Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Der kleine Napoleon hoben ihre Kleider hoch, um sie beim Sitzen nicht zu zerdrücken, und zogen ihre Sie fuhren zu den vornehmen Verwandten, den Harsfelds auf Harsfelde, wo Weil Gundermanns fühlten, daß sie ein wenig abstachen, war die Rock¬ Er war ein großer, starker, jovialer Herr mit dickem braunem Haar. In Das Ziel der Fahrt war erreicht. Gundermanns wurden empfangen und Und dann kam das Abendessen, wo man die Zwillinge an den Kinder¬ Trotz des neuen Rocks wurden Gundermanns also doch ein wenig zurückgesetzt, Die Tante stand freilich auf feiten der Gastgeber. Gundermanns waren verbauert und paßten nicht hierher. Der Student machte Die Tante fing an, Gundermanns zu hassen. Sie hatte nur Augen für die Alle Tage war hier irgend etwas los. Man lebte heiter und gesellig und Es gelang ihr endlich, die Hausfrau auf fünf Minuten in der Fensternische Sie wolle unter allen Umständen von Gundermanns fort, sagte sie. Ob man Die Hausfrau antwortete: Ja ja . . . aber ob sie denn nicht lieber. . . Nein, sie bleibe nicht länger. Etwa ein Zerwürfnis. . .? Ach nein -- aber sie halte die schlechten Manieren nicht mehr aus. Die Hausfrau lächelte und sagte heiter, denn die Tante hatte schon seit einiger Und dann kam die Heimfahrt neben Frau Gundermann im Wagen, die tapfer Ja, das war fürchterlich und bedauernswürdig mit dieser grauenhaften, trocknen Die Gewitter zogen herauf und zogen wieder fort, ohne sich zu entladen und Der kleine Napoleon hoben ihre Kleider hoch, um sie beim Sitzen nicht zu zerdrücken, und zogen ihre Sie fuhren zu den vornehmen Verwandten, den Harsfelds auf Harsfelde, wo Weil Gundermanns fühlten, daß sie ein wenig abstachen, war die Rock¬ Er war ein großer, starker, jovialer Herr mit dickem braunem Haar. In Das Ziel der Fahrt war erreicht. Gundermanns wurden empfangen und Und dann kam das Abendessen, wo man die Zwillinge an den Kinder¬ Trotz des neuen Rocks wurden Gundermanns also doch ein wenig zurückgesetzt, Die Tante stand freilich auf feiten der Gastgeber. Gundermanns waren verbauert und paßten nicht hierher. Der Student machte Die Tante fing an, Gundermanns zu hassen. Sie hatte nur Augen für die Alle Tage war hier irgend etwas los. Man lebte heiter und gesellig und Es gelang ihr endlich, die Hausfrau auf fünf Minuten in der Fensternische Sie wolle unter allen Umständen von Gundermanns fort, sagte sie. Ob man Die Hausfrau antwortete: Ja ja . . . aber ob sie denn nicht lieber. . . Nein, sie bleibe nicht länger. Etwa ein Zerwürfnis. . .? Ach nein — aber sie halte die schlechten Manieren nicht mehr aus. Die Hausfrau lächelte und sagte heiter, denn die Tante hatte schon seit einiger Und dann kam die Heimfahrt neben Frau Gundermann im Wagen, die tapfer Ja, das war fürchterlich und bedauernswürdig mit dieser grauenhaften, trocknen Die Gewitter zogen herauf und zogen wieder fort, ohne sich zu entladen und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0047" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302035"/> <fw type="header" place="top"> Der kleine Napoleon</fw><lb/> <p xml:id="ID_134" prev="#ID_133"> hoben ihre Kleider hoch, um sie beim Sitzen nicht zu zerdrücken, und zogen ihre<lb/> weißen durchbrochnen Baumwollhandschuhe an.</p><lb/> <p xml:id="ID_135"> Sie fuhren zu den vornehmen Verwandten, den Harsfelds auf Harsfelde, wo<lb/> es immer hoch und pomphaft herging. Heute geschah die Fahrt zu feierlicher Ver¬<lb/> anlassung, denn der Onkel hatte Geburtstag.