von den europäischen Mächten, die jetzt schon über unsre angebliche Isolierung jubeln, mit Freuden begrüßt und nach Kräften ausgenutzt werden würde, und zwar nicht nur in kommerzieller, sondern auch in politischer Hinsicht. Unser Handel mit der Union umfaßt jährlich eine Milliarde und fünf¬ hundert Millionen Mark. Ein großer Teil hiervon würde aber leicht an Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland und Italien übergehen, denn die Amerikaner könnten unsern Seeschiffen in ihren Häfen und unsern Waren bei der Zollrevision solche Schwierigkeiten bereiten, daß wir auf das empfindlichste in unserm Wettbewerbe mit den andern Handelsvölkern auf dem amerikanischen Markte geschädigt werden würden, ohne den geringsten Erfolg zu haben. Es ist richtig, daß unsre Reedereien nicht ohne jede Möglichkeit sind, sich einen teilweisen Ersatz zu verschaffen, und daß die Amerikaner nach wie vor einen großen Teil ihrer Waren bei uns absetzen müßten, sodaß sie in dieser Hinsicht auch von uns abhängig wären, aber was verschlägt das alles im Vergleich zu dein vielleicht nie wieder gut zu machenden Fehler, daß wir einen Staat, dessen Präsident bei den verschiedensten Gelegenheiten seine freundschaftliche Gesinnung für uns an den Tag gelegt hat, vor den Kopf gestoßen und direkt in die Arme von Gegnern getrieben hätten, die erst dann die Macht erhalten würden, ihre Gefühle des Hasses und des Neides, die sich bisher nur in Druckerschwärze äußern konnten, in Taten umzusetzen! Die einzig mögliche Lösung für die deutsche Regierung war also, da ein Handelsvertrag noch nicht zu erreichen war, und ein Zollkrieg keinen Erfolg versprach, der Abschluß eines provisorischen Handelsabkommens. Welchen Wert diesem die Amerikaner beimessen, geht aus den Worten des Botschafters Tower hervor, der auf dem Manhattandiner ausführte, die Entscheidung des Präsidenten über das Handelsabkommen mit Deutschland sei einer der weisesten Schritte, die seit der Begründung der Vereinigten Staaten in den diplomatischen Be¬ ziehungen mit Deutschland gemacht worden waren. Natürlich muß an Stelle des Handelsabkommens später ein Handelsvertrag abgeschlossen werden, sobald es die äußern Umstünde gestatten, und man nimmt in maßgebenden Kreisen Deutschlands an, daß dies in einigen Jahren gelingen wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/550>, abgerufen am 06.02.2025.