Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den "reinigten Staaten von Amerika überschätzt werden, die erfreuliche Tatsache kann nicht geleugnet werden, daß der Das ganze Gewebe, das England über unsre politische und handelspolitische Der japanisch-amerikanische Krieg ist nach dem Urteil aller Kenner des Die Tatsache, daß das englisch-japanische Bündnis auf absehbare Zeit Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den »reinigten Staaten von Amerika überschätzt werden, die erfreuliche Tatsache kann nicht geleugnet werden, daß der Das ganze Gewebe, das England über unsre politische und handelspolitische Der japanisch-amerikanische Krieg ist nach dem Urteil aller Kenner des Die Tatsache, daß das englisch-japanische Bündnis auf absehbare Zeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302534"/> <fw type="header" place="top"> Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den »reinigten Staaten von Amerika</fw><lb/> <p xml:id="ID_2373" prev="#ID_2372"> überschätzt werden, die erfreuliche Tatsache kann nicht geleugnet werden, daß der<lb/> von Albion mit ach so tiefer Inbrunst umworbne Vetter jenseits des Atlantischen<lb/> Ozeans zwar alle politischen Geschenke, wie den Verzicht Englands ans eine<lb/> Beteiligung am Panamakanal, die für die Union so günstige Regulierung der<lb/> Alaskagreuze und jüngst die Preisgabe der Neufundlandfischer mit Dank an¬<lb/> genommen hat, sich aber durch nichts dazu bewege» lassen will, gegen Deutsch¬<lb/> land Partei zu nehmen. Und doch fürchte» die Engländer nichts mehr als<lb/> eine deutsch-amerikanische Annäherung und geraten in ihrer nervösen Furcht<lb/> auf die seltsamsten Gedankenabwege. So richtete der Konservative Mr. Gibson<lb/> Bootes am 6. Dezember 1906 alles Ernstes an die Regierung im englischen<lb/> Unterhause die Anfrage, ob auf Grund einer deutsch-amerikanischen Abmachung<lb/> die deutsche Handelsflotte im Kriegsfalle unter amerikanischer Flagge fahren<lb/> würde. Vom Staatssekretär des Auswärtigen Sir Edward Grey ist die Frage<lb/> verneint worden, aber daß sie überhaupt gestellt werden konnte, spricht Bände.<lb/> Wir haben folglich alle Ursache, die Engländer von dem Alp einer deutsch-<lb/> nmerikanischen Verständigung nicht zu befreien.</p><lb/> <p xml:id="ID_2374"> Das ganze Gewebe, das England über unsre politische und handelspolitische<lb/> Bewegungsfreiheit im Laufe der letzten Jahre zu spinnen versucht hat, ist ohne<lb/> jeden Wert, wenn die wichtigste Masche des Netzes, die Union, fehlt. Und daß<lb/> diese nach menschlicher Berechnung immer fehlen wird, dafür haben die Eng¬<lb/> länder selbst gesorgt durch Abschluß ihres zweiten Bündnisvertrages mit Japan,<lb/> wodurch sie ihren asiatischen Besitz allerdings auf ein oder zwei Jahrzehnte<lb/> sichern, aber für die Zukunft sich nicht nur selbst einen höchst gefährlichen Gegner<lb/> groß ziehn, sondern auch Amerika tödlich treffen müssen, dessen Gegensatz zu<lb/> Japan immer unverhüllter zutage tritt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2375"> Der japanisch-amerikanische Krieg ist nach dem Urteil aller Kenner des<lb/> fernen Ostens nur eine Frage der Zeit. Es ist unwahrscheinlich, daß er in<lb/> den nächsten sechs Jahren ausbrechen wird, aber sobald sich die Japaner finanziell<lb/> etwas von den Folgen des letzten Krieges erholt haben werden, und lange ehe<lb/> der Kanal von Panama die strategische Lage der Vereinigten Staaten günstiger<lb/> gestalten wird, ist mit einer kriegerischen Abrechnung der beiden jüngsten Welt¬<lb/> mächte zu rechnen. Die Japaner streben nicht nach dem Amurgebiet und andern<lb/> nördlichen Ländern, denn sonst würden sie ihre ihnen seit Jahrhunderten ge¬<lb/> hörende, für Millionen von Auswandrern ausreichende fruchtbare Insel Holtaido<lb/> besser besiedelt haben, sondern sie richten ihre Blicke auf klimatisch günstigere<lb/> Länder wie die Philippinen und Hawai.