Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Dividendensysteme der Lebensversicherungsanstalten Das, was sie in den ersten zehn bis fünfzehn Jahren an Überschuß liefern, ist Daß sich diese Art der Dividendeuverteiluug vor allen Dingen mit dem Der Laie hat in keinem Fälle ein Kriterium dafür, ob eine Versicheruugs- Die Dividendensysteme der Lebensversicherungsanstalten Das, was sie in den ersten zehn bis fünfzehn Jahren an Überschuß liefern, ist Daß sich diese Art der Dividendeuverteiluug vor allen Dingen mit dem Der Laie hat in keinem Fälle ein Kriterium dafür, ob eine Versicheruugs- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0462" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302450"/> <fw type="header" place="top"> Die Dividendensysteme der Lebensversicherungsanstalten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1946" prev="#ID_1945"> Das, was sie in den ersten zehn bis fünfzehn Jahren an Überschuß liefern, ist<lb/> also zum Teil bedeutend mehr als 4^ Prozent. Wenn nun diese überschüssigen<lb/> Mittel — die von Rechts wegen zur Verteilung für später in der Dividenden¬<lb/> reserve aufbewahrt werden sollten — zur Befriedigung der angewachsnen Dividenden¬<lb/> ansprüche der alten Versicherten aufgebraucht werden, so läßt sich dieses Verfahren<lb/> ganz gut so lange fortsetzen, wie immer wieder neue Versicherte beitreten, denen<lb/> man die Überschüsse zugunsten der alten Versicherten abnehmen kann. Wer darauf<lb/> rechnet, selbst auf seine Kosten zu kommen, muß seine Hoffnung darauf setzen,<lb/> daß sich immer wieder viele neue Mitglieder finden werden. Das System ist<lb/> also ein Gesellschaftsspiel s. is. „schwarzer Peter" — den letzten, der keinen<lb/> zahlungsfreudigen Überschußlieferanten mehr findet, den beißen die Hunde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1947"> Daß sich diese Art der Dividendeuverteiluug vor allen Dingen mit dem<lb/> Prinzip der Gegenseitigkeit nicht verträgt, liegt klar auf der Hand. Bedauerlich<lb/> ist sie aber auch aus dem Grunde, weil die Inaussichtstellung eines einheitlichen<lb/> Divideudensatzes ohne dessen genügende technische Fundierung eine Irreführung<lb/> des Publikums involviert, die auch im Interesse der loyalen Konkurrenz auf<lb/> dem Gebiet des Versicherungswesens scharf zu tadeln ist. Es sind schon von<lb/> mehreren Seiten Versuche unternommen worden, die Aufsichtsbehörde zum Ein¬<lb/> schreiten in ähnlich liegenden Fällen zu veranlassen — mit welchem Erfolg, läßt<lb/> sich augenblicklich nicht feststellen. Jedenfalls aber ist die Forderung, daß für<lb/> jede Art steigender Dividende eine korrekte Rechnungsgrundlage durch die Auf¬<lb/> sichtsbehörde vorgeschrieben werde, theoretisch und praktisch gerechtfertigt, was man<lb/> von dem Begehren, die Verteilung der Dividende nach Maßgabe der Prämien¬<lb/> reserve obligatorisch zu machen, nach keiner Richtung hin behaupten kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1948"> Der Laie hat in keinem Fälle ein Kriterium dafür, ob eine Versicheruugs-<lb/> anstalt ihren Dividendensatz (es ist hier wie im vorhergehenden von steigenden<lb/> Dividenden aller Art die Rede) technisch korrekt berechnet hat, oder ob der<lb/> gegenwärtig verteilte Satz für den Durchschnitt aller Jahre zu hoch gegriffen<lb/> und einer auf die Dauer unausbleiblichen Reduktion ausgesetzt ist. Das ist ein<lb/> Nachteil, den jedes System steigender Dividenden birgt, sofern der Einheitssatz<lb/> als Durchschnitt der auf die bestehenden Versicherungen treffenden Anteile gerechnet<lb/> wird. Infolge der Tatsache, daß die korrekt rechnenden Gesellschaften, die ihren<lb/> Versicherten keine höhern Dividendensätze in Aussicht stellen, als sie tatsächlich<lb/> halten können, in den Augen des urteilsunfähigen Publikums teurer erscheinen<lb/> als unbekümmerte Konkurrenten, die in der geschilderten Weise eine ihnen nicht<lb/> eigne Leistungsfähigkeit vortäuschen, ist man auf deu naheliegenden Gedanken<lb/> gekommen, das System des Durchschnittssatzes in der steigenden Dividende ganz<lb/> zu verlassen und an seiner Stelle für jede einzelne Versicherung eine versicherungs¬<lb/> technische Berechnung darüber aufzustellen, wie hoch sich speziell für sie eine<lb/> steigende Dividende stellt, wenn man ihre natürliche Beteiligung am Überschuß<lb/> oder auch die auf sie entfallende gleichmäßige Dividende der Rechnung zu¬<lb/> grunde legt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0462]
