Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika

großbritannische Botschafter im Weißen Hause einnahm, ist jetzt auf seinen
deutschen Kollegen übergegangen.

Dieser Szenenwechsel wurde natürlich wesentlich erleichtert durch die
Persönlichkeit unsers jetzigen Botschafters, der ein Jugendfreund des Präsi¬
denten ist und infolge seiner englischen Erziehung und seiner frühern lang¬
jährigen Anwesenheit in den Vereinigten Staaten ein feines Empfinden für
die Psyche des amerikanischen Volkes hat. Jedenfalls haben wir zum ersten¬
mal einen diplomatischen Vertreter in Washington, um den uns alle andern
Mächte beneiden, und der insbesondre allen Nachfolgern Pauncefotes über¬
legen ist. Die heimische Presse sollte darum endlich die kindische Gewohnheit
des Verspottens seiner überhaupt nicht mit deutschen! Maßstabe zu messenden
Handlungen unterlassen und möglichst alle Äußerungen vermeiden, die der
gelben Presse drüben Stoff zu Verdächtigungen Deutschlands liefern können,
denn der Botschafter in Washington hat heute das dvrncnreichste Amt von
allen Diplomaten und kann nur dann des Erfolgs seiner Leistungen gewiß
sein, wenn ihm seine Zirkel nicht durch die eigne Presse gestört werden.

Die deutschen Zeitungen behandeln Amerika noch immer höchst stief¬
mütterlich und haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine geeigneten
Korrespondenten in den Vereinigten Staaten, während jedes große englische
Blatt vorzügliche ständige Vertreter in Newhork hat, die zum Teil einen ebenso
hohen Gehalt erhalten, wie der ganze Redaktionsstab einer deutschen Zeitung
zusammen bekommt. Die Folge ist, daß unsre Zeitungen fast alle Nachrichten
über Amerika aus der Londoner Quelle schöpfen, die natürlich nichts bringt, was
Deutschland förderlich sein könnte. Umgekehrt wird den Amerikanern fast aus¬
schließlich von den englischen Telegraphen- und Nachrichteubureaus über Deutsch¬
land berichtet, was zu den gröbsten Entstellungen unsrer politischen Pläne und
Absichten geführt hat. Die Lügen, die der Xev loial HsMä über Deutschland
veröffentlicht hat, und die fast immer auf englischen Ursprung zurückzuführen waren,
haben regelmäßig ihre Rundreise durch die Zeitungen der latino-amerikanischen
Republiken genommen. Hierin einen Wandel zum Bessern herbeigeführt zu
haben ist das Verdienst von Mr. Melville E. Stone, dem Generaldirektor
der amerikanischen ^.ssoomtecl ?rsss, der mit der rücksichtslosen Offenheit
des Jankees wiederholt erklärt hat, sein Land habe ein größeres Interesse
daran,' mit Deutschland als mit England in guten Beziehungen zu stehn-
Mr. Stone ist vom Kaiser zweimal in längerer Audienz empfangen worden
und hat in der Person des Mr. Einer Roberts in Berlin einen Vertreter, dessen
vortreffliche Berichterstattung über Deutschland allen deutschen Korrespondenten
in Newhork zum Muster dienen kaun. Mr. Stone hat bei dem Festmahle,
das vor kurzem die Newyorker Staatszeitung zu Ehren des amerikanischen
Botschafters in Berlin, Mr. Charlemagne Tower, im Manhattanklub in
Newhork veranstaltet hatte, aufs neue seine aufrichtigen Sympathien für
Deutschland betont und dabei zwei internationale Vorfälle aufgeklärt, über die


Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika

großbritannische Botschafter im Weißen Hause einnahm, ist jetzt auf seinen
deutschen Kollegen übergegangen.

Dieser Szenenwechsel wurde natürlich wesentlich erleichtert durch die
Persönlichkeit unsers jetzigen Botschafters, der ein Jugendfreund des Präsi¬
denten ist und infolge seiner englischen Erziehung und seiner frühern lang¬
jährigen Anwesenheit in den Vereinigten Staaten ein feines Empfinden für
die Psyche des amerikanischen Volkes hat. Jedenfalls haben wir zum ersten¬
mal einen diplomatischen Vertreter in Washington, um den uns alle andern
Mächte beneiden, und der insbesondre allen Nachfolgern Pauncefotes über¬
legen ist. Die heimische Presse sollte darum endlich die kindische Gewohnheit
des Verspottens seiner überhaupt nicht mit deutschen! Maßstabe zu messenden
Handlungen unterlassen und möglichst alle Äußerungen vermeiden, die der
gelben Presse drüben Stoff zu Verdächtigungen Deutschlands liefern können,
denn der Botschafter in Washington hat heute das dvrncnreichste Amt von
allen Diplomaten und kann nur dann des Erfolgs seiner Leistungen gewiß
sein, wenn ihm seine Zirkel nicht durch die eigne Presse gestört werden.