</p><lb/> <p xml:id="ID_136"> Weil Gundermanns fühlten, daß sie ein wenig abstachen, war die Rock¬<lb/> anschaffung für den Hausherrn geschehen. Sie wollten keine Veranlassung zu<lb/> Zurücksetzungen geben. Und nun sah Herr Gundermann auch wirklich fein und<lb/> stattlich aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_137"> Er war ein großer, starker, jovialer Herr mit dickem braunem Haar. In<lb/> seiner Jugend war er der schöne Otto genannt worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_138"> Das Ziel der Fahrt war erreicht. Gundermanns wurden empfangen und<lb/> recht und schlecht untergebracht.</p><lb/> <p xml:id="ID_139"> Und dann kam das Abendessen, wo man die Zwillinge an den Kinder¬<lb/> tisch setzte.</p><lb/> <p xml:id="ID_140"> Trotz des neuen Rocks wurden Gundermanns also doch ein wenig zurückgesetzt,<lb/> und leider nicht nur durch die Zwillinge, sondern auch durch den Platz, den die liebe<lb/> strahlende Frau Gundermann inne hatte, sehr weit unten an der Tafel.</p><lb/> <p xml:id="ID_141"> Die Tante stand freilich auf feiten der Gastgeber.</p><lb/> <p xml:id="ID_142"> Gundermanns waren verbauert und paßten nicht hierher. Der Student machte<lb/> sich mit seiner Rockklappe lächerlich, die er heranholte, sowie ihn einer ansah oder<lb/> anredete, und die Zwillinge sprachen und lachten zu laut, und ihre Nägel waren<lb/> zu kurz abgeschnitten. Sie stierten und lachten und sahen wie die Dummchen aus<lb/> und hüpften und bewegten sich wie die Böckchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_143"> Die Tante fing an, Gundermanns zu hassen. Sie hatte nur Augen für die<lb/> Töchter des Hauses, die ihr wie feine veredelte Bilder erschienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_144"> Alle Tage war hier irgend etwas los. Man lebte heiter und gesellig und<lb/> kannte nicht den Kampf, den widerwärtigen, ekelhaften Kampf mit der Sparbüchse.</p><lb/> <p xml:id="ID_145"> Es gelang ihr endlich, die Hausfrau auf fünf Minuten in der Fensternische<lb/> festzumachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_146"> Sie wolle unter allen Umständen von Gundermanns fort, sagte sie. Ob man<lb/> sie als Pensionärin aufnehmen würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_147"> Die Hausfrau antwortete: Ja ja . . . aber ob sie denn nicht lieber. . .</p><lb/> <p xml:id="ID_148"> Nein, sie bleibe nicht länger.</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> Etwa ein Zerwürfnis. . .?</p><lb/> <p xml:id="ID_150"> Ach nein — aber sie halte die schlechten Manieren nicht mehr aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_151"> Die Hausfrau lächelte und sagte heiter, denn die Tante hatte schon seit einiger<lb/> Zeit Andeutungen gemacht: Die Tante könne es ja noch überlegen ... Sie müßten<lb/> sich doch auch vorher verständigen ... Sie wolle ihr Nachricht zukommen lassen . . .<lb/> Vielleicht käme Melly einmal hinüber ... Sie müsse jetzt aber nun zu ihren Gästen,<lb/> die Tante möge entschuldigen. . . .</p><lb/> <p xml:id="ID_152"> Und dann kam die Heimfahrt neben Frau Gundermann im Wagen, die tapfer<lb/> ihre Mißstimmung beherrschte und mit ihrem Mann plauderte, der sich herumgesetzt<lb/> hatte. Sie verhandelten darüber, wie gut sich das Getreide halte. Aber nun müsse<lb/> endlich Regen kommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_153"> Ja, das war fürchterlich und bedauernswürdig mit dieser grauenhaften, trocknen<lb/> Sommerhitze, die alles versengte. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet. Mit<lb/> jedem Atemzug, den man tat, sog man die Lunge voll Staub.</p><lb/> <p xml:id="ID_154" next="#ID_155"> Die Gewitter zogen herauf und zogen wieder fort, ohne sich zu entladen und<lb/> dem schmachtenden Erdboden die Wohltat eines milden Regens zuteil werden zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
Der kleine Napoleon
hoben ihre Kleider hoch, um sie beim Sitzen nicht zu zerdrücken, und zogen ihre
weißen durchbrochnen Baumwollhandschuhe an.
Sie fuhren zu den vornehmen Verwandten, den Harsfelds auf Harsfelde, wo
es immer hoch und pomphaft herging. Heute geschah die Fahrt zu feierlicher Ver¬
anlassung, denn der Onkel hatte Geburtstag.
Weil Gundermanns fühlten, daß sie ein wenig abstachen, war die Rock¬
anschaffung für den Hausherrn geschehen. Sie wollten keine Veranlassung zu
Zurücksetzungen geben. Und nun sah Herr Gundermann auch wirklich fein und
stattlich aus.
Er war ein großer, starker, jovialer Herr mit dickem braunem Haar. In
seiner Jugend war er der schöne Otto genannt worden.
Das Ziel der Fahrt war erreicht. Gundermanns wurden empfangen und
recht und schlecht untergebracht.
Und dann kam das Abendessen, wo man die Zwillinge an den Kinder¬
tisch setzte.
Trotz des neuen Rocks wurden Gundermanns also doch ein wenig zurückgesetzt,
und leider nicht nur durch die Zwillinge, sondern auch durch den Platz, den die liebe
strahlende Frau Gundermann inne hatte, sehr weit unten an der Tafel.
Die Tante stand freilich auf feiten der Gastgeber.
Gundermanns waren verbauert und paßten nicht hierher. Der Student machte
sich mit seiner Rockklappe lächerlich, die er heranholte, sowie ihn einer ansah oder
anredete, und die Zwillinge sprachen und lachten zu laut, und ihre Nägel waren
zu kurz abgeschnitten. Sie stierten und lachten und sahen wie die Dummchen aus
und hüpften und bewegten sich wie die Böckchen.
Die Tante fing an, Gundermanns zu hassen. Sie hatte nur Augen für die
Töchter des Hauses, die ihr wie feine veredelte Bilder erschienen.
Alle Tage war hier irgend etwas los. Man lebte heiter und gesellig und
kannte nicht den Kampf, den widerwärtigen, ekelhaften Kampf mit der Sparbüchse.
Es gelang ihr endlich, die Hausfrau auf fünf Minuten in der Fensternische
festzumachen.
Sie wolle unter allen Umständen von Gundermanns fort, sagte sie. Ob man
sie als Pensionärin aufnehmen würde.
Die Hausfrau antwortete: Ja ja . . . aber ob sie denn nicht lieber. . .
Nein, sie bleibe nicht länger.
Etwa ein Zerwürfnis. . .?
Ach nein — aber sie halte die schlechten Manieren nicht mehr aus.
Die Hausfrau lächelte und sagte heiter, denn die Tante hatte schon seit einiger
Zeit Andeutungen gemacht: Die Tante könne es ja noch überlegen ... Sie müßten
sich doch auch vorher verständigen ... Sie wolle ihr Nachricht zukommen lassen . . .
Vielleicht käme Melly einmal hinüber ... Sie müsse jetzt aber nun zu ihren Gästen,
die Tante möge entschuldigen. . . .
Und dann kam die Heimfahrt neben Frau Gundermann im Wagen, die tapfer
ihre Mißstimmung beherrschte und mit ihrem Mann plauderte, der sich herumgesetzt
hatte. Sie verhandelten darüber, wie gut sich das Getreide halte. Aber nun müsse
endlich Regen kommen.
Ja, das war fürchterlich und bedauernswürdig mit dieser grauenhaften, trocknen
Sommerhitze, die alles versengte. Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet. Mit
jedem Atemzug, den man tat, sog man die Lunge voll Staub.
Die Gewitter zogen herauf und zogen wieder fort, ohne sich zu entladen und
dem schmachtenden Erdboden die Wohltat eines milden Regens zuteil werden zu
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |