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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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für die >Gesamtwirkung wie ein goldverzierter Gürtel an den untern Rand der
Kuppeln angepaßt. Über Nischen und Türen sind Halbkuppeln mit Stalaktiten¬
formen in verschiedner Färbung eingewölbt. Die Türen sind vielfach Werkstücke
^on hoch künstlerischer Schnitzarbeit aus massivem Nußbaum mit Kupferbeschlägen
l" antiken Mustern; aus gleichem Holz gedrechselte Fenstergitter heben sich effekt¬
voll gegen die glänzende Wandverkleidung ab.

Von den Moscheen ist die letzte rechts von größerer Bedeutung. Sie be¬
herbergt auf mächtigem Raal, einem Marmortisch in Gestalt eines Halbauf--
geschlagner Buches, einen entsprechend großen, auf altem Pergament geschriebnen
Koran. Das Original haben die Russen nach der Eroberung für 100 Rubel
den Mullahs abgekauft und nach Petersburg gebracht. Die auch in dieser zu
^dren eines Vetters Timurs erbauten Moschee nicht fehlenden bunten Lappen
enden an, daß die Unfruchtbarkeit der Frauen ein weitverbreitetes und sehr be¬
sagtes Übel ist. Ob die in die bunten Lappen geknoteten Versprechungen oder
gar das drastische Mittel, unter dem Raal im Hos der Bibi-Champa durch-
Mriechen, etwas helfen, habe ich leider nicht ermitteln können.

Von dem Korridor von Schach - Sindah hat man schöne Blicke auf die
Wirten, auf die alte Grüberstadt Asfrossicib, das Marakanda Alexanders des
^oßen, aber auch nach der andern Seite auf Bibi-Champa und die großen
Medresen am Registan.

Wir haben den Registan bisher nur flüchtig berührt. Nachdem wir dem
^traßentreiben einige Aufmerksamkeit geschenkt haben, lenken wir die Schritte
nach diesem Platz, dem Herzen Ssamarkands. Drei Medresen umrahmen
Es sind die lange, etwas einförmige Tilla-Karl in der Mitte und die
^ug-beg und schir-dor mit den Riesenpischtciks auf der Registanseite und den
Minarets in den Ecken. In der Mitte des Platzes erhebt sich der von den
nomadisierenden Eingebornen verehrte Gebetsstein irgendeines verstorbnen Heiligen,
^sha Fürsprache erkrankte Pferde gesund macht. Der Platz selber hatte seine
politische Bedeutung. Strafen und Gnadenerweisungen des jeweiligen Herrschers
wurden hier zur Kenntnis gebracht, Hinrichtungen fanden statt. Wereschtschagins
gwusiges Bild mit den auf hohen Stangen gespießten Köpfen der Ungläubigen
^'ge die Ulug-beg-Medrese als Hintergrund. Krieg und Frieden wurden auf
°em Registan verkündet, Siege und Niederlagen bekannt gegeben und lärmende
Feiern veranstaltet. Auch jetzt noch sammelt sich das neugierige Sartenvolk um
"tuer, die sich berufen fühlen, zu politisieren und Tatarennachrichten aus den
fernsten Teilen Asiens zu verbreiten. Märchenerzähler und Lehrer finden auf
°w breiten Stufen der Medresen immer ein dankbares Publikum. Wir hatten
vom Gouverneur liebenswürdigerweise als Führer einen ehemaligen mohamme¬
danischen Lehrer und nunmehrigen Gouvernementsschreiber, einen sehr ordent-
"chen jungen Mann in reinlicher Uniform erhalten und mit ihm Sscimarkand
gründlich durchstreift. Als wir auf dem Registan herumschlenderten, erspähte
""s ein Bekannter von ihm, ein Student, und lud uns ein in seine Klause.


für die >Gesamtwirkung wie ein goldverzierter Gürtel an den untern Rand der
Kuppeln angepaßt. Über Nischen und Türen sind Halbkuppeln mit Stalaktiten¬
formen in verschiedner Färbung eingewölbt. Die Türen sind vielfach Werkstücke
^on hoch künstlerischer Schnitzarbeit aus massivem Nußbaum mit Kupferbeschlägen
l» antiken Mustern; aus gleichem Holz gedrechselte Fenstergitter heben sich effekt¬
voll gegen die glänzende Wandverkleidung ab.

Von den Moscheen ist die letzte rechts von größerer Bedeutung. Sie be¬
herbergt auf mächtigem Raal, einem Marmortisch in Gestalt eines Halbauf--
geschlagner Buches, einen entsprechend großen, auf altem Pergament geschriebnen
Koran. Das Original haben die Russen nach der Eroberung für 100 Rubel
den Mullahs abgekauft und nach Petersburg gebracht. Die auch in dieser zu
^dren eines Vetters Timurs erbauten Moschee nicht fehlenden bunten Lappen
enden an, daß die Unfruchtbarkeit der Frauen ein weitverbreitetes und sehr be¬
sagtes Übel ist. Ob die in die bunten Lappen geknoteten Versprechungen oder
gar das drastische Mittel, unter dem Raal im Hos der Bibi-Champa durch-
Mriechen, etwas helfen, habe ich leider nicht ermitteln können.

Von dem Korridor von Schach - Sindah hat man schöne Blicke auf die
Wirten, auf die alte Grüberstadt Asfrossicib, das Marakanda Alexanders des
^oßen, aber auch nach der andern Seite auf Bibi-Champa und die großen
Medresen am Registan.

Wir haben den Registan bisher nur flüchtig berührt. Nachdem wir dem
^traßentreiben einige Aufmerksamkeit geschenkt haben, lenken wir die Schritte
nach diesem Platz, dem Herzen Ssamarkands. Drei Medresen umrahmen
Es sind die lange, etwas einförmige Tilla-Karl in der Mitte und die
^ug-beg und schir-dor mit den Riesenpischtciks auf der Registanseite und den
Minarets in den Ecken. In der Mitte des Platzes erhebt sich der von den
nomadisierenden Eingebornen verehrte Gebetsstein irgendeines verstorbnen Heiligen,
^sha Fürsprache erkrankte Pferde gesund macht. Der Platz selber hatte seine
politische Bedeutung. Strafen und Gnadenerweisungen des jeweiligen Herrschers
wurden hier zur Kenntnis gebracht, Hinrichtungen fanden statt. Wereschtschagins
gwusiges Bild mit den auf hohen Stangen gespießten Köpfen der Ungläubigen
^'ge die Ulug-beg-Medrese als Hintergrund. Krieg und Frieden wurden auf
°em Registan verkündet, Siege und Niederlagen bekannt gegeben und lärmende
Feiern veranstaltet. Auch jetzt noch sammelt sich das neugierige Sartenvolk um
"tuer, die sich berufen fühlen, zu politisieren und Tatarennachrichten aus den
fernsten Teilen Asiens zu verbreiten. Märchenerzähler und Lehrer finden auf
°w breiten Stufen der Medresen immer ein dankbares Publikum. Wir hatten
vom Gouverneur liebenswürdigerweise als Führer einen ehemaligen mohamme¬
danischen Lehrer und nunmehrigen Gouvernementsschreiber, einen sehr ordent-
"chen jungen Mann in reinlicher Uniform erhalten und mit ihm Sscimarkand
gründlich durchstreift. Als wir auf dem Registan herumschlenderten, erspähte
""s ein Bekannter von ihm, ein Student, und lud uns ein in seine Klause.


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[0473] für die >Gesamtwirkung wie ein goldverzierter Gürtel an den untern Rand der Kuppeln angepaßt. Über Nischen und Türen sind Halbkuppeln mit Stalaktiten¬ formen in verschiedner Färbung eingewölbt. Die Türen sind vielfach Werkstücke ^on hoch künstlerischer Schnitzarbeit aus massivem Nußbaum mit Kupferbeschlägen l» antiken Mustern; aus gleichem Holz gedrechselte Fenstergitter heben sich effekt¬ voll gegen die glänzende Wandverkleidung ab. Von den Moscheen ist die letzte rechts von größerer Bedeutung. Sie be¬ herbergt auf mächtigem Raal, einem Marmortisch in Gestalt eines Halbauf-- geschlagner Buches, einen entsprechend großen, auf altem Pergament geschriebnen Koran. Das Original haben die Russen nach der Eroberung für 100 Rubel den Mullahs abgekauft und nach Petersburg gebracht. Die auch in dieser zu ^dren eines Vetters Timurs erbauten Moschee nicht fehlenden bunten Lappen enden an, daß die Unfruchtbarkeit der Frauen ein weitverbreitetes und sehr be¬ sagtes Übel ist. Ob die in die bunten Lappen geknoteten Versprechungen oder gar das drastische Mittel, unter dem Raal im Hos der Bibi-Champa durch- Mriechen, etwas helfen, habe ich leider nicht ermitteln können. Von dem Korridor von Schach - Sindah hat man schöne Blicke auf die Wirten, auf die alte Grüberstadt Asfrossicib, das Marakanda Alexanders des ^oßen, aber auch nach der andern Seite auf Bibi-Champa und die großen Medresen am Registan. Wir haben den Registan bisher nur flüchtig berührt. Nachdem wir dem ^traßentreiben einige Aufmerksamkeit geschenkt haben, lenken wir die Schritte nach diesem Platz, dem Herzen Ssamarkands. Drei Medresen umrahmen Es sind die lange, etwas einförmige Tilla-Karl in der Mitte und die ^ug-beg und schir-dor mit den Riesenpischtciks auf der Registanseite und den Minarets in den Ecken. In der Mitte des Platzes erhebt sich der von den nomadisierenden Eingebornen verehrte Gebetsstein irgendeines verstorbnen Heiligen, ^sha Fürsprache erkrankte Pferde gesund macht. Der Platz selber hatte seine politische Bedeutung. Strafen und Gnadenerweisungen des jeweiligen Herrschers wurden hier zur Kenntnis gebracht, Hinrichtungen fanden statt. Wereschtschagins gwusiges Bild mit den auf hohen Stangen gespießten Köpfen der Ungläubigen ^'ge die Ulug-beg-Medrese als Hintergrund. Krieg und Frieden wurden auf °em Registan verkündet, Siege und Niederlagen bekannt gegeben und lärmende Feiern veranstaltet. Auch jetzt noch sammelt sich das neugierige Sartenvolk um "tuer, die sich berufen fühlen, zu politisieren und Tatarennachrichten aus den fernsten Teilen Asiens zu verbreiten. Märchenerzähler und Lehrer finden auf °w breiten Stufen der Medresen immer ein dankbares Publikum. Wir hatten vom Gouverneur liebenswürdigerweise als Führer einen ehemaligen mohamme¬ danischen Lehrer und nunmehrigen Gouvernementsschreiber, einen sehr ordent- "chen jungen Mann in reinlicher Uniform erhalten und mit ihm Sscimarkand gründlich durchstreift. Als wir auf dem Registan herumschlenderten, erspähte ""s ein Bekannter von ihm, ein Student, und lud uns ein in seine Klause.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/473>, abgerufen am 06.02.2025.