Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.was das fahrende Volk erzählte (15V Häuser), Schildburg "unter dein jungen Herrn von Weimar, woselbst Das Jahr 1600 beginnt mit Nachrichten über Krieg, Feuersnot und Ans den nächsten Jahren ist außer vielen Bränden und zahlreichen Lands¬ was das fahrende Volk erzählte (15V Häuser), Schildburg „unter dein jungen Herrn von Weimar, woselbst Das Jahr 1600 beginnt mit Nachrichten über Krieg, Feuersnot und Ans den nächsten Jahren ist außer vielen Bränden und zahlreichen Lands¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0526" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302514"/> <fw type="header" place="top"> was das fahrende Volk erzählte</fw><lb/> <p xml:id="ID_2273" prev="#ID_2272"> (15V Häuser), Schildburg „unter dein jungen Herrn von Weimar, woselbst<lb/> 95 Erben sampt der Kirchen und Kloaken und das Pfarrhaus zu gründe ver¬<lb/> brannt", ferner aus Wildenberg in Braunschweig (120 Häuser) und Hirschberg<lb/> (190 Häuser, wohl das damals bedeutende Hirschberg am Riesengebirge), Von<lb/> der Unduldsamkeit der 1550 in Westdeutschland eingewanderten Jesuiten er¬<lb/> zählten Vertriebne Schreiber, Pfarrer und Rektoren aus den Stiftern Würz¬<lb/> burg, Bremen und andern, z.B. „ein armer Pfarr-Herr von Hartzburgk unter<lb/> den Bischoff von Wirdszsburgk, der evangelischer Bekenntnuß von den Papisten<lb/> vertrieben". Viele aus Ungarn zurückkehrende Landsknechte wußten von fernern<lb/> Welthandel» zu erzählen. Inzwischen werden immer neue Brände genannt;<lb/> ein absonderlich böses Jahr war 1597. In Rodenstein wurde am 4. März<lb/> „von zwei Böse buben" ein Feuer angelegt, das „59 wollerbaute Häuser<lb/> sampt Nathcmß, Pfarr und Schul, itsiri des pfarners Weib neben dem lind¬<lb/> lein und fünf Manns Personen verbrannt". In demselben Jahre wurden in<lb/> Rosenberg am 18. Mai 63 Wohnhäuser, vier Personen und eine Sechswöchnerin<lb/> „im Wetter" verbrannt, und am 15. Juni durch ein Gewitter mit Hagelschlng<lb/> 29 Wohnhäuser zu Rodau eingeäschert, sechs Menschen verbrannt „und das<lb/> Getraidich auf zwei Meilen Wegs weggeschlagen". Überhaupt war der Blitz die<lb/> Ursache der meisten Brände, 1598 erzählte der Müller Heinrich Brachmüller von<lb/> Bollersdorf, daß ihm am 18. April „seine mühte vom Wetter angestochen, sein<lb/> Vieh und aller Vorrat verbrannt". Er erhielt trotzdem nnr einen Groschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2274"> Das Jahr 1600 beginnt mit Nachrichten über Krieg, Feuersnot und<lb/> sonstiges Unglück. Außer umfangreichen Bränden in Rudolstadt, Jägersbach,<lb/> Schönfeld und Buchwalde erfahren wir die vollkommne Einäscherung des<lb/> reichen, gewerbtätigen Kottbus am 8. September. Ans Ungarn aber, woher<lb/> große Mengen Vertriebner Pfarrer und Schulbedienten kamen, erzählte ein<lb/> armer Schulmeister von Zips, daß dort „der Türk die ganze Stadt verheert".<lb/> Zu den Vertriebnen Evangelischen aus den Stiftern Würzburg, Bamberg und<lb/> Bremen gesellten sich solche ans Brabant und Niederland, ans Rußland, Liv-<lb/> land und Polen. Ausführlicheres vom Türkenkriege konnte ein alter Kriegs¬<lb/> mann namens Hans Otte erzählen, „welcher Fürst Bernhards hochlöbl. Ge¬<lb/> dächtniß Diener gewesen, da sie vor Erla sind geschlagen". Bernhard der<lb/> Achte, ein Bruder des berühmten anhaltischen Kriegsführers Christian des<lb/> Ersten, führte 1595 dem Reichsheer tausend Reiter zu, die der Obersächsische<lb/> Kreis als Tnrkenhilfe bewilligt hatte. In der unglücklichen Schlacht bei<lb/> Erlau soll Bernhard Wunder an Tapferkeit verrichtet haben, er starb aber<lb/> schon auf dein Rückzüge der kaiserlichen Armee am 24. November 1596 im<lb/> Alter von 25 Jahren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2275" next="#ID_2276"> Ans den nächsten Jahren ist außer vielen Bränden und zahlreichen Lands¬<lb/> knechten, entlassenen Kriegsgefangnen aus Ungarn und der Türkei nichts be¬<lb/> sondres zu erwähnen. In Weißbach sind gegen hundert Erben abgebrannt,<lb/> in Elgerode 89, in Hasenfnrth 145 und in Henninger in der Grafschaft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0526]
