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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Hannovers abfinden. Wir wissen dynastische Treue als ein wichtiges, ja unent¬
behrliches Element unsrer öffentlichen Ordnung zu schätzen, aber sie darf niemals
in Widerspruch mit den Interessen der Gesamtheit treten. "Das deutsche Volk und
sein nationales Leben können nicht unter fürstlichen Privatbesitz verteilt werden",
sagt Bismarck in einem der schönsten Kapitel seiner Gedanken und Erinnerungen
(I, 295). Diese Zeit ist für immer vorüber, das deutsche Privatsürstenrecht hat
sich dem Wohle der Nation unterzuordnen, dagegen kommt kein salbungsvolles
Gerede von "Legitimität" auf. Von diesem Grundsatze müssen Fürsten und Volk
durchdrungen sein, und das müssen auch die Welsen lernen, wenn sie in Deutschland
regieren wollen, und die Braunschweiger dazu. Freilich hat gerade ihnen ihr größter
Ahn, Heinrich der Löwe, mit seiner "Desertion von Kaiser und Reich im Augenblick
des schwersten und gefährlichsten Kampfes" ein schlimmes Erbteil hinterlassen.

Beweist diese Braunschweiger Sache, wie stark noch die Nachwirkungen über-
wundner Zustände sind, so wirken diese auch noch in unserm Eisenbahnwesen, das
Notwendige hemmend, nach. In dieser Beziehung hat die am 1. Mai in Kraft
getretne Eisenbahntarifreform wenigstens den Anfang zu einem wichtigen Fortschritt
gebracht, denn sie gilt für das ganze Reich; sie hat in mancher Beziehung die
Fahrkosten verteuert, und Norddeutschland hat deu Süddeutschen die alte freie Be¬
förderung des Reisegepäcks bis zu 25 Kg- um der Einheit willen geopfert -- bei¬
läufig eine hübsche Illustration zu dem Übergewichte Preußens! --, wogegen Bayern
sich endlich herabgelassen hat, die IV. Wagenklasse einzuführen, oder vielmehr die
Wagenklasse IIIL, denn irgendwo mußte doch die bayrische Selbständigkeit gewahrt
werden. Dagegen ist die unerträgliche Vielheit der Tarife beseitigt und damit eine
Bedingung zur allgemeinen deutschen Eisenbahngemeinschaft geschaffen, die kommen
wird, weil sie kommen muß. Wann sie freilich kommen wird, wer vermöchte das
zu sagen bei der unendlichen Langsamkeit, mit der sich jeder Fortschritt zu größerer
Einheit in Deutschland zu vollziehen pflegt, sobald er sich außerhalb der Reichs¬
verfassung durch freie Vereinbarung der Einzelstaaten vollziehen muß, und leider
leisten die Einzellandtage in dieser Richtung gar nichts. Der Zollverein hat mehr als
dreißig Jahre zu seiner Vollendung gebraucht, rechnet man den Zollanschluß Bremens
und Hamburgs hinzu, sogar mehr als sechzig Jahre. Ob da die lebende Generation
die deutsche Eisenbahngemeinschaft sehen wird? Das ist freilich staatenbundisch, nicht
bundesstaatlich, aber es ist leider deutsch. ......

Die liberale Presse klagt häufig, es sei ein schwerer Widerspruch, daß sich die
Reichsregierung im Reichstage aus den konservativ-liberalen "Block" stütze, daß
dagegen in Preußen reaktionär, jedenfalls nicht liberal regiert werde -- besonders
der Kultusminister ist bei ihr schlecht angeschrieben --, und sie bezeichnet das als
eine Gefahr für die Existenz dieses "Blocks". Ob mit Recht? Die Verhältnisse
sind eben nicht dieselben. In Preußen sind die konservativen Elemente nicht nur
stärker als im ganzen Reiche, sondern sie kommen auch im preußischen Landtage
infolge des freilich sehr "rückständigen" Dreiklassenwahlrechts viel mehr zur Geltung,
als es in dem auf dem allgemeinen direkten Wahlrecht beruhenden Reichstage möglich
ist. und jede Regierung muß mit der Mehrheit wirtschaften, die sie haben kann, die
Liberalen haben aber nicht einmal im Reichstage die Mehrheit, und bei den, demo¬
kratisierenden Zuge unsrer Zeit ist es vielleicht recht wohltätig, wenn der größte
Bundesstaat in diese Entwicklung ein etwas "retardierendes Moment" hineinbringt.

