Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.durch den Krieg Verarmte aus den Ostseeprovinzen, wohin Friedrich Wilhelm durch den Krieg Verarmte aus den Ostseeprovinzen, wohin Friedrich Wilhelm <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0532" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302520"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2287" prev="#ID_2286" next="#ID_2288"> durch den Krieg Verarmte aus den Ostseeprovinzen, wohin Friedrich Wilhelm<lb/> nach den Tagen von Nathenow und Fehrbellin seine siegreichen Fahnen führte,<lb/> aber der Hauptzug dieser Exulanten brauchte mehrere Jahre, bis er die Elb-<lb/> gegenden überschwemmte. Die Rechnungen von 1677 bringen ihrer schon mehr.<lb/> Zwei armen Kindern aus der Mark, andern armen Kindern bei Stettin her,<lb/> einem armen Weibe von Greifswald, aber auch einem schwedischen Leutnant<lb/> aus Altstadt Stettin lauten einige der eingetragnen Posten. Ebenfalls ein<lb/> Opfer der brandenburgischen Kriege, wurde in diesem Jahre eine schwangere<lb/> Fran von Adel daher gefahren, „welche von den Franzosen fünf Schüsse be¬<lb/> kommen; derselben Ehemann ein Brandenburgischer Lieutenant gewesen und<lb/> geblieben. Dieses Weib hat fortgeführet und von einem Wagen auf den andern<lb/> gehoben werden müssen." Vertriebne oder Verarmte kamen ferner aus Stettin,<lb/> ans Anklam, Pasewalk und aus dem Mecklenburgischen, aber ihre Zahl und<lb/> die der Bettelnden überhaupt nahm noch bedeutend im nächsten Jahre zu.<lb/> Besonders Pommern und Mecklenburg wurden hart mitgenommen, aber auch<lb/> von der Westgrenze, aus Holland, Bremen und Preußen strömten die Opfer<lb/> der bestialischer Kriegführung jener Zeiten herbei. So eines Priesters Sohn<lb/> aus dem Elsaß, der von den Franzosen vertrieben war, ein wegen des Kriegs<lb/> verarmter Schulmeister aus Dänemark, ein durch den Krieg Vertriebner Priester<lb/> aus der Gegend von Stettin und ein Schiffszimmermann aus dem Stift<lb/> Bremen, „den die Schwedischen Soldaten hehre zunicht gehauen". Aus dem<lb/> Stift Bremen kamen beständig Scharen von Bettlern. Durch den Krieg<lb/> ruinierte Menschen — heißt es dann wieder — aus der Gegend von Aschaffen-<lb/> burg, nicht minder aus der Pfalz, dem Mecklenburgischen und Dänemark. Aus<lb/> demi reichen Stralsund erschienen 1679 zwei abgebrannte Bürger, die miteinander<lb/> die Welt durchwanderten, bald darauf ein dritter, namens Michael Krüger;<lb/> im Oktober 1678 hatte der Große Kurfürst die von Wallenstein nnbezwungne<lb/> Stadt am Sunde durch 150 Feuerschlünde zur Übergabe gezwungen. Wir<lb/> lesen ferner von einem Vertriebnen Schulmeister aus Grimmen bei Stralsund,<lb/> von Abgebrannten aus den rügischen Dörfern, im September 1679 noch von<lb/> einem Kaufmann aus Stralsund, Hans Nampo, „der bei Eroberung der Stadt<lb/> um sein Haus und um all das Seinige gekommen". Aber nicht minder zahlreich<lb/> waren die wandernden Opfer der Raubkriege an der französischen Grenze, wo<lb/> die einbrechenden Scharen Ludwigs des Vierzehnten gehaust hatten wie die<lb/> Horden Tillys und Baners ein halbes Jahrhundert zuvor. Ein Barbier aus<lb/> dem Breisgau, eine Pfarrfrau viereinhalb Meilen von Philippsburg, „so von<lb/> den Franzosen beschädigt und um all das ihrige gekommen", „ein Kaufmann,<lb/> so bei Gröningen in Holland zu Hause gehört und wegen Wasser und Kriegs-<lb/> schäden um all das seinige gekommen", dazwischen abgedankte Soldaten und<lb/> Offiziere, die bei der oder jener Belagerung und Attacke „um ihre Glieder<lb/> gekommen", bezeichnen die Weltlage, wie sie sich in unserm kleinen Elbstüdtchcu<lb/> widerspiegelte. Auch die Jahre 1680 und 1681 brachten immer noch »cuc</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0532]
durch den Krieg Verarmte aus den Ostseeprovinzen, wohin Friedrich Wilhelm
nach den Tagen von Nathenow und Fehrbellin seine siegreichen Fahnen führte,
aber der Hauptzug dieser Exulanten brauchte mehrere Jahre, bis er die Elb-
gegenden überschwemmte. Die Rechnungen von 1677 bringen ihrer schon mehr.
Zwei armen Kindern aus der Mark, andern armen Kindern bei Stettin her,
einem armen Weibe von Greifswald, aber auch einem schwedischen Leutnant
aus Altstadt Stettin lauten einige der eingetragnen Posten. Ebenfalls ein
Opfer der brandenburgischen Kriege, wurde in diesem Jahre eine schwangere
Fran von Adel daher gefahren, „welche von den Franzosen fünf Schüsse be¬
kommen; derselben Ehemann ein Brandenburgischer Lieutenant gewesen und
geblieben. Dieses Weib hat fortgeführet und von einem Wagen auf den andern
gehoben werden müssen." Vertriebne oder Verarmte kamen ferner aus Stettin,
ans Anklam, Pasewalk und aus dem Mecklenburgischen, aber ihre Zahl und
die der Bettelnden überhaupt nahm noch bedeutend im nächsten Jahre zu.
Besonders Pommern und Mecklenburg wurden hart mitgenommen, aber auch
von der Westgrenze, aus Holland, Bremen und Preußen strömten die Opfer
der bestialischer Kriegführung jener Zeiten herbei. So eines Priesters Sohn
aus dem Elsaß, der von den Franzosen vertrieben war, ein wegen des Kriegs
verarmter Schulmeister aus Dänemark, ein durch den Krieg Vertriebner Priester
aus der Gegend von Stettin und ein Schiffszimmermann aus dem Stift
Bremen, „den die Schwedischen Soldaten hehre zunicht gehauen". Aus dem
Stift Bremen kamen beständig Scharen von Bettlern. Durch den Krieg
ruinierte Menschen — heißt es dann wieder — aus der Gegend von Aschaffen-
burg, nicht minder aus der Pfalz, dem Mecklenburgischen und Dänemark. Aus
demi reichen Stralsund erschienen 1679 zwei abgebrannte Bürger, die miteinander
die Welt durchwanderten, bald darauf ein dritter, namens Michael Krüger;
im Oktober 1678 hatte der Große Kurfürst die von Wallenstein nnbezwungne
Stadt am Sunde durch 150 Feuerschlünde zur Übergabe gezwungen. Wir
lesen ferner von einem Vertriebnen Schulmeister aus Grimmen bei Stralsund,
von Abgebrannten aus den rügischen Dörfern, im September 1679 noch von
einem Kaufmann aus Stralsund, Hans Nampo, „der bei Eroberung der Stadt
um sein Haus und um all das Seinige gekommen". Aber nicht minder zahlreich
waren die wandernden Opfer der Raubkriege an der französischen Grenze, wo
die einbrechenden Scharen Ludwigs des Vierzehnten gehaust hatten wie die
Horden Tillys und Baners ein halbes Jahrhundert zuvor. Ein Barbier aus
dem Breisgau, eine Pfarrfrau viereinhalb Meilen von Philippsburg, „so von
den Franzosen beschädigt und um all das ihrige gekommen", „ein Kaufmann,
so bei Gröningen in Holland zu Hause gehört und wegen Wasser und Kriegs-
schäden um all das seinige gekommen", dazwischen abgedankte Soldaten und
Offiziere, die bei der oder jener Belagerung und Attacke „um ihre Glieder
gekommen", bezeichnen die Weltlage, wie sie sich in unserm kleinen Elbstüdtchcu
widerspiegelte. Auch die Jahre 1680 und 1681 brachten immer noch »cuc
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