Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Zertrümmerung der Bauerngüter Explosionsartige Wirkungen sind oft genug dagewesen. Man kann sein Urteil Die Zertrümmerung der Bauerngüter > le Abgeordneten Engelbrecht und Dr. Hahn haben folgenden Antrag Dieser Antrag, in einem jammervollen Deutsch abgefaßt, behandelt Die Zertrümmerung der Bauerngüter Explosionsartige Wirkungen sind oft genug dagewesen. Man kann sein Urteil Die Zertrümmerung der Bauerngüter > le Abgeordneten Engelbrecht und Dr. Hahn haben folgenden Antrag Dieser Antrag, in einem jammervollen Deutsch abgefaßt, behandelt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302492"/> <fw type="header" place="top"> Die Zertrümmerung der Bauerngüter</fw><lb/> <p xml:id="ID_2222" prev="#ID_2221"> Explosionsartige Wirkungen sind oft genug dagewesen. Man kann sein Urteil<lb/> dahin zusammenfassen, daß allem Anschein nach noch kein Grund vorliegt, ernste<lb/> Ereignisse zu befürchten, daß aber im allgemeinen die Atmosphäre recht ge¬<lb/> witterschwül ist, und daß man auf ein langsames aber stetiges Anschwellen<lb/> der Unabhängigkeitsbewegung gefaßt sein muß.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Zertrümmerung der Bauerngüter</head><lb/> <p xml:id="ID_2223"> > le Abgeordneten Engelbrecht und Dr. Hahn haben folgenden Antrag<lb/> eingebracht: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die<lb/> Königliche Staatsregierung zu ersuchen, in Erwägung, daß bei<lb/> der ungünstigen Vermögenslage der überwiegenden Mehrheit der<lb/> ! größern ländlichen Grundbesitzer das städtische Großkapital in<lb/> vielen Teilen der Monarchie in wachsendem Umfange Rittergüter erwirbt und<lb/> diese durch Hinzukauf benachbarten bäuerlichen Grundbesitzes vergrößert, daß<lb/> es daneben im Westen der Monarchie kleinbäuerlichen Grundbesitz in großer<lb/> Ausdehnung zusammenläuft und den zerstreuten Besitz stellenweise bereits in<lb/> geschlossenen Grundbesitz zusammenfaßt, in fernerer Erwägung, daß hierdurch<lb/> das Bestreben der Königlichen Staatsregierung, unter Aufwendung sehr be¬<lb/> deutender Staatsmittel die Zunahme des klein- und mittelbäuerlichen Besitzes<lb/> (innere Kolonisation) zu fördern, in seinem Erfolg in Frage gestellt wird, und<lb/> daß die Aufsaugung des bäuerlichen Grundbesitzes durch das Großkapital dem<lb/> Staatsinteresse zuwiderläuft, gesetzliche Bestimmungen herbeizuführen, daß in den¬<lb/> jenigen Landesteilen, die der Gefahr der Aufsaugung des bäuerlichen Besitzes<lb/> dnrch das Großkapital ausgesetzt sind, der Erwerb bäuerlicher Besitzungen oder<lb/> von Teilen solcher durch Großgrundbesitzer von einer Erklärung des Bezirks¬<lb/> ausschusses abhängig gemacht wird, daß der Erwerb im Interesse der Erhaltung<lb/> des Bauernstandes unschädlich sei."</p><lb/> <p xml:id="ID_2224" next="#ID_2225"> Dieser Antrag, in einem jammervollen Deutsch abgefaßt, behandelt<lb/> wieder einmal die Zerschlagung der Bauerngüter und schlägt zur Verhütung<lb/> dieses Schadens ein Mittel vor, von dem bisher wohl noch niemals ernstlich<lb/> die Rede gewesen ist, und das deshalb näher betrachtet zu werden verdient.<lb/> Es ist bekannt, daß die Zertrümmerung der kleinern Besitzungen von zwei<lb/> Seiten ausgeht: von den sogenannten Güterschlächtern und vom Großgrund¬<lb/> besitz. Die ersten treiben ihr Unwesen hauptsächlich in den Dörfern mit rein<lb/> bäuerlicher Bevölkerung, wo keine größern Güter in der Nähe sind, und wo<lb/> sie auf die bäuerlichen Einzelkäufer selbst rechnen. Wo der Verkauf eines<lb/> Bauernguts in Aussicht steht, fragen die Unterhändler der Ausschlächter unter<lb/> der Hand bei den Bauern an, wer kaufen will, stellen probeweise ohne Ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
Die Zertrümmerung der Bauerngüter
Explosionsartige Wirkungen sind oft genug dagewesen. Man kann sein Urteil
dahin zusammenfassen, daß allem Anschein nach noch kein Grund vorliegt, ernste
Ereignisse zu befürchten, daß aber im allgemeinen die Atmosphäre recht ge¬
witterschwül ist, und daß man auf ein langsames aber stetiges Anschwellen
der Unabhängigkeitsbewegung gefaßt sein muß.
