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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Der norddeutsche Lloyd

deutsche Auswanderung nach Nordamerika, die größtenteils über Bremen ging, be¬
sonders nach 1848/49; zwischen 1830 und 1850 zogen im ganzen 587000 Deutsche
übers Meer.

Je reger diese Verbindung wurde, desto mehr machte sich das Bedürfnis
nach Regelmäßigkeit des Verkehrs geltend, und dieses vermochten Segelschiffe
nur sehr unvollkommen zu befriedigen. Da eröffnete 1838 die englische Cunard-
linie die Dampfschiffahrt zwischen Liverpool und Newyork, und am 1. Sep¬
tember 1844 schloß Preußen für den Zollverein mit Belgien einen Vertrag über
eine Zollvereinsniederlage in Antwerpen für den Fall der Errichtung einer
Dampferlinie von dort nach Newyork. Wichtiger war es, daß es der unermüd¬
lichen Tätigkeit des Senators Arnold Duckwitz (geboren 1802), des Reichs¬
marineministers des Frankfurter Parlaments (1848), und des bremischen
Spezialgesandten in Washington, Karl Theodor Gevekoht (geboren 1798), gelang,
am 15. Juni 1846 in Washington ein Abkommen über die Errichtung einer
Gesellschaft für eine Dmnpferverbindung zwischen Newyork und Bremen zu¬
stande zu bringen, der Oeesu Stkiimsdix Navigation vomviinv, die sowohl von
den Vereinigten Staaten als auch von den zunächst beteiligten deutschen Staaten
Unterstützung (im ganzen 300000 Dollars) erhielt, zunächst zwei in Amerika
erbaute Raddampfer, den Washington und den Hermann, in Fahrt setzte und im
März 1847 auch die Beförderung der amerikanischen Post für ganz Deutschland
übernahm. Sie war die Vorläuferin des Norddeutschen Lloyd.

Inzwischen hatten sich nämlich in Bremen mehrere Gesellschaften für die
Weserschiffahrt zwischen Bremerhaven und dem großen Umschlagplatz Münden
gebildet, obwohl diese Schiffahrt zunächst noch durch Verwahrlosung des Stromes,
Zölle der Uferstaaten und Partikularistische Einrichtungen gehemmt und erschwert
wurde, an deren Beseitigung Duckwitz rührig arbeitete. Diese (vier) Gesellschaften
faßte Hermann Heinrich Meier (geboren 1809). der in Newyork als Chef des
dortigen von seinem Vater und Oheim gegründeten Geschäftshauses (bis 1838)
die Verhältnisse genau kennen gelernt und 1856 die Bremer Bank gegründet hatte,
auf Grund eines Prospekts aus der Feder Eduard Crüsemanns (geboren 1826) im
Januar 1857 zum Norddeutschen Lloyd zusammen, um eine wöchentliche Dampfer-
Verbindung zwischen Bremen, Newyork und England mit Schraubendampfern ins
Leben zu rufen und Seeassekuranzen (daher der Name nach der englischen See¬
versicherungsgesellschaft Lloyds von 1774) zu übernehmen. Am 18. Februar 1857
erlangte der Lloyd die Rechte einer juristischen Person, am 20. Februar konstituierte
er sich als Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 4 Millionen Talern Gold
(ZU 3,30 Mark) auf 40000 Aktien, das fast ganz in Bremen gezeichnet wurde.
Der Vorstand unter dem Direktor, der Aufsichtsrat (zunächst nur Bremer) und
die Generalversammlung der Aktionäre waren die Organe der Gesellschaft. Ihr
erster Direktor wurde Eduard Crüsemann (gestorben 1869). Für den Verkehr
mit Amerika ließ sie zunächst vier, für den englischen drei Dampfer in England
erbauen (deutsche Werften waren dazu damals noch nicht imstande), und am


Der norddeutsche Lloyd

deutsche Auswanderung nach Nordamerika, die größtenteils über Bremen ging, be¬
sonders nach 1848/49; zwischen 1830 und 1850 zogen im ganzen 587000 Deutsche
übers Meer.

Je reger diese Verbindung wurde, desto mehr machte sich das Bedürfnis
nach Regelmäßigkeit des Verkehrs geltend, und dieses vermochten Segelschiffe
nur sehr unvollkommen zu befriedigen. Da eröffnete 1838 die englische Cunard-
linie die Dampfschiffahrt zwischen Liverpool und Newyork, und am 1. Sep¬
tember 1844 schloß Preußen für den Zollverein mit Belgien einen Vertrag über
eine Zollvereinsniederlage in Antwerpen für den Fall der Errichtung einer
Dampferlinie von dort nach Newyork. Wichtiger war es, daß es der unermüd¬
lichen Tätigkeit des Senators Arnold Duckwitz (geboren 1802), des Reichs¬
marineministers des Frankfurter Parlaments (1848), und des bremischen
Spezialgesandten in Washington, Karl Theodor Gevekoht (geboren 1798), gelang,
am 15. Juni 1846 in Washington ein Abkommen über die Errichtung einer
Gesellschaft für eine Dmnpferverbindung zwischen Newyork und Bremen zu¬
stande zu bringen, der Oeesu Stkiimsdix Navigation vomviinv, die sowohl von
den Vereinigten Staaten als auch von den zunächst beteiligten deutschen Staaten
Unterstützung (im ganzen 300000 Dollars) erhielt, zunächst zwei in Amerika
erbaute Raddampfer, den Washington und den Hermann, in Fahrt setzte und im
März 1847 auch die Beförderung der amerikanischen Post für ganz Deutschland
übernahm. Sie war die Vorläuferin des Norddeutschen Lloyd.

