Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Rüstungen in Italien Resume. Das Befestigungssystem an der österreichisch - ungarisch- Auf der österreichischen Seite bezweckt man die Festhaltung Tirols, und Ihrem fortifikatorischer Charakter nach sind die österreichischen Be¬ Aus dieser kurzen Gegenüberstellung geht jedenfalls so viel hervor, daß Es liegt auf der Hand, daß diese mißliche Lage, in die unter Umständen Grenzboten II 1907 44
Die Rüstungen in Italien Resume. Das Befestigungssystem an der österreichisch - ungarisch- Auf der österreichischen Seite bezweckt man die Festhaltung Tirols, und Ihrem fortifikatorischer Charakter nach sind die österreichischen Be¬ Aus dieser kurzen Gegenüberstellung geht jedenfalls so viel hervor, daß Es liegt auf der Hand, daß diese mißliche Lage, in die unter Umständen Grenzboten II 1907 44
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Die Rüstungen in Italien
Resume. Das Befestigungssystem an der österreichisch - ungarisch-
italienischeu Grenze entspricht dem Bestreben Italiens, einerseits Flanke und
Rücken einer in der venezianischen Tiefebene operierenden Armee vor Unter¬
nehmungen aus Tirol und Kärnten zu schützen, andrerseits befestigte Sammel-
nnd Manövrierräume für Angriffe auf Tirol, das seit jeher Gegenstand seiner
nationalen Wünsche war, zu gewinnen.
Auf der österreichischen Seite bezweckt man die Festhaltung Tirols, und
zwar gestützt auf die Befestigungen durch nur geringe mobile Kräfte, sowie
die Sicherung der durch die Nähe der Grenze stark gefährdeten Verbindungen
des Verteidigers von Tirol; durch die Kärntner Sperren soll die Sicherung
eines im Görzschen zu bewirkenden Aufmarsches und die Ermöglichung einer
Offensive ans dem Raume Vliland-Tarvis durch das Fellatal in die Flanke
des italienischen Aufmarsch- und Operationsraumes gewährleistet werden.
Ihrem fortifikatorischer Charakter nach sind die österreichischen Be¬
festigungen moderner und auch einheitlicher organisiert. Die Widerstands¬
dauer der italienischen Sperren wird darum geringer anzuschlagen sein. Die
Fernkampfarmierungen der Befestigungen bestehen gewöhnlich aus vier bis acht
Flachbahnkanonen in Panzerkasematten und aus zwei bis vier Steilfeuer¬
geschützen in Panzerlafetten. Für den Nahkampf werden Schnellfeuerkanonen
in Panzerlafetten oder Maschinengewehre verwandt. Gepanzerte drehbare
Beobachtungsstände, heb- und versenkbare elektrische Vorfeldbeleuchtungsapparate
von zwei bis vier Kilometer Lichtwelle, unterirdische Telegraphenleitungen,
optische und akustische Signalstationen dienen dem Aufklärungs-, Sicherungs¬
und Verbindungsdienst der Befestigungen. Die Stärke der Besatzung hängt
von der Armierung ab; an Infanterie werden höchstens hundert Mann aus
Truppen der 2. und der 3. Linie verwandt. Der Schwerpunkt der Ver¬
teidigung liegt in den mobilen Reserven.
Aus dieser kurzen Gegenüberstellung geht jedenfalls so viel hervor, daß
durch die stark umfassende Form des nordöstlichen Grenzgebiets, Italien gegen¬
über Österreich-Ungarn schon von Haus aus in die Verteidigung gedrängt
wird. Und was diese ungünstige Lage noch erhöht, das ist die Tatsache,
daß infolge der mangelhaften Bahnverbindung nach dem Nordosten der
Monarchie, wovon nachher noch weiter die Rede sein wird, die Mobilmachung
und der Aufmarsch des italienischen Heeres so verlangsamt wird, daß an die
erste Versammlung der Hauptmassen nur hinter dein Livenzaabschnitt, d. h. etwa
vier Tagemarsche von der Grenze entfernt, gedacht werden kann.
Es liegt auf der Hand, daß diese mißliche Lage, in die unter Umständen
die italienische Armee geraten kann, sogar die größten Sanguiniker in Be¬
sorgnis bringen mußte. Sie ist denn auch bei den jüngsten Parlamentsver¬
handlungen wiederholt dadurch zum Ausdruck gekommen, daß das Verlangen
an die Regierung gestellt wurde, daß von dem von der Heeresverwaltung be¬
antragten Extraordinarinm von 200 Millionen, von dem wir vorhin berichtet
Grenzboten II 1907 44
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