Die deutschen Zeitungen behandeln Amerika noch immer höchst stief¬
mütterlich und haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine geeigneten
Korrespondenten in den Vereinigten Staaten, während jedes große englische
Blatt vorzügliche ständige Vertreter in Newhork hat, die zum Teil einen ebenso
hohen Gehalt erhalten, wie der ganze Redaktionsstab einer deutschen Zeitung
zusammen bekommt. Die Folge ist, daß unsre Zeitungen fast alle Nachrichten
über Amerika aus der Londoner Quelle schöpfen, die natürlich nichts bringt, was
Deutschland förderlich sein könnte. Umgekehrt wird den Amerikanern fast aus¬
schließlich von den englischen Telegraphen- und Nachrichteubureaus über Deutsch¬
land berichtet, was zu den gröbsten Entstellungen unsrer politischen Pläne und
Absichten geführt hat. Die Lügen, die der Xev loial HsMä über Deutschland
veröffentlicht hat, und die fast immer auf englischen Ursprung zurückzuführen waren,
haben regelmäßig ihre Rundreise durch die Zeitungen der latino-amerikanischen
Republiken genommen. Hierin einen Wandel zum Bessern herbeigeführt zu
haben ist das Verdienst von Mr. Melville E. Stone, dem Generaldirektor
der amerikanischen ^.ssoomtecl ?rsss, der mit der rücksichtslosen Offenheit
des Jankees wiederholt erklärt hat, sein Land habe ein größeres Interesse
daran,' mit Deutschland als mit England in guten Beziehungen zu stehn-
Mr. Stone ist vom Kaiser zweimal in längerer Audienz empfangen worden
und hat in der Person des Mr. Einer Roberts in Berlin einen Vertreter, dessen
vortreffliche Berichterstattung über Deutschland allen deutschen Korrespondenten
in Newhork zum Muster dienen kaun. Mr. Stone hat bei dem Festmahle,
das vor kurzem die Newyorker Staatszeitung zu Ehren des amerikanischen
Botschafters in Berlin, Mr. Charlemagne Tower, im Manhattanklub in
Newhork veranstaltet hatte, aufs neue seine aufrichtigen Sympathien für
Deutschland betont und dabei zwei internationale Vorfälle aufgeklärt, über die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0548" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302536"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2379" prev="#ID_2378"> großbritannische Botschafter im Weißen Hause einnahm, ist jetzt auf seinen<lb/>
deutschen Kollegen übergegangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2380"> Dieser Szenenwechsel wurde natürlich wesentlich erleichtert durch die<lb/>
Persönlichkeit unsers jetzigen Botschafters, der ein Jugendfreund des Präsi¬<lb/>
denten ist und infolge seiner englischen Erziehung und seiner frühern lang¬<lb/>
jährigen Anwesenheit in den Vereinigten Staaten ein feines Empfinden für<lb/>
die Psyche des amerikanischen Volkes hat. Jedenfalls haben wir zum ersten¬<lb/>
mal einen diplomatischen Vertreter in Washington, um den uns alle andern<lb/>
Mächte beneiden, und der insbesondre allen Nachfolgern Pauncefotes über¬<lb/>
legen ist. Die heimische Presse sollte darum endlich die kindische Gewohnheit<lb/>
des Verspottens seiner überhaupt nicht mit deutschen! Maßstabe zu messenden<lb/>
Handlungen unterlassen und möglichst alle Äußerungen vermeiden, die der<lb/>
gelben Presse drüben Stoff zu Verdächtigungen Deutschlands liefern können,<lb/>
denn der Botschafter in Washington hat heute das dvrncnreichste Amt von<lb/>
allen Diplomaten und kann nur dann des Erfolgs seiner Leistungen gewiß<lb/>
sein, wenn ihm seine Zirkel nicht durch die eigne Presse gestört werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2381" next="#ID_2382"> Die deutschen Zeitungen behandeln Amerika noch immer höchst stief¬<lb/>
mütterlich und haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine geeigneten<lb/>
Korrespondenten in den Vereinigten Staaten, während jedes große englische<lb/>
Blatt vorzügliche ständige Vertreter in Newhork hat, die zum Teil einen ebenso<lb/>
hohen Gehalt erhalten, wie der ganze Redaktionsstab einer deutschen Zeitung<lb/>
zusammen bekommt. Die Folge ist, daß unsre Zeitungen fast alle Nachrichten<lb/>
über Amerika aus der Londoner Quelle schöpfen, die natürlich nichts bringt, was<lb/>
Deutschland förderlich sein könnte. Umgekehrt wird den Amerikanern fast aus¬<lb/>
schließlich von den englischen Telegraphen- und Nachrichteubureaus über Deutsch¬<lb/>
land berichtet, was zu den gröbsten Entstellungen unsrer politischen Pläne und<lb/>
Absichten geführt hat. Die Lügen, die der Xev loial HsMä über Deutschland<lb/>
veröffentlicht hat, und die fast immer auf englischen Ursprung zurückzuführen waren,<lb/>
haben regelmäßig ihre Rundreise durch die Zeitungen der latino-amerikanischen<lb/>
Republiken genommen. Hierin einen Wandel zum Bessern herbeigeführt zu<lb/>
haben ist das Verdienst von Mr. Melville E. Stone, dem Generaldirektor<lb/>
der amerikanischen ^.ssoomtecl ?rsss, der mit der rücksichtslosen Offenheit<lb/>
des Jankees wiederholt erklärt hat, sein Land habe ein größeres Interesse<lb/>
daran,' mit Deutschland als mit England in guten Beziehungen zu stehn-<lb/>
Mr. Stone ist vom Kaiser zweimal in längerer Audienz empfangen worden<lb/>
und hat in der Person des Mr. Einer Roberts in Berlin einen Vertreter, dessen<lb/>
vortreffliche Berichterstattung über Deutschland allen deutschen Korrespondenten<lb/>
in Newhork zum Muster dienen kaun. Mr. Stone hat bei dem Festmahle,<lb/>
das vor kurzem die Newyorker Staatszeitung zu Ehren des amerikanischen<lb/>
Botschafters in Berlin, Mr. Charlemagne Tower, im Manhattanklub in<lb/>
Newhork veranstaltet hatte, aufs neue seine aufrichtigen Sympathien für<lb/>
Deutschland betont und dabei zwei internationale Vorfälle aufgeklärt, über die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0548] Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den vereinigten Staaten von Amerika großbritannische Botschafter im Weißen Hause einnahm, ist jetzt auf seinen deutschen Kollegen übergegangen. Dieser Szenenwechsel wurde natürlich wesentlich erleichtert durch die Persönlichkeit unsers jetzigen Botschafters, der ein Jugendfreund des Präsi¬ denten ist und infolge seiner englischen Erziehung und seiner frühern lang¬ jährigen Anwesenheit in den Vereinigten Staaten ein feines Empfinden für die Psyche des amerikanischen Volkes hat. Jedenfalls haben wir zum ersten¬ mal einen diplomatischen Vertreter in Washington, um den uns alle andern Mächte beneiden, und der insbesondre allen Nachfolgern Pauncefotes über¬ legen ist. Die heimische Presse sollte darum endlich die kindische Gewohnheit des Verspottens seiner überhaupt nicht mit deutschen! Maßstabe zu messenden Handlungen unterlassen und möglichst alle Äußerungen vermeiden, die der gelben Presse drüben Stoff zu Verdächtigungen Deutschlands liefern können, denn der Botschafter in Washington hat heute das dvrncnreichste Amt von allen Diplomaten und kann nur dann des Erfolgs seiner Leistungen gewiß sein, wenn ihm seine Zirkel nicht durch die eigne Presse gestört werden. Die deutschen Zeitungen behandeln Amerika noch immer höchst stief¬ mütterlich und haben, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine geeigneten Korrespondenten in den Vereinigten Staaten, während jedes große englische Blatt vorzügliche ständige Vertreter in Newhork hat, die zum Teil einen ebenso hohen Gehalt erhalten, wie der ganze Redaktionsstab einer deutschen Zeitung zusammen bekommt. Die Folge ist, daß unsre Zeitungen fast alle Nachrichten über Amerika aus der Londoner Quelle schöpfen, die natürlich nichts bringt, was Deutschland förderlich sein könnte. Umgekehrt wird den Amerikanern fast aus¬ schließlich von den englischen Telegraphen- und Nachrichteubureaus über Deutsch¬ land berichtet, was zu den gröbsten Entstellungen unsrer politischen Pläne und Absichten geführt hat. Die Lügen, die der Xev loial HsMä über Deutschland veröffentlicht hat, und die fast immer auf englischen Ursprung zurückzuführen waren, haben regelmäßig ihre Rundreise durch die Zeitungen der latino-amerikanischen Republiken genommen. Hierin einen Wandel zum Bessern herbeigeführt zu haben ist das Verdienst von Mr. Melville E. Stone, dem Generaldirektor der amerikanischen ^.ssoomtecl ?rsss, der mit der rücksichtslosen Offenheit des Jankees wiederholt erklärt hat, sein Land habe ein größeres Interesse daran,' mit Deutschland als mit England in guten Beziehungen zu stehn- Mr. Stone ist vom Kaiser zweimal in längerer Audienz empfangen worden und hat in der Person des Mr. Einer Roberts in Berlin einen Vertreter, dessen vortreffliche Berichterstattung über Deutschland allen deutschen Korrespondenten in Newhork zum Muster dienen kaun. Mr. Stone hat bei dem Festmahle, das vor kurzem die Newyorker Staatszeitung zu Ehren des amerikanischen Botschafters in Berlin, Mr. Charlemagne Tower, im Manhattanklub in Newhork veranstaltet hatte, aufs neue seine aufrichtigen Sympathien für Deutschland betont und dabei zwei internationale Vorfälle aufgeklärt, über die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/548
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/548>, abgerufen am 06.02.2025.