Inzwischen hatten sich nämlich in Bremen mehrere Gesellschaften für die
Weserschiffahrt zwischen Bremerhaven und dem großen Umschlagplatz Münden
gebildet, obwohl diese Schiffahrt zunächst noch durch Verwahrlosung des Stromes,
Zölle der Uferstaaten und Partikularistische Einrichtungen gehemmt und erschwert
wurde, an deren Beseitigung Duckwitz rührig arbeitete. Diese (vier) Gesellschaften
faßte Hermann Heinrich Meier (geboren 1809). der in Newyork als Chef des
dortigen von seinem Vater und Oheim gegründeten Geschäftshauses (bis 1838)
die Verhältnisse genau kennen gelernt und 1856 die Bremer Bank gegründet hatte,
auf Grund eines Prospekts aus der Feder Eduard Crüsemanns (geboren 1826) im
Januar 1857 zum Norddeutschen Lloyd zusammen, um eine wöchentliche Dampfer-
Verbindung zwischen Bremen, Newyork und England mit Schraubendampfern ins
Leben zu rufen und Seeassekuranzen (daher der Name nach der englischen See¬
versicherungsgesellschaft Lloyds von 1774) zu übernehmen. Am 18. Februar 1857
erlangte der Lloyd die Rechte einer juristischen Person, am 20. Februar konstituierte
er sich als Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 4 Millionen Talern Gold
(ZU 3,30 Mark) auf 40000 Aktien, das fast ganz in Bremen gezeichnet wurde.
Der Vorstand unter dem Direktor, der Aufsichtsrat (zunächst nur Bremer) und
die Generalversammlung der Aktionäre waren die Organe der Gesellschaft. Ihr
erster Direktor wurde Eduard Crüsemann (gestorben 1869). Für den Verkehr
mit Amerika ließ sie zunächst vier, für den englischen drei Dampfer in England
erbauen (deutsche Werften waren dazu damals noch nicht imstande), und am


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[0409] Der norddeutsche Lloyd deutsche Auswanderung nach Nordamerika, die größtenteils über Bremen ging, be¬ sonders nach 1848/49; zwischen 1830 und 1850 zogen im ganzen 587000 Deutsche übers Meer. Je reger diese Verbindung wurde, desto mehr machte sich das Bedürfnis nach Regelmäßigkeit des Verkehrs geltend, und dieses vermochten Segelschiffe nur sehr unvollkommen zu befriedigen. Da eröffnete 1838 die englische Cunard- linie die Dampfschiffahrt zwischen Liverpool und Newyork, und am 1. Sep¬ tember 1844 schloß Preußen für den Zollverein mit Belgien einen Vertrag über eine Zollvereinsniederlage in Antwerpen für den Fall der Errichtung einer Dampferlinie von dort nach Newyork. Wichtiger war es, daß es der unermüd¬ lichen Tätigkeit des Senators Arnold Duckwitz (geboren 1802), des Reichs¬ marineministers des Frankfurter Parlaments (1848), und des bremischen Spezialgesandten in Washington, Karl Theodor Gevekoht (geboren 1798), gelang, am 15. Juni 1846 in Washington ein Abkommen über die Errichtung einer Gesellschaft für eine Dmnpferverbindung zwischen Newyork und Bremen zu¬ stande zu bringen, der Oeesu Stkiimsdix Navigation vomviinv, die sowohl von den Vereinigten Staaten als auch von den zunächst beteiligten deutschen Staaten Unterstützung (im ganzen 300000 Dollars) erhielt, zunächst zwei in Amerika erbaute Raddampfer, den Washington und den Hermann, in Fahrt setzte und im März 1847 auch die Beförderung der amerikanischen Post für ganz Deutschland übernahm. Sie war die Vorläuferin des Norddeutschen Lloyd. Inzwischen hatten sich nämlich in Bremen mehrere Gesellschaften für die Weserschiffahrt zwischen Bremerhaven und dem großen Umschlagplatz Münden gebildet, obwohl diese Schiffahrt zunächst noch durch Verwahrlosung des Stromes, Zölle der Uferstaaten und Partikularistische Einrichtungen gehemmt und erschwert wurde, an deren Beseitigung Duckwitz rührig arbeitete. Diese (vier) Gesellschaften faßte Hermann Heinrich Meier (geboren 1809). der in Newyork als Chef des dortigen von seinem Vater und Oheim gegründeten Geschäftshauses (bis 1838) die Verhältnisse genau kennen gelernt und 1856 die Bremer Bank gegründet hatte, auf Grund eines Prospekts aus der Feder Eduard Crüsemanns (geboren 1826) im Januar 1857 zum Norddeutschen Lloyd zusammen, um eine wöchentliche Dampfer- Verbindung zwischen Bremen, Newyork und England mit Schraubendampfern ins Leben zu rufen und Seeassekuranzen (daher der Name nach der englischen See¬ versicherungsgesellschaft Lloyds von 1774) zu übernehmen. Am 18. Februar 1857 erlangte der Lloyd die Rechte einer juristischen Person, am 20. Februar konstituierte er sich als Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 4 Millionen Talern Gold (ZU 3,30 Mark) auf 40000 Aktien, das fast ganz in Bremen gezeichnet wurde. Der Vorstand unter dem Direktor, der Aufsichtsrat (zunächst nur Bremer) und die Generalversammlung der Aktionäre waren die Organe der Gesellschaft. Ihr erster Direktor wurde Eduard Crüsemann (gestorben 1869). Für den Verkehr mit Amerika ließ sie zunächst vier, für den englischen drei Dampfer in England erbauen (deutsche Werften waren dazu damals noch nicht imstande), und am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/409>, abgerufen am 06.02.2025.