</p><lb/> <p xml:id="ID_2376" next="#ID_2377"> Die Tatsache, daß das englisch-japanische Bündnis auf absehbare Zeit<lb/> hinaus eine Annäherung der Vereinigten Staaten an Großbritannien verhindern<lb/> wird, ist aber deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeutung, weil an und<lb/> für sich die Chancen Englands bei seinem Buhlen um die Gunst der Union<lb/> anssichtsreich zu nennen sind. Jahrzehntelang ist es den« aus trüber britischer<lb/> Quelle gespeiste» internationalen Nachrichtendienst der amerikanische» Presse</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0546]
Die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den »reinigten Staaten von Amerika
überschätzt werden, die erfreuliche Tatsache kann nicht geleugnet werden, daß der
von Albion mit ach so tiefer Inbrunst umworbne Vetter jenseits des Atlantischen
Ozeans zwar alle politischen Geschenke, wie den Verzicht Englands ans eine
Beteiligung am Panamakanal, die für die Union so günstige Regulierung der
Alaskagreuze und jüngst die Preisgabe der Neufundlandfischer mit Dank an¬
genommen hat, sich aber durch nichts dazu bewege» lassen will, gegen Deutsch¬
land Partei zu nehmen. Und doch fürchte» die Engländer nichts mehr als
eine deutsch-amerikanische Annäherung und geraten in ihrer nervösen Furcht
auf die seltsamsten Gedankenabwege. So richtete der Konservative Mr. Gibson
Bootes am 6. Dezember 1906 alles Ernstes an die Regierung im englischen
Unterhause die Anfrage, ob auf Grund einer deutsch-amerikanischen Abmachung
die deutsche Handelsflotte im Kriegsfalle unter amerikanischer Flagge fahren
würde. Vom Staatssekretär des Auswärtigen Sir Edward Grey ist die Frage
verneint worden, aber daß sie überhaupt gestellt werden konnte, spricht Bände.
Wir haben folglich alle Ursache, die Engländer von dem Alp einer deutsch-
nmerikanischen Verständigung nicht zu befreien.
Das ganze Gewebe, das England über unsre politische und handelspolitische
Bewegungsfreiheit im Laufe der letzten Jahre zu spinnen versucht hat, ist ohne
jeden Wert, wenn die wichtigste Masche des Netzes, die Union, fehlt. Und daß
diese nach menschlicher Berechnung immer fehlen wird, dafür haben die Eng¬
länder selbst gesorgt durch Abschluß ihres zweiten Bündnisvertrages mit Japan,
wodurch sie ihren asiatischen Besitz allerdings auf ein oder zwei Jahrzehnte
sichern, aber für die Zukunft sich nicht nur selbst einen höchst gefährlichen Gegner
groß ziehn, sondern auch Amerika tödlich treffen müssen, dessen Gegensatz zu
Japan immer unverhüllter zutage tritt.
Der japanisch-amerikanische Krieg ist nach dem Urteil aller Kenner des
fernen Ostens nur eine Frage der Zeit. Es ist unwahrscheinlich, daß er in
den nächsten sechs Jahren ausbrechen wird, aber sobald sich die Japaner finanziell
etwas von den Folgen des letzten Krieges erholt haben werden, und lange ehe
der Kanal von Panama die strategische Lage der Vereinigten Staaten günstiger
gestalten wird, ist mit einer kriegerischen Abrechnung der beiden jüngsten Welt¬
mächte zu rechnen. Die Japaner streben nicht nach dem Amurgebiet und andern
nördlichen Ländern, denn sonst würden sie ihre ihnen seit Jahrhunderten ge¬
hörende, für Millionen von Auswandrern ausreichende fruchtbare Insel Holtaido
besser besiedelt haben, sondern sie richten ihre Blicke auf klimatisch günstigere
Länder wie die Philippinen und Hawai.
Die Tatsache, daß das englisch-japanische Bündnis auf absehbare Zeit
hinaus eine Annäherung der Vereinigten Staaten an Großbritannien verhindern
wird, ist aber deshalb von nicht zu unterschätzender Bedeutung, weil an und
für sich die Chancen Englands bei seinem Buhlen um die Gunst der Union
anssichtsreich zu nennen sind. Jahrzehntelang ist es den« aus trüber britischer
Quelle gespeiste» internationalen Nachrichtendienst der amerikanische» Presse
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