Die Dividendensysteme der Lebensversicherungsanstalten
Das, was sie in den ersten zehn bis fünfzehn Jahren an Überschuß liefern, ist
also zum Teil bedeutend mehr als 4^ Prozent. Wenn nun diese überschüssigen
Mittel — die von Rechts wegen zur Verteilung für später in der Dividenden¬
reserve aufbewahrt werden sollten — zur Befriedigung der angewachsnen Dividenden¬
ansprüche der alten Versicherten aufgebraucht werden, so läßt sich dieses Verfahren
ganz gut so lange fortsetzen, wie immer wieder neue Versicherte beitreten, denen
man die Überschüsse zugunsten der alten Versicherten abnehmen kann. Wer darauf
rechnet, selbst auf seine Kosten zu kommen, muß seine Hoffnung darauf setzen,
daß sich immer wieder viele neue Mitglieder finden werden. Das System ist
also ein Gesellschaftsspiel s. is. „schwarzer Peter" — den letzten, der keinen
zahlungsfreudigen Überschußlieferanten mehr findet, den beißen die Hunde.
Daß sich diese Art der Dividendeuverteiluug vor allen Dingen mit dem
Prinzip der Gegenseitigkeit nicht verträgt, liegt klar auf der Hand. Bedauerlich
ist sie aber auch aus dem Grunde, weil die Inaussichtstellung eines einheitlichen
Divideudensatzes ohne dessen genügende technische Fundierung eine Irreführung
des Publikums involviert, die auch im Interesse der loyalen Konkurrenz auf
dem Gebiet des Versicherungswesens scharf zu tadeln ist. Es sind schon von
mehreren Seiten Versuche unternommen worden, die Aufsichtsbehörde zum Ein¬
schreiten in ähnlich liegenden Fällen zu veranlassen — mit welchem Erfolg, läßt
sich augenblicklich nicht feststellen. Jedenfalls aber ist die Forderung, daß für
jede Art steigender Dividende eine korrekte Rechnungsgrundlage durch die Auf¬
sichtsbehörde vorgeschrieben werde, theoretisch und praktisch gerechtfertigt, was man
von dem Begehren, die Verteilung der Dividende nach Maßgabe der Prämien¬
reserve obligatorisch zu machen, nach keiner Richtung hin behaupten kann.
Der Laie hat in keinem Fälle ein Kriterium dafür, ob eine Versicheruugs-
anstalt ihren Dividendensatz (es ist hier wie im vorhergehenden von steigenden
Dividenden aller Art die Rede) technisch korrekt berechnet hat, oder ob der
gegenwärtig verteilte Satz für den Durchschnitt aller Jahre zu hoch gegriffen
und einer auf die Dauer unausbleiblichen Reduktion ausgesetzt ist. Das ist ein
Nachteil, den jedes System steigender Dividenden birgt, sofern der Einheitssatz
als Durchschnitt der auf die bestehenden Versicherungen treffenden Anteile gerechnet
wird. Infolge der Tatsache, daß die korrekt rechnenden Gesellschaften, die ihren
Versicherten keine höhern Dividendensätze in Aussicht stellen, als sie tatsächlich
halten können, in den Augen des urteilsunfähigen Publikums teurer erscheinen
als unbekümmerte Konkurrenten, die in der geschilderten Weise eine ihnen nicht
eigne Leistungsfähigkeit vortäuschen, ist man auf deu naheliegenden Gedanken
gekommen, das System des Durchschnittssatzes in der steigenden Dividende ganz
zu verlassen und an seiner Stelle für jede einzelne Versicherung eine versicherungs¬
technische Berechnung darüber aufzustellen, wie hoch sich speziell für sie eine
steigende Dividende stellt, wenn man ihre natürliche Beteiligung am Überschuß
oder auch die auf sie entfallende gleichmäßige Dividende der Rechnung zu¬
grunde legt.
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