" Recht überflüssigen Staub hat jüngst die Neubesetzung einer Reihe von kolonialen
Andern aufgewirbelt Schon daß Herr von Lindequist nicht nach Südafrika zurück¬
kehrt, fiel auf, geradezu mißfiel es, daß sein Nachfolger Herr von Schuckmcmn wurde,
der zwar praktischer Landwirt ist und Kaiserlicher Generalkonsul in Kapstadt gewesen


Grenzboten II 1907 69
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Hannovers abfinden. Wir wissen dynastische Treue als ein wichtiges, ja unent¬
behrliches Element unsrer öffentlichen Ordnung zu schätzen, aber sie darf niemals
in Widerspruch mit den Interessen der Gesamtheit treten. „Das deutsche Volk und
sein nationales Leben können nicht unter fürstlichen Privatbesitz verteilt werden",
sagt Bismarck in einem der schönsten Kapitel seiner Gedanken und Erinnerungen
(I, 295). Diese Zeit ist für immer vorüber, das deutsche Privatsürstenrecht hat
sich dem Wohle der Nation unterzuordnen, dagegen kommt kein salbungsvolles
Gerede von „Legitimität" auf. Von diesem Grundsatze müssen Fürsten und Volk
durchdrungen sein, und das müssen auch die Welsen lernen, wenn sie in Deutschland
regieren wollen, und die Braunschweiger dazu. Freilich hat gerade ihnen ihr größter
Ahn, Heinrich der Löwe, mit seiner „Desertion von Kaiser und Reich im Augenblick
des schwersten und gefährlichsten Kampfes" ein schlimmes Erbteil hinterlassen.

Beweist diese Braunschweiger Sache, wie stark noch die Nachwirkungen über-
wundner Zustände sind, so wirken diese auch noch in unserm Eisenbahnwesen, das
Notwendige hemmend, nach. In dieser Beziehung hat die am 1. Mai in Kraft
getretne Eisenbahntarifreform wenigstens den Anfang zu einem wichtigen Fortschritt
gebracht, denn sie gilt für das ganze Reich; sie hat in mancher Beziehung die
Fahrkosten verteuert, und Norddeutschland hat deu Süddeutschen die alte freie Be¬
förderung des Reisegepäcks bis zu 25 Kg- um der Einheit willen geopfert — bei¬
läufig eine hübsche Illustration zu dem Übergewichte Preußens! —, wogegen Bayern
sich endlich herabgelassen hat, die IV. Wagenklasse einzuführen, oder vielmehr die
Wagenklasse IIIL, denn irgendwo mußte doch die bayrische Selbständigkeit gewahrt
werden. Dagegen ist die unerträgliche Vielheit der Tarife beseitigt und damit eine
Bedingung zur allgemeinen deutschen Eisenbahngemeinschaft geschaffen, die kommen
wird, weil sie kommen muß. Wann sie freilich kommen wird, wer vermöchte das
zu sagen bei der unendlichen Langsamkeit, mit der sich jeder Fortschritt zu größerer
Einheit in Deutschland zu vollziehen pflegt, sobald er sich außerhalb der Reichs¬
verfassung durch freie Vereinbarung der Einzelstaaten vollziehen muß, und leider
leisten die Einzellandtage in dieser Richtung gar nichts. Der Zollverein hat mehr als
dreißig Jahre zu seiner Vollendung gebraucht, rechnet man den Zollanschluß Bremens
und Hamburgs hinzu, sogar mehr als sechzig Jahre. Ob da die lebende Generation
die deutsche Eisenbahngemeinschaft sehen wird? Das ist freilich staatenbundisch, nicht
bundesstaatlich, aber es ist leider deutsch. ......

Die liberale Presse klagt häufig, es sei ein schwerer Widerspruch, daß sich die
Reichsregierung im Reichstage aus den konservativ-liberalen „Block" stütze, daß
dagegen in Preußen reaktionär, jedenfalls nicht liberal regiert werde — besonders
der Kultusminister ist bei ihr schlecht angeschrieben —, und sie bezeichnet das als
eine Gefahr für die Existenz dieses „Blocks". Ob mit Recht? Die Verhältnisse
sind eben nicht dieselben. In Preußen sind die konservativen Elemente nicht nur
stärker als im ganzen Reiche, sondern sie kommen auch im preußischen Landtage
infolge des freilich sehr „rückständigen" Dreiklassenwahlrechts viel mehr zur Geltung,
als es in dem auf dem allgemeinen direkten Wahlrecht beruhenden Reichstage möglich
ist. und jede Regierung muß mit der Mehrheit wirtschaften, die sie haben kann, die
Liberalen haben aber nicht einmal im Reichstage die Mehrheit, und bei den, demo¬
kratisierenden Zuge unsrer Zeit ist es vielleicht recht wohltätig, wenn der größte
Bundesstaat in diese Entwicklung ein etwas „retardierendes Moment" hineinbringt.

„ Recht überflüssigen Staub hat jüngst die Neubesetzung einer Reihe von kolonialen
Andern aufgewirbelt Schon daß Herr von Lindequist nicht nach Südafrika zurück¬
kehrt, fiel auf, geradezu mißfiel es, daß sein Nachfolger Herr von Schuckmcmn wurde,
der zwar praktischer Landwirt ist und Kaiserlicher Generalkonsul in Kapstadt gewesen


Grenzboten II 1907 69
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[0541] Maßgebliches und Unmaßgebliches Hannovers abfinden. Wir wissen dynastische Treue als ein wichtiges, ja unent¬ behrliches Element unsrer öffentlichen Ordnung zu schätzen, aber sie darf niemals in Widerspruch mit den Interessen der Gesamtheit treten. „Das deutsche Volk und sein nationales Leben können nicht unter fürstlichen Privatbesitz verteilt werden", sagt Bismarck in einem der schönsten Kapitel seiner Gedanken und Erinnerungen (I, 295). Diese Zeit ist für immer vorüber, das deutsche Privatsürstenrecht hat sich dem Wohle der Nation unterzuordnen, dagegen kommt kein salbungsvolles Gerede von „Legitimität" auf. Von diesem Grundsatze müssen Fürsten und Volk durchdrungen sein, und das müssen auch die Welsen lernen, wenn sie in Deutschland regieren wollen, und die Braunschweiger dazu. Freilich hat gerade ihnen ihr größter Ahn, Heinrich der Löwe, mit seiner „Desertion von Kaiser und Reich im Augenblick des schwersten und gefährlichsten Kampfes" ein schlimmes Erbteil hinterlassen. Beweist diese Braunschweiger Sache, wie stark noch die Nachwirkungen über- wundner Zustände sind, so wirken diese auch noch in unserm Eisenbahnwesen, das Notwendige hemmend, nach. In dieser Beziehung hat die am 1. Mai in Kraft getretne Eisenbahntarifreform wenigstens den Anfang zu einem wichtigen Fortschritt gebracht, denn sie gilt für das ganze Reich; sie hat in mancher Beziehung die Fahrkosten verteuert, und Norddeutschland hat deu Süddeutschen die alte freie Be¬ förderung des Reisegepäcks bis zu 25 Kg- um der Einheit willen geopfert — bei¬ läufig eine hübsche Illustration zu dem Übergewichte Preußens! —, wogegen Bayern sich endlich herabgelassen hat, die IV. Wagenklasse einzuführen, oder vielmehr die Wagenklasse IIIL, denn irgendwo mußte doch die bayrische Selbständigkeit gewahrt werden. Dagegen ist die unerträgliche Vielheit der Tarife beseitigt und damit eine Bedingung zur allgemeinen deutschen Eisenbahngemeinschaft geschaffen, die kommen wird, weil sie kommen muß. Wann sie freilich kommen wird, wer vermöchte das zu sagen bei der unendlichen Langsamkeit, mit der sich jeder Fortschritt zu größerer Einheit in Deutschland zu vollziehen pflegt, sobald er sich außerhalb der Reichs¬ verfassung durch freie Vereinbarung der Einzelstaaten vollziehen muß, und leider leisten die Einzellandtage in dieser Richtung gar nichts. Der Zollverein hat mehr als dreißig Jahre zu seiner Vollendung gebraucht, rechnet man den Zollanschluß Bremens und Hamburgs hinzu, sogar mehr als sechzig Jahre. Ob da die lebende Generation die deutsche Eisenbahngemeinschaft sehen wird? Das ist freilich staatenbundisch, nicht bundesstaatlich, aber es ist leider deutsch. ...... Die liberale Presse klagt häufig, es sei ein schwerer Widerspruch, daß sich die Reichsregierung im Reichstage aus den konservativ-liberalen „Block" stütze, daß dagegen in Preußen reaktionär, jedenfalls nicht liberal regiert werde — besonders der Kultusminister ist bei ihr schlecht angeschrieben —, und sie bezeichnet das als eine Gefahr für die Existenz dieses „Blocks". Ob mit Recht? Die Verhältnisse sind eben nicht dieselben. In Preußen sind die konservativen Elemente nicht nur stärker als im ganzen Reiche, sondern sie kommen auch im preußischen Landtage infolge des freilich sehr „rückständigen" Dreiklassenwahlrechts viel mehr zur Geltung, als es in dem auf dem allgemeinen direkten Wahlrecht beruhenden Reichstage möglich ist. und jede Regierung muß mit der Mehrheit wirtschaften, die sie haben kann, die Liberalen haben aber nicht einmal im Reichstage die Mehrheit, und bei den, demo¬ kratisierenden Zuge unsrer Zeit ist es vielleicht recht wohltätig, wenn der größte Bundesstaat in diese Entwicklung ein etwas „retardierendes Moment" hineinbringt. „ Recht überflüssigen Staub hat jüngst die Neubesetzung einer Reihe von kolonialen Andern aufgewirbelt Schon daß Herr von Lindequist nicht nach Südafrika zurück¬ kehrt, fiel auf, geradezu mißfiel es, daß sein Nachfolger Herr von Schuckmcmn wurde, der zwar praktischer Landwirt ist und Kaiserlicher Generalkonsul in Kapstadt gewesen Grenzboten II 1907 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/541>, abgerufen am 06.02.2025.