was das fahrende Volk erzählte
(15V Häuser), Schildburg „unter dein jungen Herrn von Weimar, woselbst
95 Erben sampt der Kirchen und Kloaken und das Pfarrhaus zu gründe ver¬
brannt", ferner aus Wildenberg in Braunschweig (120 Häuser) und Hirschberg
(190 Häuser, wohl das damals bedeutende Hirschberg am Riesengebirge), Von
der Unduldsamkeit der 1550 in Westdeutschland eingewanderten Jesuiten er¬
zählten Vertriebne Schreiber, Pfarrer und Rektoren aus den Stiftern Würz¬
burg, Bremen und andern, z.B. „ein armer Pfarr-Herr von Hartzburgk unter
den Bischoff von Wirdszsburgk, der evangelischer Bekenntnuß von den Papisten
vertrieben". Viele aus Ungarn zurückkehrende Landsknechte wußten von fernern
Welthandel» zu erzählen. Inzwischen werden immer neue Brände genannt;
ein absonderlich böses Jahr war 1597. In Rodenstein wurde am 4. März
„von zwei Böse buben" ein Feuer angelegt, das „59 wollerbaute Häuser
sampt Nathcmß, Pfarr und Schul, itsiri des pfarners Weib neben dem lind¬
lein und fünf Manns Personen verbrannt". In demselben Jahre wurden in
Rosenberg am 18. Mai 63 Wohnhäuser, vier Personen und eine Sechswöchnerin
„im Wetter" verbrannt, und am 15. Juni durch ein Gewitter mit Hagelschlng
29 Wohnhäuser zu Rodau eingeäschert, sechs Menschen verbrannt „und das
Getraidich auf zwei Meilen Wegs weggeschlagen". Überhaupt war der Blitz die
Ursache der meisten Brände, 1598 erzählte der Müller Heinrich Brachmüller von
Bollersdorf, daß ihm am 18. April „seine mühte vom Wetter angestochen, sein
Vieh und aller Vorrat verbrannt". Er erhielt trotzdem nnr einen Groschen.
Das Jahr 1600 beginnt mit Nachrichten über Krieg, Feuersnot und
sonstiges Unglück. Außer umfangreichen Bränden in Rudolstadt, Jägersbach,
Schönfeld und Buchwalde erfahren wir die vollkommne Einäscherung des
reichen, gewerbtätigen Kottbus am 8. September. Ans Ungarn aber, woher
große Mengen Vertriebner Pfarrer und Schulbedienten kamen, erzählte ein
armer Schulmeister von Zips, daß dort „der Türk die ganze Stadt verheert".
Zu den Vertriebnen Evangelischen aus den Stiftern Würzburg, Bamberg und
Bremen gesellten sich solche ans Brabant und Niederland, ans Rußland, Liv-
land und Polen. Ausführlicheres vom Türkenkriege konnte ein alter Kriegs¬
mann namens Hans Otte erzählen, „welcher Fürst Bernhards hochlöbl. Ge¬
dächtniß Diener gewesen, da sie vor Erla sind geschlagen". Bernhard der
Achte, ein Bruder des berühmten anhaltischen Kriegsführers Christian des
Ersten, führte 1595 dem Reichsheer tausend Reiter zu, die der Obersächsische
Kreis als Tnrkenhilfe bewilligt hatte. In der unglücklichen Schlacht bei
Erlau soll Bernhard Wunder an Tapferkeit verrichtet haben, er starb aber
schon auf dein Rückzüge der kaiserlichen Armee am 24. November 1596 im
Alter von 25 Jahren.
Ans den nächsten Jahren ist außer vielen Bränden und zahlreichen Lands¬
knechten, entlassenen Kriegsgefangnen aus Ungarn und der Türkei nichts be¬
sondres zu erwähnen. In Weißbach sind gegen hundert Erben abgebrannt,
in Elgerode 89, in Hasenfnrth 145 und in Henninger in der Grafschaft
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |