Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Ich Habs ja immer gesagt: er kann nicht einmal die Noten lesen. -- Seine ganze Und ein halbes Jahr später zog Amadeus Quietschky wieder von Hof zu An jenem Donnerstag, just um die Stunde, wo Amndeus Quietschkys Stern Der Wirt öffnete das Fenster, um besser sehen zu können. Da vernahm er, Allah sei gedankt! Ich sehe das goldne Bild eines Vogels mit langem Halse, An der hintern Schmalwnnd des Wagens tat sich der Vorhang auseinander, ein Es stimmt, Hassan, das ist die Karawanserai zum Goldenen Kranich. Hilf Der Neger überließ die beiden Ochsen sich selbst, schlug den Vorhang zurück Ich Habs ja immer gesagt: er kann nicht einmal die Noten lesen. — Seine ganze Und ein halbes Jahr später zog Amadeus Quietschky wieder von Hof zu An jenem Donnerstag, just um die Stunde, wo Amndeus Quietschkys Stern Der Wirt öffnete das Fenster, um besser sehen zu können. Da vernahm er, Allah sei gedankt! Ich sehe das goldne Bild eines Vogels mit langem Halse, An der hintern Schmalwnnd des Wagens tat sich der Vorhang auseinander, ein Es stimmt, Hassan, das ist die Karawanserai zum Goldenen Kranich. Hilf Der Neger überließ die beiden Ochsen sich selbst, schlug den Vorhang zurück <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0266" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302254"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1152" prev="#ID_1151"> Ich Habs ja immer gesagt: er kann nicht einmal die Noten lesen. — Seine ganze<lb/> Kunst war weiter nichts als Dressur, erklärte ein andrer, die drei Stücke, die er<lb/> immer spielte, hatte er sich mit Ach und Krach eingedrillt. Jedenfalls spielte er<lb/> besser Pharao als Geige. Und das junge Madchen, das einst von dem göttlichen<lb/> Maestro zu träumen pflegte, inzwischen aber gesetzter geworden war und von ihrem<lb/> Mops mehr hielt als von allen Virtuosen der Welt, sagte zu ihrer Freundin: Du,<lb/> Dora, weißt du auch, woher er die schönen weißen Hände hatte? Der eitle<lb/> Mensch band sich des Nachts Kalbfleisch darauf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1153"> Und ein halbes Jahr später zog Amadeus Quietschky wieder von Hof zu<lb/> Hof und war froh, wenn ihm ein mitleidiges Dienstmädchen einen Sechser in den<lb/> Hut warf</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1154"> An jenem Donnerstag, just um die Stunde, wo Amndeus Quietschkys Stern<lb/> so jäh erlosch, stand Herr Name, der Wirt zum Goldenen Kranich, in Hemd¬<lb/> ärmeln und Schürze am Fenster und drehte zwischen seinen dicken Fingern die<lb/> kleine Nuß, von der der Musikus gesagt hatte, sie sei mehr als hunderttausend<lb/> Taler wert. Was mochte er nur damit gemeint haben? Entweder, die Nuß war<lb/> Quietschky wirklich so viel wert, dann würde er sie, wenn er erst wieder bei Kasse<lb/> war, mit knranter Münze einlösen, oder der Geiger hatte sich überhaupt nur einen<lb/> Scherz erlaubt und würde seine Zeche, die sechzehn Neugroschen betrug, bei der<lb/> nächsten Gelegenheit bezahlen. Und wenn er es wirklich vergessen sollte, so wollte<lb/> es Name das nächstemal schon so einrichten, daß der Musikus, wenn er ein größeres<lb/> Geldstück zum Wechseln gab, die Haselnuß an Stelle von sechzehn Neugroschen<lb/> herausbekam. Deshalb mußte die Nuß gut aufgehoben werden. Der Wirt hatte<lb/> sie kaum wieder in die Westentasche gesteckt, da wurde seine Aufmerksamkeit durch<lb/> ein seltsames, offenbar fremdländisches Gefährt in Anspruch genommen, das, von<lb/> zwei mit Schcllenbügeln geschmückten Ochsen gezogen und von einem jungen Neger<lb/> in weißen Hosen und roter Jacke geleitet, sich langsam vom Hallischen Tore her<lb/> über den Brühe bewegte und vor dem Goldenen Kranich anhielt. Der auf¬<lb/> fallend lange Wagenkasten, der auf vier Rädern ruhte, vou denen das Hintere Paar<lb/> sehr hoch, das vordere desto niedriger war, trug ein baldachinartiges Dach von<lb/> rotem Tuch mit gelben Troddeln, von dem an allen vier Seiten schwere, ebenfalls<lb/> rote Vorhänge herunterhingen. Daß eine vielköpfige neugierige Menge das merk¬<lb/> würdige Fuhrwerk umdrängte, versteht sich von selbst.</p><lb/> <p xml:id="ID_1155"> Der Wirt öffnete das Fenster, um besser sehen zu können. Da vernahm er,<lb/> wie eine Stimme im Innern des Wagens an den schwarzen Lenker die Frage<lb/> richtete: Hassan, sind wir am Ziele? und wie der Neger mit einer tiefen Ver¬<lb/> beugung nach dem roten Gezelte hin erwiderte:</p><lb/> <p xml:id="ID_1156"> Allah sei gedankt! Ich sehe das goldne Bild eines Vogels mit langem Halse,<lb/> der auf einem Beine steht. Wenn es dir beliebt, mein Herr und Fürst, so be¬<lb/> selige die Schwelle dieses Hauses durch den Tritt deines Fußes!</p><lb/> <p xml:id="ID_1157"> An der hintern Schmalwnnd des Wagens tat sich der Vorhang auseinander, ein<lb/> beturbantes Haupt schaute heraus und musterte das Gebäude mit kritischen Blicken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1158"> Es stimmt, Hassan, das ist die Karawanserai zum Goldenen Kranich. Hilf<lb/> niir heraus!</p><lb/> <p xml:id="ID_1159"> Der Neger überließ die beiden Ochsen sich selbst, schlug den Vorhang zurück<lb/> und reichte einem in weite türkische Gewänder gekleideten Manne die Hand. Leute,<lb/> denen es gelang, einen kurzen Blick in das Innere des Wagens zu werfen, be¬<lb/> merkten darin einen ganzen Berg von orientalischen Teppichen und Kissen, einen<lb/> Käfig mit zwei Affen und eine nnter der Decke des Zeltes angebrachte Stange,<lb/> auf der einige Papageien saßen. Der Vorhang schloß sich wieder, und der Fremde<lb/> schritt mit unnachahmlicher Würde in das Haus.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0266]
Ich Habs ja immer gesagt: er kann nicht einmal die Noten lesen. — Seine ganze
Kunst war weiter nichts als Dressur, erklärte ein andrer, die drei Stücke, die er
immer spielte, hatte er sich mit Ach und Krach eingedrillt. Jedenfalls spielte er
besser Pharao als Geige. Und das junge Madchen, das einst von dem göttlichen
Maestro zu träumen pflegte, inzwischen aber gesetzter geworden war und von ihrem
Mops mehr hielt als von allen Virtuosen der Welt, sagte zu ihrer Freundin: Du,
Dora, weißt du auch, woher er die schönen weißen Hände hatte? Der eitle
Mensch band sich des Nachts Kalbfleisch darauf.
Und ein halbes Jahr später zog Amadeus Quietschky wieder von Hof zu
Hof und war froh, wenn ihm ein mitleidiges Dienstmädchen einen Sechser in den
Hut warf
An jenem Donnerstag, just um die Stunde, wo Amndeus Quietschkys Stern
so jäh erlosch, stand Herr Name, der Wirt zum Goldenen Kranich, in Hemd¬
ärmeln und Schürze am Fenster und drehte zwischen seinen dicken Fingern die
kleine Nuß, von der der Musikus gesagt hatte, sie sei mehr als hunderttausend
Taler wert. Was mochte er nur damit gemeint haben? Entweder, die Nuß war
Quietschky wirklich so viel wert, dann würde er sie, wenn er erst wieder bei Kasse
war, mit knranter Münze einlösen, oder der Geiger hatte sich überhaupt nur einen
Scherz erlaubt und würde seine Zeche, die sechzehn Neugroschen betrug, bei der
nächsten Gelegenheit bezahlen. Und wenn er es wirklich vergessen sollte, so wollte
es Name das nächstemal schon so einrichten, daß der Musikus, wenn er ein größeres
Geldstück zum Wechseln gab, die Haselnuß an Stelle von sechzehn Neugroschen
herausbekam. Deshalb mußte die Nuß gut aufgehoben werden. Der Wirt hatte
sie kaum wieder in die Westentasche gesteckt, da wurde seine Aufmerksamkeit durch
ein seltsames, offenbar fremdländisches Gefährt in Anspruch genommen, das, von
zwei mit Schcllenbügeln geschmückten Ochsen gezogen und von einem jungen Neger
in weißen Hosen und roter Jacke geleitet, sich langsam vom Hallischen Tore her
über den Brühe bewegte und vor dem Goldenen Kranich anhielt. Der auf¬
fallend lange Wagenkasten, der auf vier Rädern ruhte, vou denen das Hintere Paar
sehr hoch, das vordere desto niedriger war, trug ein baldachinartiges Dach von
rotem Tuch mit gelben Troddeln, von dem an allen vier Seiten schwere, ebenfalls
rote Vorhänge herunterhingen. Daß eine vielköpfige neugierige Menge das merk¬
würdige Fuhrwerk umdrängte, versteht sich von selbst.
Der Wirt öffnete das Fenster, um besser sehen zu können. Da vernahm er,
wie eine Stimme im Innern des Wagens an den schwarzen Lenker die Frage
richtete: Hassan, sind wir am Ziele? und wie der Neger mit einer tiefen Ver¬
beugung nach dem roten Gezelte hin erwiderte:
Allah sei gedankt! Ich sehe das goldne Bild eines Vogels mit langem Halse,
der auf einem Beine steht. Wenn es dir beliebt, mein Herr und Fürst, so be¬
selige die Schwelle dieses Hauses durch den Tritt deines Fußes!
An der hintern Schmalwnnd des Wagens tat sich der Vorhang auseinander, ein
beturbantes Haupt schaute heraus und musterte das Gebäude mit kritischen Blicken.
Es stimmt, Hassan, das ist die Karawanserai zum Goldenen Kranich. Hilf
niir heraus!
Der Neger überließ die beiden Ochsen sich selbst, schlug den Vorhang zurück
und reichte einem in weite türkische Gewänder gekleideten Manne die Hand. Leute,
denen es gelang, einen kurzen Blick in das Innere des Wagens zu werfen, be¬
merkten darin einen ganzen Berg von orientalischen Teppichen und Kissen, einen
Käfig mit zwei Affen und eine nnter der Decke des Zeltes angebrachte Stange,
auf der einige Papageien saßen. Der Vorhang schloß sich wieder, und der Fremde
schritt mit unnachahmlicher Würde in das Haus.
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
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