Die Zertrümmerung der Bauerngüter
> le Abgeordneten Engelbrecht und Dr. Hahn haben folgenden Antrag
eingebracht: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die
Königliche Staatsregierung zu ersuchen, in Erwägung, daß bei
der ungünstigen Vermögenslage der überwiegenden Mehrheit der
! größern ländlichen Grundbesitzer das städtische Großkapital in
vielen Teilen der Monarchie in wachsendem Umfange Rittergüter erwirbt und
diese durch Hinzukauf benachbarten bäuerlichen Grundbesitzes vergrößert, daß
es daneben im Westen der Monarchie kleinbäuerlichen Grundbesitz in großer
Ausdehnung zusammenläuft und den zerstreuten Besitz stellenweise bereits in
geschlossenen Grundbesitz zusammenfaßt, in fernerer Erwägung, daß hierdurch
das Bestreben der Königlichen Staatsregierung, unter Aufwendung sehr be¬
deutender Staatsmittel die Zunahme des klein- und mittelbäuerlichen Besitzes
(innere Kolonisation) zu fördern, in seinem Erfolg in Frage gestellt wird, und
daß die Aufsaugung des bäuerlichen Grundbesitzes durch das Großkapital dem
Staatsinteresse zuwiderläuft, gesetzliche Bestimmungen herbeizuführen, daß in den¬
jenigen Landesteilen, die der Gefahr der Aufsaugung des bäuerlichen Besitzes
dnrch das Großkapital ausgesetzt sind, der Erwerb bäuerlicher Besitzungen oder
von Teilen solcher durch Großgrundbesitzer von einer Erklärung des Bezirks¬
ausschusses abhängig gemacht wird, daß der Erwerb im Interesse der Erhaltung
des Bauernstandes unschädlich sei."
Dieser Antrag, in einem jammervollen Deutsch abgefaßt, behandelt
wieder einmal die Zerschlagung der Bauerngüter und schlägt zur Verhütung
dieses Schadens ein Mittel vor, von dem bisher wohl noch niemals ernstlich
die Rede gewesen ist, und das deshalb näher betrachtet zu werden verdient.
Es ist bekannt, daß die Zertrümmerung der kleinern Besitzungen von zwei
Seiten ausgeht: von den sogenannten Güterschlächtern und vom Großgrund¬
besitz. Die ersten treiben ihr Unwesen hauptsächlich in den Dörfern mit rein
bäuerlicher Bevölkerung, wo keine größern Güter in der Nähe sind, und wo
sie auf die bäuerlichen Einzelkäufer selbst rechnen. Wo der Verkauf eines
Bauernguts in Aussicht steht, fragen die Unterhändler der Ausschlächter unter
der Hand bei den Bauern an, wer kaufen will, stellen probeweise ohne Ver-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |